Stationen

Mittwoch, 31. August 2011

Andrew Graham-Dixon

http://www.andrewgrahamdixon.com/



Ernst Gombrich, John Berger, Michael Baxandall, Andrew Graham-Dixon. Why are all the best art historians british? (Federico Zeri actually isn't british, but he is the very top)

Montag, 22. August 2011

Technik im Dienst der Wahrheit



"Schönberg war ein Genie, aber er hat sich geirrt." Andrei Volkonsky




Gleichstufige Stimmung

Reine Stimmung

Mitteltönige Stimmung

Wohltemperierte Stimmung

Werckmeister-Stimmung

Tonartencharakter

Mikrotonalität


Es ist im Rahmen eines kulturhistorischen Gestaltwandels gesehen wohl kein Zufall, dass sich die gleichstufige Stimmung parallel zu Egalité, Ecole Normale und Code Napoleon durchgesetzt hat. So wie es wiederum kein Zufall ist, dass im Zeitalter technischer Darstellbarkeit, auch feinster Kleinigkeiten mit großen Folgen, das Interesse für die geknebelten, ins Korsett des Quintenzirkels gepressten natürlichen Terzen wieder wach wird.

1983, also lange Zeit nach seinen Werken serieller Musik, machte Volkonsky eine Schallplattenaufnahme des Wohltemperierten Klaviers mit einem Cembalo, das er - entgegen der heute meist üblichen Praxis - sorgsam nicht gleichstufig, sondern eben wohltemperiert gestimmt hatte, um den Eigencharakter der Tonarten hervorzuheben.


In dieselbe Zeit fällt auch seine Interpretation von Frescobaldis Arien, die er mit dem Ensemble "Hoc Opus" durch Improvisation im Stil des 17. Jahhunderts vortrug.

Er wich damals aus. Er widersetzte sich nicht nur jeglicher Kommerzialisierung, er polemisierte nicht nur gegen die Kommunisten Claudio Abbado und Luigi Nono, denen er ihren würdelosen, liebedienerischen Opportunismus vorhielt (es war damals nicht leicht, als Komponist oder Interpret klassischer Musik in Italien Karriere zu machen, wenn man nicht Mitglied der KPI war; er selbst hatte aber unter sehr viel schwierigeren Bedingungen in Moskau Karriere gemacht und Luigi Nono dort gastfreundlich empfangen), er floh aus unserer (gleichstufig gestimmten) Zeit, die eine Übergangsepoche zu sein scheint, zurück in eine andere Übergangsepoche und widmete seine Konzerte Kompositoren, die er als "genio della transizione" ansah: Frescobaldi, Sigismondo D'India. Theoretisch beschäftigten ihn damals vor allem Charles Ives und Domenico Mazzocchi (also zwei Kompositoren, die beide mit Vierteltönen gearbeitet hatten), sowie Zemlinsky, Bernstein und Mahler. Ein paar Jahre später komponierte er noch einmal ein bisschen: "Psalm 148" und "Was noch lebt" (eine Vertonung von Gedichten Johannes Bobrowskis).




Karl Popper sagte einmal, Hegels Philosophie habe einen derartigen Schaden angerichtet, wie er durch die Zündung einer Atombombe entstehen würde. Dieser Vergleich ist kühn aber nicht ohne gutes Fundament. Die Wirkung Schönbergs auf die schöpferischen Talente in der Musik geht Gottseidank nicht über die Musik hinaus, denn ihre zerstörerische Kraft überragt diejenige Hegels bei weitem. Ich will damit nicht sagen, dass die Neue Musik völlig grundlos ist, sondern nur, dass sie völlig die Orientierung verloren hat (im stupiden Jargon einer Zeit, in der außer dem eigenen Bauchnabel nichts anderes kontempliert wird, hat sie "sich selbst verloren" und muss "zu sich selbst" finden). Es müsste Regisseure geben, die für bestehende Werke maßgeschneiderte Bilder schaffen, Filmaufnahmen, die (wie Mozart über die Librettodichtung sagte) "der Musik gehorsame Tochter" wären. Das würde der Neuen Musik zu einem gesünderen Publikum verhelfen und ihr selbst die Orientierung erleichtern.


Gerechtigkeit und Gleichheit - Macht

Gerechtigkeit und Gleichheit kann es nur als Leitwerte geben, möglich ist in der Wirklichkeit nur das Gleichgewicht; und jede Epoche muss das ihre finden. Dieses Gleichgewicht ist aber nur im Reich der Unwägbarkeit zu finden.

A propos Albrecht Ritschl, äußerte sich Vilfredo Pareto vor etwa 100 Jahren folgendermaßen: "Notiamo che l'incivilimento europeo è frutto di infinite guerre e della larghissima distruzione dei deboli compiuta dai forti; con quelle sofferenze si è comprata la prosperità presente."

Israel und Deutschland verbindet eine sonderbare Gemeinsamkeit: an beide werden immer unrealistische, zu hohe Erwartungen gestellt. Beide müssen ständig versuchen, ihre Sache besser als andere, "normale" Länder zu machen, um von der Staatengemeinschaft bestenfalls ein anerkennendes "gut gemacht" zu ernten, und meistens nicht mal das. Die Art, wie in Italien - besonders von der Presse, die von der Linken dominiert wird - über Eurobonds debattiert wird, grenzt an antideutschen Rassismus. Schon die Einführung des Euros wurde gern als Beginn des "Vierten Reichs" etikettiert. Leider haut man in letzter Zeit auch in England in diese Kerbe: was die Nazis nicht geschafft hätten, gelänge nun Angela Merkel (ganz Europa zu regieren).

Samstag, 20. August 2011

Traditionelle italienische Küche

Grenzgänger

Freitag, 19. August 2011

Animula uagula blandula




Von hier kamen die Säulen des Pantheon

Guter Überblick

Meisterhafter Einblick

Griechisches Sprichwort

"Auch Luftschlösser müssen solide Fundamente haben."

Sonntag, 14. August 2011

Bin Ent Laden




http://de.wikipedia.org/wiki/Notos

http://nohoearmy.wordpress.com/2011/01/13/die-griechen-bald-garnix-mehr-von-uns/


http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Ulfkotte

Die Ansicht, dass "Deutschland nicht bezahlt hat", gilt auch generell in Italien als unumstößliche Tatsache, wenngleich sie nur von Ex-, Post- oder Nochkommunisten so unverblümt an der Theke der "Casa del Popolo" ausgesprochen wird. Über den EU-Fond wird in Italien seit Jahrzehnten nicht klar und deutlich berichtet (nicht einmal von "Il Sole - 24 ore"), und alle würden aus den Wolken fallen, wenn die Nettozahlerdebatte in Italien endlich mal angeworfen würde.

Mir macht die Tatsache, dass sie seit Jahrzehnten im toten Winkel der Aufmerksamkeit liegen blieb und bleibt und dieser italienische Tatbestand in Deutschland keinen einzigen Journalisten zu interessieren scheint, wirklich inzwischen manchmal Angst. Auch was das Asylanten- und Ausländerthema angeht, herrscht in Italien "beim Mann auf der Straße" die Meinung vor, Italien nehme viele Menschen auf, während Deutschland kurzen Prozess mache und einfach alle nach Hause in ihre Ursprungsländer schicke. In Wirklichkeit schickte Andreotti bereits 1991 ein Schiff mit 40000 Albanern einfach zurück, und Deutschland nahm im selben Jahr 100000 Albaner auf. Ein Jahr später "verschärfte" Deutschland die gesetzliche Regelung des Asylrechts. Sie blieb dennoch die liberalste in ganz Europa, aber die Bundestagsabgeordneten mussten mit Hubschraubern ins Parlament geflogen werden, weil "ausländerfreundliche" Fanatiker sich untergehakt hatten, um Menschenketten zu bilden und den Parlamentariern den Zugang zum Bundestag zu verwehren. Wenn man an diese Dinge heute in Italien erinnert, glaubt einem heute wie damals kein Mensch.

In Italien herrscht nach wie vor die Meinung vor, Italien öffne allen die Arme, während Deutschland eine feste Burg sei. Uneinig sind sich hier Rechts und Links nur darüber, ob man dieses imaginäre Modell imitieren sollte oder nicht (die Linke will allen, egal woher sie kommen, nach 5 Jahren Aufenthalt automatisch die Staatsbürgerschaft gewähren, egal ob sie lesen und schreiben können oder nicht), ansonsten sind sich Rechte und Linke ausnahmsweise mal prinzipiell völlig einig und kommen in ihrer Ignoranz nicht auf den Gedanken, dass es sich genau umgekehrt verhalten könnte. Diese Ignoranz ist auch bei gebildeten Menschen durchaus weit verbreitet und ist mehr eine Glaubensfrage und dessen, was man glauben will, als eine Frage des Wissens bzw. Unwissens. Und um diesem an sich schon erstaunlichen Tatbestand noch eine Krone aufzusetzen, kommt hinzu, dass ansonsten sehr kluge Menschen in Italien manchmal beanstanden, dass Italien bei internationalen Spendenaktionen sich immer großzügig zeige, während man nie davon höre, dass Länder wie la Germania eine müde Lira rausgerückt hätten.

Wahr daran ist, dass deutsche Großzügigkeit in Italien nie an die große Glocke gehängt wird. Nun berichten die deutschen Medien ja auch nicht viel über die Großzügigkeit anderer Länder, aber wir schließen daraus auch nicht, dass es diese gar nicht gibt. Diejenigen, die ich diese merkwürdige Ansicht habe aussprechen hören, taten es nicht nur im Brustton der Überzeugung, sondern im Glauben, mal eine peinliche Selbstverständlichkeit anzusprechen, über die man nicht gerne redet. Das eigentlich Haarstäubende dabei ist, dass ihnen nie jemand widersprach.

Beim Thema Ausländer und beim Thema Zahlen wird erkennbar, dass das Deutschland Hitlers (der zitierte gern Caligola: "Ich will nicht geliebt werden, sondern gefürchtet") in Italien bildprägend geblieben ist; trotz Kohl und Schmidt, trotz Merkel und Brandt.

Dass es so dauerhafte blinde Flecken in der Wahrnehmung geben kann, hätte ich nicht gedacht. Bzw. ich dachte, es könne sie nur ausnahmsweise geben: die Schoah betreffend. Denn das hatte ich in meiner Jugend ja tatsächlich selber erlebt, weil ich es bei meinen ungewöhnlich alten Eltern mit eigenen Augen gesehen hatte, wie ein politischer Verdacht auch noch dann aufrecht erhalten werden kann, wenn sich seit Jahrzehnten erwiesen hat, dass es sich nicht nur - und vor allem nicht mehr - um Greuelpropaganda handeln kann. Dass Themen, die indirekt mit der Schoah zu tun haben, in einer Art Dominoeffekt ebenfalls dauerhaft aus dem Bewusstsein geblendet werden können - und das auch noch sowohl im Ausland wie in einem sich unterwürfig wegduckenden, diesmal in die entgegengesetzte Richtung "wegschauenden" Deutschland -, das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Tatsache ist, so schlecht wir nach dem 1. WK davonkamen, so gut kamen wir - wider jedes Erwarten (viele Offiziere befürchteten damals eine Art Super-Versailles) und vielleicht nur, weil Truman das so wollte - nach dem 2. WK davon. Wenn heute jemand sagt, wir haben es Adolf Hitler zu verdanken, dass man nicht wagte, Deutschland noch einmal zu demütigen... Wie soll man dem widersprechen? Und wie soll man einem Griechen widersprechen, der sich so äußert und uns vorhält, wir urteilten von einem hohen Ross fragwürdiger Unantastbarkeit aus?

Heinz-Joachim Fischers Ansicht führte vor drei Jahren zu einem diplomatischen Zwischenfall. Selbst die italienische Rechte war zu opportunistisch, um ihm den Rücken zu stärken.

http://persciun.blogspot.com/2011/01/das-emirat-von-sizilien.html


Weshalb all dies so ist, scheint nur Albrecht Ritschl zu wissen: es gibt tatsächlich noch eine ganz andere Debatte, bei der nicht die Griechen oder Italiener aus den Wolken fallen, sondern wir. Irgendwann kommt auch zu uns der Wirt und erinnert uns daran, dass man die Rechnung nicht ohne ihn machen kann.

Donnerstag, 11. August 2011

Eine deutschfreundliche Stimme aus Italien

"Ma cosa fanno i tedeschi?" E' la domanda, un po' polemica, che rispunta più spesso in questi giorni così incerti sulle posizioni della Germania e sul futuro dell'unione monetaria. Mai come questa settimana il futuro dell'Europa è nelle mani del cancelliere Angela Merkel.



Giovedì a Bruxelles si terrà un vertice d'emergenza dei capi di stato e di governo della zona euro. Ufficialmente sul tavolo c'è la crisi greca e un piano di salvataggio del paese mediterraneo. In realtà, si discuterà del futuro dell'unione monetaria. I nodi sono arrivati al pettine. Mai come oggi la politica nell'affrontare lo sconquasso debitorio che sta scuotendo l'euro deve scegliere tra integrazione e disintegrazione. Parlando a Der Spiegel, Helmut Kohl ha affermato: "Stanno trascinando la mia Europa al fallimento". E ha aggiunto che la politica europea dell'attuale cancelliere è "molto pericolosa". Sempre lo stesso settimanale accusa la signora Merkel di essere "senza parole, senza obbiettivi, senza coraggio". Le rimprovera una comunicazione poco chiara e troppe incertezze, troppi tentennamenti, pericolosi in un momento così delicato sui mercati finanziari. Qualche giorno fa ho chiesto a un esponente dell'establishment tedesco di darmi una sua valutazione del ministro delle Finanze Wolfgang Schäuble, che appare dall'esterno incerto sul daffarsi. Mi ha risposto: "E' un uomo molto serio, un uomo per il quale la stretta di mano è un impegno d'onore, che crede nello stato di diritto e nella legge. E' anche profondamente religioso, un protestante del Baden-Württenberg. Una frase del tipo: 'Sono religioso, ma senza fanatismi' sarebbe per lui incomprensibile".

Questa definizione mi ha fatto tornare in mente una conversazione con Tommaso Padoa-Schioppa di alcuni anni fa. Quando era direttore generale della Commissione Europea negli anni 80, Padoa-Schioppa incontrò un giorno l'allora governatore della Bundesbank Karl Otto Pöhl. Discussero del modo di rafforzare l'allora sistema monetario europeo. Il banchiere centrale ci pensò un attimo e disse di essere contrario a una soluzione "via di mezzo", ma disse che avrebbe appoggiato la nascita di una unione monetaria con una moneta unica e una banca centrale indipendente. L'aneddoto è molto rivelatore di una certa Germania, di un paese convinto che le cose vadano fatte seriamente dopo un'attenta analisi dei rischi e dei benefici. Fa sperare quindi che i tedeschi siano pronti a una maggiore integrazione europea, purché avvenga su basi solide. Molti osservatori mi potrebbero far notare che la Germania di Pöhl e quella in cui è cresciuta Schäuble non è quella di oggi; che il paese all'indomani dell'unificazione è uno stato a nuova sovranità; che i suoi interessi europei sono controbilanciati da aspirazioni globali. Ammetto che questi aspetti mi inducono alla cautela. Il paese è combattuto tra il desiderio di salvaguardare la sua storia recente e la tentazione di prendere il largo. Non basta: l'opportunismo della signora Merkel è preoccupante. Legata ai sondaggi, come si comporterà? Eppure, la frase di Winston Churchill sugli americani forse si presta anche a essere utilizzata per i tedeschi: "You can always count on Americans to do the right thing... after they've tried everything else". Purché la facciano - la cosa giusta - entro il tempo massimo.

Beda Romano (Sohn von Sergio Romano)

http://bedaromano.blog.ilsole24ore.com

2 mal Helmut

Sonntag, 7. August 2011

Spiel ohne Grenzen - SVVM CVIQVE

Wie kann man nur so einfältig sein, dem Süden derart auf den Leim zu gehen???






Die Reden, die jetzt, wo es zu spät ist, endlich über Griechenland geführt werden, sind haargenau dieselben, die die Lega Nord in Italien Ende der 80-er begann, über Süditalien, den "Mezzogiorno", zu führen. Und die Reden, die in Griechenland (und Italien) über Nordeuropa (vor allem  Deutschland und Frankreich) geführt werden, sind dieselben, die in Süditalien über die Lega Nord geführt wurden und werden.

Damals schon sagten die im Süden immer, der Staat nehme sie aus, zapfe Steuern ab, aber gebe nichts in Form von Entwicklung und Infrastrukturen zurück. Im Norden hieß es, man buttere indirekt über Rom als zentraler Steuererhebungs- und Subventionsdrehscheibe ständig Geld in den Süden, so, wie zuvor einst über die Cassa del mezzogiorno (und so wie die Nettozahler über den EU-Fond), aber das Geld versickere. Es ist haargenau dasselbe, es ist nicht nur eine Analogie, es ist haargenau dasselbe. Der Süden glaubt immer, er werde vom Norden ausgesaugt, der Norden glaubt immer, er ernähre einen stets unproduktiven "behinderten" Süden, der nicht einmal die wenigen Steuern zahle, die er zahlen müsste. In der Tat gibt es in Sizilien einen Ort (Favara, nördlich von Agrigento), wo nur 1% der Immobiliensteuer, die der italienische Staat eigentlich bekommen müsste, bezahlt wird.

Wozu gibt es in Florenz eine "Europäische Universität", die sich von früh bis spät tagtäglich mit EU-Themen befasst und Dozenten und Studenten aus ganz Europa beschäftigt, wenn dann in Brüssel trotzdem kein Mensch eine Ahnung hat, was Südeuropa ist???

Übrigens, im Sommer 1992 hob die Bundesbank den Leitzins um ein halbes Prozent (+0,5%). Daraufhin gingen in Italien viele Unternehmen pleite. Wochenlang war von nichts anderem die Rede in den Zeitungen und an den Mittagstischen (in Italien! in Deutschland krähte danach kein Hahn).

Auch Großbritannien bekam diese Leitzinserhöhung empfindlich zu spüren. "La Repubblica" druckte damals ein - eine ganze Seite langes - Interview mit Karl Popper ab, der in diesem Interview sagte, es gehe nicht an, dass ein einziger Mann (gemeint war der Direktor der Bundesbank), der nicht einmal durch Wahlen in sein Amt gekommen sei, über soviel Macht verfüge, dass seine Entscheidungen den ganzen Kontinent in Atem halten (Helmut Schlesinger vertrat die Ansicht, er erfülle nur den Auftrag, der als Arbeitsphilosophie der deutschen Zentralbank gilt: Bekämpfung der Inflation). In Italien meinte man dazu, die Frankfurter Furcht vor Inflation sei eine Manie. Der Industrielle Carlo De Benedetti (einer von Berlusconis "historischen" und aktuellen Gegnern, er besitzt unter anderem "La Repubblica" und "Espresso") sagte damals wutentbrannt: "Es geht nicht, dass wir hier in Italien die Kosten der deutschen Wiedervereinigung bezahlen" und schlug sogar vor, die DM solle solange aus dem Europäischen Währungssystem austreten, bis Deutschland seine Probleme gelöst habe.

So unterschiedlich können die Ansichten über Fakten sein. Die Griechen finden, es geschieht uns Deutschen recht zu zahlen. Sie bezeichnen uns als Roboter (im TV sagt das natürlich niemand so), und sie pochen darauf, dass die deutschen Exporte boomen, weil sie, die Griechen, den Euro schön niedrig halten. Schäuble scheint das ähnlich zu sehen, denn auch er weist betrübt darauf hin, kaum einer sei sich darüber im Klaren, dass alles viel schlimmer wäre, wenn wir den Euro nicht hätten, weil Deutschland dann Exportprobleme hätte.

Angemessen scheint mir die Feststellung, dass die deutsche Wiedervereinigung bisher das 20-fache dessen gekostet hat, was für die Rettung des Euros ausgegeben wurde, und dass diese Rettung keineswegs nur ein Zwanzigstel der Wiedervereinigung wert ist. Aber auch der Gedanke, dass die Wiedervereinigung nicht nur 20 mal wichtiger, sondern 100 mal wichtiger war, hat etwas für sich. Je nach Temperament wird man mehr Begeisterung bei dem einen oder bei dem anderen empfinden.

So unwägbar können die Sachverhalte sein, die nichtsdestoweniger unbedingt beurteilt werden müssen. Die Unwägbarkeit wird auf diese Weise zu einem Parameter der Belastbarkeit.
Und alle anderen Erwägungen werden irrelevant, wenn die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind. Diese Grenzen sind also unwägbar und nicht mit einem Fieberthermometer messbar. Rationale Argumente bleiben daher völlig ohne Wirkung, wenn ein wirtschaftspsychologischer Teufelskreis erst mal in Gang gekommen ist. Der Aufschrei, man dürfe sich den Euro "nicht von drei Ratingagenturen kaputt machen lassen", hört sich verzweifelt an, und der Gedanke, gesetzlich zu verbieten, dass subventionierte Länder begutachtet werden, der mittlerweile tatsächlich von jemand geäußert wurde, zeigt, wie sehnsüchtig man sich wünscht, den Kopf in den Sand zu stecken. Könnte ein solches Verbot wirklich als Sedativ der Märkte wirken und Heilung begünstigen? Im aktuellen, gerade akuten Fall wohl eher nicht. Als Teil eines Regelwerks, dass in Zukunft wirtschaftspsychologische Labilität abpuffern soll, vielleicht schon.

Die Ehrlichen dürften eigentlich nicht die Dummen sein; die Unehrlichen dürften eigentlich nicht ermutigt werden. Aber wer sind die Ehrlichen? Und wer sind die Unehrlichen? Ist die Wirtschaft ein Nullsummenspiel? Kann man ein grenzenloses Spiel, bei dem die Summe nur innerhalb genau definierter Räume und Zeiträume (Grenzen) konstant bleiben könnte, als Nullsummenspiel bezeichnen?

In der ZDF-Dokumentation erfährt man, dass viele für Griechenland bestimmte EU-Gelder letztlich an Unternehmen Nordeuropas ausgezahlt werden, weil Griechenland keine eigene vitale Industrie hat, die zum Beispiel die U-Bahn Athens modernisieren könnte. Die ZDF-Dokumentation suggeriert, die EU-Hilfsgelder kämen nicht Griechenland zu gute, sondern den deutschen Unternehmen, die die U-Bahn bauen. Welch ein Irrsinn! Die U-Bahn bleibt jedenfalls in Athen und Sinn der Hilfsgelder ist ja gerade nicht, dass sie in Griechenland bleiben (wo ohnehin schon zu viel Geld in die Taschen einer korrupten Oligarchie fließt, sondern das ein Wirtschaftskreislauf in Gang kommt, der die europäischen Länder verbindet. Die Brücke über den Golf von Korinth (zum großen Teil von der EU bezahlt), die man auch in der Dokumentation sieht, bleibt ebenfalls dort. So eine Brücke, die überflüssigerweise eine unterentwickelte Region mit einer anderen unterentwickelten Region verbindet, wollte Berlusconi zwischen Sizilien und Kalabrien auch bauen. Dieser Kelch ging an Deutschland und der EU bisher vorüber. Aber nicht etwa, weil Deutschland und die EU diesmal besser aufgepasst hätten, sondern weil Berlusconi nicht mehr dazu kam.

Griechenland

Das Wichtigste wäre jetzt, darüber nachzudenken, wie man (die EU, Deutschland, Frankreich...) in Zukunft die gezinkten Statistiken anderer Länder zuverlässig kontrollieren könnte. Über diese Frage scheint es aber bisher noch nicht einmal eine Diskussion zu geben.

In Island hat man keine Statistiken gezinkt. Dort hatte man nur die eigene Lage verkannt.


(Albrecht Ritschl)


Leider ist es dennoch nicht möglich, die Lage auf ein Nord-Süd-Problem zu reduzieren. Denn der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts ist ausgerechnet Deutschland.

Die Frage der Reparationsleistungen Deutschlands wurde 1953 auf "nach der Wiedervereinigung" verschoben, und als es soweit war, ging Kohl 1990 einfach nicht darauf ein. Eigentlich müsste Ike in jedem deutschen Kreisstädtchen ein Denkmal errichtet werden. Immerhin hat sich in Worms jemand die Mühe gemacht, Eisenhowers deutsche Vorfahren zu erkunden.

Deutschland ist einerseits seit Jahrzehnten Nettozahler in der EU. Diese Tatsache ist im Ausland erstaunlich vielen Menschen völlig unbekannt, vor allem, was das Ausmaß der Zahlungen angeht; zumindest in Italien taucht dieses Thema in den Medien seit Jahrzehnten kaum mal auf, während die KPI (und später die Post-, Ex- oder Nochkommunisten) immer wieder mal mit größter Selbstverständlichkeit darauf gepocht hat, "dass Deutschland nie für seine kriegerischen Zerstörungen gezahlt hat". Albrecht Ritschl von der London School of Economics lässt uns nun wissen, dass auch für die KPI gilt: wo sie recht hat, hat sie recht. Ritschls These ist wohlgemerkt nicht, dass Deutschland weiterhin zu Reparationsleistungen verpflichtet sei, sondern dass wir uns nicht über einen Schuldnachlass gegenüber Griechenland ereifern können, nachdem wir selber vor nicht allzu langer Zeit in den Genuss eines solchen kamen. Nicht die Griechen, sind das schlechte Protobeispiel, das die guten Sitten verdarb, sondern wir. Die Griechen hauen nur in die Kerbe, die wir einst schlugen.

Economist

Guardian

Spiegel

Zeit 

Auch eine Form der Verdrängung. Die enormen Zahlungen Deutschlands verärgern deutsche Steuerzahler verständlicherweise, wenn sie im Süden durch unproduktive Unternehmungen versickern, aber sie würden zum Feigenblatt zusammenschrumpfen, wenn wirklich einmal alles (einschließlich deutscher Verluste während der Währungsreform!) gegeneinander aufgerechnet würde und man aufhörte, aus dem Bewusstsein auszublenden, was in diesem Zusammenhang an unangenehmen Wahrheiten dazugehört. So übel uns nach dem 1. Weltkrieg auch mitgespielt wurde, so überaus gut kamen wir davon nach dem 2. Weltkrieg! Zwei schreckliche Ungerechtigkeiten, aber Politik ist nun einmal die Kunst des Möglichen, und bei der zweiten, die die erste mehr noch als nur ausbügelt, kann insgesamt das Gute überwiegen, wenn wir uns der Verhältnismäßigkeit auf vollständige Weise, ohne wichtige Aspekte auszuklammern, gewahr werden und uns klar machen, wie gut es uns geht und weshalb das so ist. Nur so wird ein Schuh draus. Deutschland hat mit der letzten Rate am 3. Oktober 2010 seine Restschulden vollständig getilgt, weil ein großer Teil der Gesamtschulden zuvor erlassen worden war. Die überaus günstigen Bedingungen, die Deutschland damals gewährt wurden, wurden durch sehr virtuoses Verhalten belohnt. Ein Tor, wer glaubt, das sei eine Selbstverständlichkeit.

Trotzdem glaube ich, dass gerade denjenigen, die jetzt, wo zur Rettung des Euros einiges geschultert werden muss, den Eindruck haben, sie müssten ständig für die Fehler anderer zahlen, Trost darin finden können, dass vor nicht allzu langer Zeit die Amerikaner für die Fehler Deutschlands gezahlt haben. Die Hoffnung, dass Griechenland einen Schuldnachlass ebenfalls durch virtuoses Verhalten belohnen wird, ist allerdings eine blauäugige Hoffnung. Es steht viel auf dem Spiel.