Stationen

Montag, 22. August 2011

Technik im Dienst der Wahrheit



"Schönberg war ein Genie, aber er hat sich geirrt." Andrei Volkonsky




Gleichstufige Stimmung

Reine Stimmung

Mitteltönige Stimmung

Wohltemperierte Stimmung

Werckmeister-Stimmung

Tonartencharakter

Mikrotonalität


Es ist im Rahmen eines kulturhistorischen Gestaltwandels gesehen wohl kein Zufall, dass sich die gleichstufige Stimmung parallel zu Egalité, Ecole Normale und Code Napoleon durchgesetzt hat. So wie es wiederum kein Zufall ist, dass im Zeitalter technischer Darstellbarkeit, auch feinster Kleinigkeiten mit großen Folgen, das Interesse für die geknebelten, ins Korsett des Quintenzirkels gepressten natürlichen Terzen wieder wach wird.

1983, also lange Zeit nach seinen Werken serieller Musik, machte Volkonsky eine Schallplattenaufnahme des Wohltemperierten Klaviers mit einem Cembalo, das er - entgegen der heute meist üblichen Praxis - sorgsam nicht gleichstufig, sondern eben wohltemperiert gestimmt hatte, um den Eigencharakter der Tonarten hervorzuheben.


In dieselbe Zeit fällt auch seine Interpretation von Frescobaldis Arien, die er mit dem Ensemble "Hoc Opus" durch Improvisation im Stil des 17. Jahhunderts vortrug.

Er wich damals aus. Er widersetzte sich nicht nur jeglicher Kommerzialisierung, er polemisierte nicht nur gegen die Kommunisten Claudio Abbado und Luigi Nono, denen er ihren würdelosen, liebedienerischen Opportunismus vorhielt (es war damals nicht leicht, als Komponist oder Interpret klassischer Musik in Italien Karriere zu machen, wenn man nicht Mitglied der KPI war; er selbst hatte aber unter sehr viel schwierigeren Bedingungen in Moskau Karriere gemacht und Luigi Nono dort gastfreundlich empfangen), er floh aus unserer (gleichstufig gestimmten) Zeit, die eine Übergangsepoche zu sein scheint, zurück in eine andere Übergangsepoche und widmete seine Konzerte Kompositoren, die er als "genio della transizione" ansah: Frescobaldi, Sigismondo D'India. Theoretisch beschäftigten ihn damals vor allem Charles Ives und Domenico Mazzocchi (also zwei Kompositoren, die beide mit Vierteltönen gearbeitet hatten), sowie Zemlinsky, Bernstein und Mahler. Ein paar Jahre später komponierte er noch einmal ein bisschen: "Psalm 148" und "Was noch lebt" (eine Vertonung von Gedichten Johannes Bobrowskis).




Karl Popper sagte einmal, Hegels Philosophie habe einen derartigen Schaden angerichtet, wie er durch die Zündung einer Atombombe entstehen würde. Dieser Vergleich ist kühn aber nicht ohne gutes Fundament. Die Wirkung Schönbergs auf die schöpferischen Talente in der Musik geht Gottseidank nicht über die Musik hinaus, denn ihre zerstörerische Kraft überragt diejenige Hegels bei weitem. Ich will damit nicht sagen, dass die Neue Musik völlig grundlos ist, sondern nur, dass sie völlig die Orientierung verloren hat (im stupiden Jargon einer Zeit, in der außer dem eigenen Bauchnabel nichts anderes kontempliert wird, hat sie "sich selbst verloren" und muss "zu sich selbst" finden). Es müsste Regisseure geben, die für bestehende Werke maßgeschneiderte Bilder schaffen, Filmaufnahmen, die (wie Mozart über die Librettodichtung sagte) "der Musik gehorsame Tochter" wären. Das würde der Neuen Musik zu einem gesünderen Publikum verhelfen und ihr selbst die Orientierung erleichtern.


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