Stationen

Dienstag, 28. Dezember 2010

Griechenland



Ein Freund aus Italien rief mich an und erzählte mir, er habe im September zwei lehrreiche Wochen in Griechenland verbracht. Er arbeitete zuvor als Sekretär in Italiens größtem Buchantiquariat und erhielt ein Angebot von einer "internationalen Einrichtung", die eine Stelle als Bibliothekar in Kap Sounion vermittelte. Er erfüllte die gesuchten Voraussetzungen und merkte zu seiner Freude bald bei Telefongesprächen, dass die Verantwortlichen der Einrichtung außerdem besonders erfreut waren, einen Italiener für die vorgesehene Aufgabe gefunden zu haben. Der Vertrag meines Freundes lief gerade ab, er schaffte sich den Griechischkurs von ASSIMIL an, freute sich, dass ihm bei seiner Karriere ein zusätzlicher Erfahrungsschub bevorstand, den er seinem Curriculum hinzufügen konnte, er schiffte sich ein und träumte während der Überfahrt davon, irgendwann einmal als Gutachter für die UNO tätig zu werden.

In Griechenland angekommen, stellte er fest, in einer herrlichen Gegend am Arsch der Welt gelandet zu sein und dass die Bibliothek seit 3 Jahren ohne Leitung war, dass keiner der dort Anwesenden die Verantwortung übernehmen wollte, ihm zu sagen, was zu tun sei und dass allmählich deutlich wurde, dass seine Aufgabe allein darin bestehen sollte, einmal im Monat Papiere zu unterschreiben, durch die er bescheinigt hätte, dass alles in Ordnung sei, dass die Bibliothek sich in der erwünschten Weise weiterentwickele, dass mit angesehenen Verlagen und Zeitschriften reger Austausch herrsche und eine Reihe weiterer völlig unverständlicher, fiktiver, zusammenhangloser Kausalitätszusammenhänge, die einen erschauern lassen konnten. Dies alles mit dem einzigen Zweck, der EU und der UNO ein X für ein U vorzumachen, angeblich, um dadurch die Wettbewerbschancen der "internationalen Einrichtung"  bei der Teilnahme an der Ausschreibung von ominösen Projekten der juristischen Forschung zu erhöhen oder erhöhen zu können, möchten, blöken.

Ich vermute, es handelt sich bei dem "Projekt" um eine griechische Verschlüsselung  zum Zweck, möglichst wenig Anhaltspunkte preiszugeben, die Außenstehenden Hinweise geben könnten, über welchen Kanal man denn hier versucht, EU-Subventionen anzuzapfen. Was mich beunruhigt, ist, dass selbst mein ehrlicher Freund sich einer italienischen ungeschriebenen Regel gemäß nicht genauer ausdrücken wollte, als er von der mysteriösen "internationalen Einrichtung" sprach. Vielleicht wollte er auch nur seine Erzählung vereinfachen und mir keine Gedächtnisleistungen Namen und Natur dieser Einrichtung betreffend abverlangen... Dennoch bin ich mir sicher, dass er niemanden angezeigt hat. Was wiederum mit dem Zustand der dringend reformbedürftigen italienischen Justiz zusammenhängt. Denn durch eine Anzeige hätte er gewisslich viele zeitaufwendige Scherereien, aber keinerlei Gewissheit, was den Erfolg seines "im Bürgerinteresse erfolgten Handelns" anginge. Aber weshalb informiert er nicht direkt die UNO und die EU? Ich werde das Thema irgendwann einmal ansprechen und versuchen, in Erfahrung zu bringen, was ihn davon abhält, schließlich beabsichtige ich, dazuzulernen, obwohl sich kaum jemand für meine Berichterstattung zu interessieren scheint. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass er mir davon erzählt hätte, wenn er UNO und EU kontaktiert hätte.

Ich hätte nicht gedacht, dass es soweit kommen könnte. Aber so wie die Dinge sich entwickeln, glaube ich inzwischen, je eher Deutschland zur Mark zurückfindet (Deutschland als eine Art neutral distanzierter Superschweiz... dieser Gedanke kam mir bisher immer weltfremd vor), desto besser. Dann allerdings würden Stimmen unter den deutschen Unternehmern laut, die im Moment davon profitieren, dass der Euro so schön durch Griechenland entwertet wird... So weit sind wir schon. Man gibt es nicht zu, aber so ist es. Und was wäre passiert, wenn die Weltwirtschaftskrise ausgebrochen wäre und Deutschland seine Mark noch gehabt hätte??? Es gibt Experten, die behaupten, das wäre noch schlimmer gewesen und andere, die sagen, das wäre besser gewesen. Ich kann es nicht beurteilen, ich kann nur zur Kenntnis nehmen, dass sich die Experten nicht einig sind.

Aber es gibt auch Dinge, die ich beurteilen kann. Zum Beispiel Mentalitäten. Dafür bin ich sozusagen eine Art Superexperte. Sehr besorgniserregend ist die Einfalt mit der deutsche Politiker nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Bevölkerungen ("das Volk", die, die sich in den Bars darüber unterhalten) der Mittelmeerländer nicht nur davon träumen, von Deutschland ausgehalten zu werden, sondern dies nur recht und billig finden, weil sie nämlich in der Überzeugung leben, der Norden beute den Süden ständig aus und gerade Deutschland sei der Welt was schuldig. Und die Tatsache, dass ein deutscher Politiker, der dies aussprechen sollte - Fakten an der Hand: eine beliebige Auswahl themenrelevanter Zeitungsartikel südlicher Zeitungen der letzten 30 Jahre würde genügen - in Deutschland sofort von anderen Deutschen als Rassist diffamiert würde, ist erst recht beängstigend; es ist entsetzlich, und mir ist es richtig peinlich, dass wir uns so zum Dummen machen lassen und gleichzeitig auch noch Respekt dafür empfinden, wie andere Nationen ihren eigenen Stolz geltend machen. Temperamentvoll und wohl temperiert, ich muss schon sagen..

Und wenn ich daran denke, wie man einen gesetzlichen Vorwand herbeigemogelt hat, um den Stabilitätspakt in eine Interventionsnotwendigkeit gegenüber einer Naturkatastrophe umzudeuten. Pfui Teufel.

Am meisten beunruhigt mich die Notwendigkeit zukünftiger Schadensbegrenzung. Wie soll man denn die gezinkten Statistiken anderer Länder zuverlässig kontrollieren lassen?

Verfassungsbeschwerde gegen das Stabilitätsgesetz

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