Stationen

Donnerstag, 29. September 2011

Lascaux

Visite de la grotte

ZDF-Dokumentation

Es wurde wirklich langsam Zeit dafür, dass die Gelehrten bei ihren Überlegungen davon ausgehen, die Menschen vor 30000 Jahren als genauso gescheit, dumm und genial zu erachten wie uns heute, und sich darüber klar zu werden, dass es keinen Sinn hat, sie sich als dumpfe Horden vorzustellen. Was auch immer bei Chantal Jègues-Wolkiewiezs Vermutungen herauskommen mag, ihre Hypothese ist ein sehr guter Anfang. Und vielleicht hat sie ja sogar recht. Immerhin hat sie 130 Grotten mit Wandbildern vermessen, und nur 4 davon sind nicht auf markante Punkte des Sonnenlaufs ausgerichtet (und zur Gegenkontrolle kontrollierte sie zusätzlich auch Höhlen ohne Bilder). Was sie als "kleinen Sieg" bezeichnet - die Ausrichtung der Augen der Bisons und ihrer gekreuzten Schwänze - ist fantastisch. Und was im 4. Video gezeigt wird.... es ist wundervoll, wenn auch nicht zwingend. Man könnte wirklich zu dem Schluss kommen, die Grotte von Lascaux sei nicht nur von einem Picasso der Steinzeit gemalt, sondern von einem (oder mehreren) Michelangelo der Steinzeit. Das könnte tatsächlich die Sixtinische Kapelle der Vorzeit sein.

Der Einwand, es sei unmöglich, maßstabgerechte Abbilder zu schaffen, unterschätzt erstens abermals die Fähigkeiten unserer entfernten Vorfahren und zweitens wird er in Unkenntnis der Methode des sight-seizing vorgebracht, einer Zeichenmethode, die auch heute noch in einer Schule in Florenz gelehrt wird: http://www.charlescecilstudios.com/ Bernard Berenson fertigte Kopien berühmter Meister aus dem Gedächtnis an, um sein Auge zu schulen. Er hängte zu diesem Zweck das Original in einem Raum auf, in dem er es betrachtete. Aber die Kopie, die er anfertigte, stand dabei immer im Raum nebenan.


pronaque cum spectent animalia cetera terram,
os homini sublime dedit caelumque videre
iussit et erectos ad sidera tollere vultus:
sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus
induit ignotas hominum conversa figuras.
Ovid - Metamorphosen Liber primus

http://en.wikipedia.org/wiki/Solutreans

Lascaux eine Himmelskarte? Diese erstaunliche Hypothese stellte die französische Archäoastronomin Chantal Jègues-Wolkiewiez am 10. November 2000 vor. Die Auerochsen, Pferde und Hirsche in der großen Halle der Stiere haben nach Ansicht der Wissenschaftlerin erstaunliche Ähnlichkeit mit den Sternbildern. Auf der Wand sind vor allem die Gestirne zu finden, die das Sternbild des Widders, des Stiers oder des Skorpions bilden.

Dafür rekonstruierte sie zunächst die Himmelskonstellation des Sommers, wie sie sich vor 17 000 Jahren dem Betrachter bot, als die Malereien entstanden. Danach wurden mit einem Kompass alle Punkte und Striche, aus denen sich die Tierfiguren zusammensetzen, genau vermessen und anschließend die gewonnenen archäologischen und astronomischen Daten miteinander verglichen. Dann entpuppte sich die Tierzeichnung auf der linken Wand der großen Halle, die von Frühgeschichtlern "das Einhorn" getauft wurde, als das heutige Sternbild des Steinbocks.

Die Hypothese stützt ein überraschendes Phänomen, das sich jedes Jahr einstellt: Bei der Sommersonnenwende erreichen die Strahlen der untergehenden Sonne vom Eingang her die Malereien in der Halle der Stiere. Damit liefert die Forscherin ein völlig neues Element zum Verständnis der Anlage: Dieser Ort wurde nicht zufällig gewählt. Die Malereien entstanden als Teil eines phantastischen Schauspiels, wenn die Sonne die gesamte Halle der Stiere erhellt und beleuchtet.

Der Konservator der Höhle, Jean-Michel Geneste, argumentiert vorsichtig, dass diese Forschungsarbeiten die ersten ihrer Art darstellen, die auf systematischen Messungen beruhen. Immerhin konnte Chantal Jègues-Wolkiewiez zeigen, dass zwischen den Darstellungen auf dem Gewölbe und den Himmelskörpern eine Verbindung besteht. Mehrere Elemente sind über jeden Zweifel erhaben: Die Ausrichtung der Höhle gemäß der Sonnenwende, die Positionierung von Steinbock, Skorpion und Stier in der Halle entsprechend dem damaligen Sternenhimmel. Ihre Malereien lassen vermuten, dass die Menschen in Europa bereits in der Altsteinzeit hervorragende Himmelsbeobachter waren und dass sie ihre Beobachtungen auf irgendeine Weise festhielten, um sie anschließend in der Höhle nachzuvollziehen.


Carlo Ginzburg


Einer der klügsten Gelehrten Europas. Man sollte eigentlich alle seine Bücher gelesen haben. Er hat auch ein Geografieschulbuch über Italien für die Gymnasien verfasst, und selbst das sollte man gelesen haben oder wenigstens als Nachschlagewerk im Regal haben.





Mittwoch, 28. September 2011

Färöer



A few hundred miles southeast of Iceland, 50,000 descendants of North Germanic settlers live on a string of islands called the Faroes. For more than 1,000 years, the people here have hunted pilot whales, and whale meat continues to be an important part of their diet. But when pictures of whale hunts first appeared in the media during the 1980s, many from the outside world were shocked and animal rights activists unfamiliar with Faroese culture mounted an anti-whaling campaign, despite the fact that the Faroese are not involved in commercial whaling. In addition, the islanders now face a new threat to their way of life, caused by the global pollution of the world's oceans: A landmark 20-year study of Faroese children has found that high levels of methyl mercury and other contaminants in the whale meat are harmful to a child's neurological development. The study's findings have rubbed against deeply held traditions in this beautiful and remote part of the world.




The Faroe Islands are an island group situated between the Norwegian Sea and the North Atlantic Ocean, approximately halfway between Great Britain and Iceland. After their colonisation by Norse settlers, the population of the islands never exceeded 5,000 until the 18th century. Only with the rise of deep-sea fishery (and thus independence from agriculture in the islands' harsh terrain) was rapid population growth possible. From the 18th century onward, the population increased tenfold to almost 50,000 in 2010.

The Faroese language is one of the least commonly spoken Germanic languages, but very much alive. Faroese grammar and vocabulary are most similar to Icelandic and to the extinct language Old Norse. In contrast, spoken Faroese is very different from Icelandic and closer to Norwegian dialects of the west coast of Norway. Faroese language policy provides for the active creation of new words in Faroese instead of imported loan words. Although a rich spoken tradition survived, for 300 years the language was not written down. This means that all poems and stories were handed down orally. These works were split into the following divisions: sagnir (historical), ævintýr (stories) and kvæði (ballads), often set to music and the mediaeval chain dance.

Ólavsøka is the national holiday of the Faroe Islands. On the eve of Ólavsøka, the Ólavsøka Boat Race is held, one of the highlights in Faroese sports. In addition, there are art exhibitions, folk music, and Faroese chaindance performances. The culture of the Faroese people has its roots in Nordic (North Germanic) culture. Long isolated from the main cultural phases and movements that swept across Europe, they have maintained a great part of their traditional culture and contemporary Faroese artists continue to be strongly influenced by it.

Qumran





Furio Colombo



http://it.wikipedia.org/wiki/Furio_Colombo

Er ist einer der genialsten Männer des zeitgenössischen  Italien und gleichzeitig einer der feinsten und klügsten und höflichsten. Die Politik war nie seine Leidenschaft. Aber wenige Jahre nach dem Auftauchen Berlusconis wurde er Politiker wider Willen aus purem Bürgerpflichtbewusstsein. Er modernisierte die ehemalige, einst von Antonio Gramsci gegründete, kommunistische Parteizeitung "Unità" und wandelte sie in ein Agitationsblatt gegen Berlusconi um. Früher hatte Colombo immer zu den wenigen gehört, die im italienischen Fernsehen eine Aura edler Heiterkeit umgab, außerdem waren seine Beiträge immer unglaublich interessant und so ungewöhnlich, dass ich wie gebannt zuhörte, um ja keines seiner Worte zu überhören und alles genau zu verstehen, was er sagte. Oft berichtete er über faszinierende, ganz spezifische Besonderheiten  der amerikanischen Gesellschaft, die er sehr gut kennt. Es gibt nicht viele Persönlichkeiten, durch die man - jenseits von Macht und Reichtum - etwas Intelligentes über die Vorzüge und Größe der US-amerikanischen Kultur erfahren kann, aber Furio Colombo ist in dieser Hinsicht immer eine sehr ergiebige Quelle gewesen, wenn er mal in eine Sendung eingeladen wurde. Nach der deutschen Wiedervereinigung machte er selber eine sehr schöne Sendung in zwei Teilen über das neue Deutschland. Furio Colombo ist in jedem Winkel seiner Seele so völlig Demokrat, wie man es selten erlebt. Die einzige politische Persönlichkeit in Deutschland, die ich mit ihm in dieser Hinsicht vielleicht vergleichen könnte war Regine Hildebrandt.

Seit Berlusconi die politische Bühne betrat, war Colombo nicht wiederzuerkennen. Die Aura der Heiterkeit war völlig verschwunden, und sie kehrte auch nie mehr zurück. Inzwischen ist er nicht mehr der Jüngste. Er gehört zu denjenigen, die mir sehr fehlen werden, wenn er einmal nicht mehr da ist. Jetzt schon kann ich (und muss ich leider) sagen, die Ära Berlusconi hat ihm das Herz gebrochen.



Furio Colombo ist nicht der einzige kluge Mann in der Opposition. Aber es sind viel zu wenige, zu wenige, um etwas ausrichten zu können. Und selbst wenn Colombo genügend Anhänger hätte, könnte er niemals Premier sein. Er ist für eine solche Aufgabe viel zu sensibel.

Sonntag, 25. September 2011

Am ersten Oktobersonntag ist Erntedankfest







Bunt sind schon die Wälder;
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig stralt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Roth und weiß bemalt.

Sieh! wie hier die Dirne
Emsig Pflaum’ und Birne
In ihr Körbchen legt;
Dort, mit leichten Schritten,
Jene, goldne Quitten
In den Landhof trägt!

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröthe
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz.

Hier die schöne Version von H.W.



http://de.wikipedia.org/wiki/Hubertusmesse



Samstag, 24. September 2011

Die Ökumene und die Unzulänglichkeit

"Vetus autem illud Catonis admodum scitum est, qui mirari se aiebat, quod non rideret haruspex, haruspicem cum vidisset." Cicero - De divinatione II, 51

Das Schwierigste an der Selbstkritik ist, auch das kritisch zu beleuchten, was einem selber heilig ist. Aber nur dann ist man auch in der Lage, es glaubwürdig zu verteidigen. Auch hier gilt, dass es am heilsamsten ist, zu versuchen, sich völlig in die Lage des Anderen zu versetzen.

Das eigentliche Problem scheint mir zu sein, dass die evangelischen Schriftgelehrten vor lauter Durst nach ökumenischer Gleichberechtigung die katholische Kirche aus den Augen verloren haben. Sie haben von der katholischen Kirche kein phänomenologisches Verständnis. Die katholischen Schriftgelehrten haben aber sehr wohl ein solches von der evangelischen Kirche. Die Katholiken empfinden gegenüber den Lutheranern nie Herablassung, aber - außerhalb Deutschlands - eine gewisse Belustigung gegenüber dem rebellischen Eifer und nicht selten Unbehagen gegenüber der rigiden, schematischen Mentalität, die in protestantischen Ländern Nordeuropas, besonders Schwedens, anzutreffen ist. Unter den Lutheranern ist kaum verholene Herablassung gegenüber dem Katholizismus beinahe die Regel, zumindest dann, wenn es um bayrischen oder gar südeuropäischen Katholizismus geht und hinter verschlossenen Türen gesprochen wird. Dass ausgerechnet diejenigen, die sich meist verächtlich über den Katholizismus äußern auf "Augenhöhe" pochen, ist paradox.

Es ist lächerlich, wie die Lutheraner einerseits auf dem Primat der Schrift beharren, so als gäbe es da im Gestrüpp der Philologie so etwas Ähnliches wie einen sicher gangbaren, ausgetretenen Pfad des indirekten Zugangs zum Allerhöchsten, der wichtiger wäre als der lebendige direkte (auch einstmals direkte, also geschichtliche), von dessen Tradition die Katholiken retten möchten, was zu retten ist. Besonders lächerlich ist die Verbohrtheit, mit der man auf dem Primat der Schrift besteht, weil man seit langem weiß, dass es nichts gibt, was als wahre Urschrift gelten kann, sondern nur Überlieferung, Überlieferung, Überlieferung und den harten Kern der Wahrheit im süßen Fleisch der Legende.

Luther hat sich geirrt! Er hat sich in dieser Hinsicht geirrt!! Einmal abgesehen davon, dass die katholische Kirche inzwischen auf bestimmte Stellen der "Schrift" - und die kirchengeschichtlichen Schriften - mehr pocht als die Lutheraner.

Das lutheristische Festhalten am Primat der Schrift ist andererseits selbst nichts anderes, als eine inzwischen Jahrhunderte alte Überlieferung, die insofern hohl ist, als der Inhalt der Bibel für die Lutheraner mittlerweile kaum eine geringere Rolle spielen könnte. Man liest in der evangelischen Kirche jetzt nur noch zwischen den Zeilen, und da findet sich natürlich nur das, was man beim Auslegen der Schrift in sie hineinlegen möchte. Luthers "Schrift" als Kondensationskern für nebulöse Befindlichkeitsspiritualität, Luthers "Schrift" als Interpretationsgötze.  Erbärmlicher geht es nicht.

Und dieser Affenzirkus - der wie eine Karikatur von Mathilde Ludendorffs „Bund für Deutsche Gotterkenntnis" aussieht: besonders bei Dr. Paul Schulz finden sich Parallelen zu Frau Ludendorff - will auch noch zusammen mit den Katholiken die Eucharistie feiern??? Ausgerechnet das Irrationalste, was in der gesamten christlichen Lehre zu finden ist?????

Wenn ich tot wäre, würde ich mich im Grabe umdrehen.


Ich bin schließlich selber ein eingefleischter Lutheraner, und noch dazu ein (anti)atheistischer. Gerade deshalb schäme ich mich ja über die aufgeblasene kulturgeschichtliche Dummheit der evangelischen Kirche. Man urteilt allen Ernstes über den Papst, er kenne zwar den Protestantismus sehr gut, aber er habe sein Urteil über denselben in 500 Jahren kaum geändert. In Wahrheit sind es vor allem die Protestanten, die auf ihrem hohen Ross sitzen und um nichts in der Welt von ihren herablassenden Ansichten über die katholische Kirche abrücken wollen, und das obwohl die überheblichen Protestanten die katholische Kirche sehr, sehr schlecht kennen. Denn seit vielen Jahrzehnten kümmern sie sich nicht darum, den Katholizismus auch nur zu verstehen. Geschweige denn werden sie sich bewusst, wie nötig sie selbst den Katholizismus nicht nur für das eigene Selbstverständnis brauchen, sondern auch als "feste Burg" in einer Zeit, in der Gott lange aufgehört hat, eine feste Burg für die evangelische Kirche zu sein. Die katholische Kirche ist für die Protestanten nicht nur der Sockel, auf dem sie sich als Büste brüsten, also ein Sockel des Primitiven, Rückständigen, der die Protestanten zu Distanz und selbstgefälligem Selbstverständnis beflügelt. Sie ist gleichzeitig auch das Bollwerk, hinter dessen Mauern es sich bequem evangelischer Christ sein lässt. Man gönnt es der katholischen Kirche nicht, dass es in ihr immer noch keine geschiedenen Priester gibt, die vor der Aufgabe, ihren Kindern nicht nur Vater, sondern auch Familienvater zu sein, davonlaufen. Man wirft daher Steine auf diejenigen Priester, die nicht gegen die Ströhmung des hedonistischen Zeitgeists schwammen und sich in troubled water treiben ließen, und man möchte mit diesen Steinen die katholische Kirche treffen.

Aber wenn man den Protestanten die "katholische Rückständigkeit" wegnimmt, bleibt nicht viel übrig von diesen Vögeln, die auf dem Thron der spirituellen Avanguarde hocken. Daran kann auch die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht wegen der hohen Ämterüberschneidung manchmal schon als langer, geradezu befangener Arm des Rates der EKD bezeichnet wurde, nichts ändern.

Die aufgeblasene Ignoranz der Lutheraner ist ekelerregend. Sie sind es, die seit über 100 Jahren immer wieder dieselben Dummheiten über die katholische Kirche verbreiten und von Luther außer dem "sola fide" (das für Luther nichts von der heute üblichen unverbindlichen Bequemlichkeit hatte) so gut wie nichts bewahrt haben. Sie sind es, die sich immer für das gelbe vom Ei halten. Und das bloß weil sie einem Glauben anhängen, der so etwas ähnliches ist, wie ein sentimental verklärter, moralindividualistischer Atheismus, für den nicht mal die 10 Gebote viel bedeuten. Sie sind es, die auch der dümmsten Sau, die durchs Dorf rennt, hinterherrennen, um nicht als unfortschrittlich zu gelten. Sie sind es, die unkommentierte Bibeln verbreiten, die kein Mensch verstehen kann, obwohl und weil man die Bedeutung der Schrift zur Götze machte. Diejenigen aber, die vorbildlich kommentierte Bibeln auf dem neuesten Stand archäologischer, anthropologischer und philologischer Forschung in wahrhaft lutherischem Geist herausgeben, sind einzig und allein die Katholiken, besonders die italienischen und französischen. Und diejenigen, die versuchen der soziologistischen, im besten Fall zoologistisch ideologisierten Verflachung, die unser kulturhistorisches Erbe einzuebnen droht, widerstehen, statt sich ein X für ein U vormachen zu lassen, sind wiederum die Katholiken.

Auch die Katholiken haben ihre spezifischen Fehler und Schwächen. Aber sie sind darüber wenigstens im Bilde und sie stecken sogar Spott (wie den von Tom Lehrer z.B.) sehr gut weg (im katholischen Gesangsbuch "Gotteslob" befindet sich unter Punkt 8,3 sogar ein Gebet um Sinn für Humor!), während die Protestanten Spott überhaupt nicht vertragen und nicht einmal in der Lage sind, auch nur zu denken, dass es spezifisch protestantische Fehler, Schwächen und Laster geben könnte, sei es, was die protestantische Lehre angeht, sei es was die protestantische Mentalität angeht.



Der arme Ratzinger. Er ist an sich schon ein schüchterner Mensch, und darüberhinaus schlagen ihm ein Hass und eine Verachtung entgegen, wie sonst wenigen Menschen. Bin Laden weckte mehr Sympatien und der Attentäter in Norwegen weniger Hass. Umso mehr muss man den Mut und die humorvolle Heiterkeit bewundern, mit dem Ratzinger unbeirrbar seine scharfsinnigen Analysen vorträgt, wohl wissend, dass sie immer nur 1 % aufmerksam hören wird und nur höchstens 1 Promille verstehen wird, obwohl er sich so große Mühe gibt, klar und unmissverständlich zu sein.

Mehr als Symbol der Unzulänglichkeit kann keine Kirche sein.

Die Stärke der protestantischen Kirche - wie auch generell die Stärke der im Spätbarock beginnenden kleinen deutschen Renaissance, die zum Deutschen Idealismus führte - ist der Pietismus. Die gute Seite am lutherischen Gestus ist heute der Wille zu zeitloser Außergeschichtlichkeit und Unbedingtheit, aber seine Kehrseite ist die Geschichtslosigkeit, die Illusion aus geschichtlicher Eingebundenheit heraustreten zu können und gleichsam von einer Dimension der Ewigkeit aufgenommen zu werden, wodurch alle Geschichtlichkeit und mitmenschliche Eingebundenheit abgestreift werden und Traditionen verdorren, deren Absterben uns von der Kraftquelle der Wurzeln trennt. Die römisch-katholische Kirche wehrt sich vor allem anderen gegen dieses Heraustreten. Sie hat von den alten Römern den Brauch übernommen, auch das Veraltete durch rituelle Bezugnahme auf altehrwürdigen Humus zur symbolischen Gegenwart unserer Herkunft ins lebendige Leben einzubinden und praktizierte Jahrhunderte lang auch deren Brauch, sich fremde Götter unter dem Aspekt des logos spermaticus anzueignen. Ob es eine Rückkehr zu dieser "exoratio" geben wird, wird sich zeigen. In manchen Fällen könnte es in einzelnen Fällen dadurch zu einer Heiligsprechung von Personen kommen, die eigentlich anderen Religionen angehörten oder gar als "fromme Atheisten" galten. Im Archiv des Vatikans liegt ein reiches Register an über ein Jahrtausend alten Erinnerungen bereit, das sich für die Wiederbelebung einstiger Strategien eignet. Das Irrationale im Menschen wird nie beseitigt werden , es kann nur in begehbare Bahnen gelenkt und in menschliches Erbe und Traditionen eingebunden werden. Die römisch-katholische Kirche denkt in Jahrhunderten. Auch Luther ist deshalb in der katholischen Optik nur eine Episode, die für 2% der Katholiken - mehr sind die deutschen Katholiken im Weltmaßstab nicht - eine Sirene darstellt. In Rom fühlt man sich aber vor allem für die restlichen 98% verantwortlich.


Die katholische Kirche ist skeptisch. Sie ist die älteste Institution der Welt. Sie hat Erfahrung. Sie ist der letzte Rest römisches Reich. Es ist, als habe sich das große Weltreich zum Schluss wieder auf einen der Hügel am Tiber zurückgezogen, von denen es seinen Ausgang einst genommen hatte. Schon die Etruskerpriester waren in Purpur gewandet, und Latein ist immer noch die offizielle Sprache des Vatikans. Die katholische Kirche ist skeptisch. Sie glaubt zwar an das Gute im Menschen, bzw. dass da etwas ist, was gefördert werden muss, damit es ist, bleibt und vielleicht sogar wächst. Aber sie weiß, dass der Mensch nicht gut ist, sondern unzulänglich und in ständiger Versuchung ist, der Bestie anheimzufallen, egal ob man sie nun hochtrabend als Entropie bezeichnet oder plump den Teufel nennt.

Algermissens Ansicht

http://michaelkunze.blogspot.com/2010/09/amazing.html

Matussek und Precht - Zwei kluge Männer äußern sich zum Katholizismus

http://persciun.blogspot.com/2011/01/naturam-expellas-furca-tamen-usque.html

Friedrich Spee und Giacomo Leopardi



In stiller Nacht

Giacomo Leopardi

Friedrich Spee

Spee schrieb seine Lieder während des 30-jährigen Krieges. Viele finden sich auch heute noch sowohl im katholischen Kirchengesangsbuch "Gotteslob" wie auch im evangelischen Gesangbuch.



Kirchenaustritt in Deutschland

Die Forschung unterscheidet mehrere Kirchenaustrittsbewegungen in der deutschen Geschichte.

1. schon vor dem Ersten Weltkrieg (getragen von Sozialdemokraten und bürgerlichen Anhängern Ernst Haeckels),

2. ab 1919 (ebenfalls vornehmlich aus der Arbeiterschaft heraus, aber auch dem Bürgertum).

3. Zwischen 1936 und 1940 traten in den Ausmaßen ähnlich viele Menschen in Deutschland und Österreich aus den Kirchen aus wie

4. nach 1968 und

5. nach 1989.

1933 bis 1936 und nach 1945 in Westdeutschland (Adenauer-Zeit) gab es Kircheneintrittsbewegungen.

Der Kirchenaustritt von 1937 bis 1940 war stark von der „Gottgläubigkeit“ der Nationalsozialisten und Diskussionen rund um kirchenkritische Schriften von Autoren wie Alfred Rosenberg (Bekenntnis: „gottgläubig“ oder „deutsch-gottgläubig“) und Mathilde Ludendorff (Bekenntnis: „Bund für Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)") getragen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Gottgläubig

Die Austrittswelle von 1989 dagegen scheint die einzige zu sein, bei der die Erwägung, Geld zu sparen, eine entscheidende Rolle spielte.

Freitag, 23. September 2011

Inventar der Erde

„Je tiefer man in die lebendige Natur hineinsieht, desto wunderbarer erkennt man sie. Ich glaube, man fühlt sich dann auch geborgen. Man gehört ja zu ihr, man kann sie sehen, man kann sie erleben. Das Bewusstsein ist schon das größte Geschenk des Schöpfers an die Menschen; dass man ein Bewusstsein hat und wir uns unserer Schöpfung bewusst werden können – nicht nur einfach blind durch das Paradies gehen.“ Albert Hofmann






Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Herr Bundestagspräsident!
Frau Bundeskanzlerin!
Frau Bundesratspräsidentin!


Meine Damen und Herren Abgeordnete!


Es ist mir Ehre und Freude, vor diesem Hohen Haus zu sprechen – vor dem Parlament meines deutschen Vaterlandes, das als demokratisch gewählte Volksvertretung hier zusammenkommt, um zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten. Dem Herrn Bundestagspräsidenten möchte ich für seine Einladung zu dieser Rede ebenso danken wie für die freundlichen Worte der Begrüßung und Wertschätzung, mit denen er mich empfangen hat. In dieser Stunde wende ich mich an Sie, verehrte Damen und Herren – gewiß auch als Landsmann, der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen Heimat mit Anteilnahme verfolgt.


Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt. Sie anerkennen damit die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft zukommt. Von dieser meiner internationalen Verantwortung her möchte ich Ihnen einige Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats vorlegen.

Lassen Sie mich meine Überlegungen über die Grundlagen des Rechts mit einer kleinen Geschichte aus der Heiligen Schrift beginnen. Im ersten Buch der Könige wird erzählt, daß Gott dem jungen König Salomon bei seiner Thronbesteigung eine Bitte freistellte. Was wird sich der junge Herrscher in diesem wichtigen Augenblick erbitten? Erfolg – Reichtum – langes Leben – Vernichtung der Feinde? Nicht um diese Dinge bittet er. Er bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“. Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich ankommen muß. Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muß Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen. Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, der ihm überhaupt die Möglichkeit politischer Gestaltung eröffnet. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt. Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, daß diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, daß Macht von Recht getrennt wurde, daß Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und daß der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren, ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren.

Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen. Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden? Die salomonische Bitte bleibt die entscheidende Frage, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen. In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber daß in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muß sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen. Im 3. Jahrhundert hat der große Theologe Origenes den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen so begründet: „Wenn jemand sich bei den Skythen befände, die gottlose Gesetze haben, und gezwungen wäre, bei ihnen zu leben …, dann würde er wohl sehr vernünftig handeln, wenn er im Namen des Gesetzes der Wahrheit, das bei den Skythen ja Gesetzwidrigkeit ist, zusammen mit Gleichgesinnten auch entgegen der bei jenen bestehenden Ordnung Vereinigungen bilden würde …“

Von dieser Überzeugung her haben die Widerstandskämpfer gegen das Naziregime und gegen andere totalitäre Regime gehandelt und so dem Recht und der Menschheit als ganzer einen Dienst erwiesen. Für diese Menschen war es unbestreitbar evident, daß geltendes Recht in Wirklichkeit Unrecht war. Aber bei den Entscheidungen eines demokratischen Politikers ist die Frage, was nun dem Gesetz der Wahrheit entspreche, was wahrhaft recht sei und Gesetz werden könne, nicht ebenso evident. Was in bezug auf die grundlegenden anthropologischen Fragen das Rechte ist und geltendes Recht werden kann, liegt heute keineswegs einfach zutage.

Die Frage, wie man das wahrhaft Rechte erkennen und so der Gerechtigkeit in der Gesetzgebung dienen kann, war nie einfach zu beantworten, und sie ist heute in der Fülle unseres Wissens und unseres Könnens noch sehr viel schwieriger geworden. Wie erkennt man, was recht ist? In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden: Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt. Die christlichen Theologen haben sich damit einer philosophischen und juristischen Bewegung angeschlossen, die sich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. gebildet hatte. In der ersten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts kam es zu einer Begegnung zwischen dem von stoischen Philosophen entwickelten sozialen Naturrecht und verantwortlichen Lehrern des römischen Rechts.

In dieser Berührung ist die abendländische Rechtskultur geboren worden, die für die Rechtskultur der Menschheit von entscheidender Bedeutung war und ist. Von dieser vorchristlichen Verbindung von Recht und Philosophie geht der Weg über das christliche Mittelalter in die Rechtsentfaltung der Aufklärungszeit bis hin zur Erklärung der Menschenrechte und bis zu unserem deutschen Grundgesetz, mit dem sich unser Volk 1949 zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekannt hat.

Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität war es entscheidend, daß sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben. Diesen Entscheid hatte schon Paulus im Brief an die Römer vollzogen, wenn er sagt: „Wenn Heiden, die das Gesetz (die Tora Israels) nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie… sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab…“.

Hier erscheinen die beiden Grundbegriffe Natur und Gewissen, wobei Gewissen nichts anderes ist als das hörende Herz Salomons, als die der Sprache des Seins geöffnete Vernunft. Wenn damit bis in die Zeit der Aufklärung, der Menschenrechtserklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gestaltung unseres Grundgesetzes die Frage nach den Grundlagen der Gesetzgebung geklärt schien, so hat sich im letzten halben Jahrhundert eine dramatischeVeränderung der Situation zugetragen. Der Gedanke des Naturrechts gilt heute als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren nicht lohnen würde, so daß man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen. Ich möchte kurz andeuten, wieso diese Situation entstanden ist.

Grundlegend ist zunächst die These, daß zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle. Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein angenommene positivistische Verständnis von Natur und Vernunft. Wenn man die Natur – mit den Worten von H. Kelsen – als „ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen“ ansieht, dann kann aus ihr in der Tat keine irgendwie geartete ethische Weisung hervorgehen. Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen. Das gleiche gilt aber auch für die Vernunft in einem positivistischen, weithin als allein wissenschaftlich angesehenen Verständnis.

Was nicht verifizierbar oder falsifizierbar ist, gehört danach nicht in den Bereich der Vernunft im strengen Sinn. Deshalb müssen Ethos und Religion dem Raum des Subjektiven zugewiesen werden und fallen aus dem Bereich der Vernunft im strengen Sinn des Wortes heraus. Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewußtsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Dies ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über die eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist.

Das positivistische Konzept von Natur und Vernunft, die positivistische Weltsicht als Ganzes ist ein großartiger Teil menschlichen Erkennens und menschlichen Könnens, auf die wir keinesfalls verzichten dürfen. Aber es ist nicht selbst als Ganzes eine dem Menschsein in seiner Weite entsprechende und genügende Kultur. Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden. Die sich exklusiv gebende positivistische Vernunft, die über das Funktionieren hinaus nichts wahrnehmen kann, gleicht den Betonbauten ohne Fenster, in denen wir uns Klima und Licht selber geben, beides nicht mehr aus der weiten Welt Gottes beziehen wollen. Und dabei können wir uns doch nicht verbergen, daß wir in dieser selbstgemachten Welt im stillen doch aus den Vorräten Gottes schöpfen, die wir zu unseren Produkten umgestalten. Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen und all dies recht zu gebrauchen lernen.

Aber wie geht das? Wie finden wir in die Weite, ins Ganze? Wie kann die Vernunft wieder ihre Größe finden, ohne ins Irrationale abzugleiten? Wie kann die Natur wieder in ihrer wahren Tiefe, in ihrem Anspruch und mit ihrer Weisung erscheinen? Ich erinnere an einen Vorgang in der jüngeren politischen Geschichte, in der Hoffnung, nicht allzusehr mißverstanden zu werden und nicht zu viele einseitige Polemiken hervorzurufen. Ich würde sagen, daß das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet. Jungen Menschen war bewußt geworden, daß irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Daß Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern daß die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen. Es ist wohl klar, daß ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache – nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen. Erlauben Sie mir, bitte, daß ich noch einen Augenblick bei diesem Punkt bleibe. Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.

Kehren wir zurück zu den Grundbegriffen Natur und Vernunft, von denen wir ausgegangen waren. Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren – 1965 – den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. Er hatte gesagt, daß Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist. „Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos“, bemerkt er dazu. Wirklich? – möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt? An dieser Stelle müßte uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.

Dem jungen König Salomon ist in der Stunde seiner Amtsübernahme eine Bitte freigestellt worden. Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz – die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Deutschlandfunk über Ratzingers Besuch

www.vatican.va

Neutrinos schneller als Licht?

Der CERN ist bei einem Experiment zu Ergebnissen gekommen, die zu der Annahme, Neutrinos seien schneller als Licht, berechtigen. Die Ergebnisse wurden sofort der Öffentlicheit zugänglich gemacht, um ihre Stichhaltigkeit von unabhängigen Experten bestätigen oder widerlegen zu lassen.

CERN - public

Dienstag, 20. September 2011

Euro



"Die Ökonomen sind Chirurge, die einen hervorragenden Meisel und ein rissiges Skalpell besitzen. Sie arbeiten sehr gut an Leichen, und sie quälen die Kranken."
Nicolas dit Chamfort


(Auf dem italienischen Euro sieht man Leonardos Darstellung der harmonischen Proportionen des menschlichen Körpers. Der Ausruf "Ero!" ist ebenfalls italienisch und heißt "Ich war!")

Merz ist wieder da!

Donnerstag, 8. September 2011

Hans André Stamm



http://persciun.blogspot.com/2011/08/technik-im-dienste-der-wahrheit.html

Sartori


Sartori ist seit 10 Jahren der einzige, der in Italien noch einen klaren Kopf hat.

http://de.wikipedia.org/wiki/Giovanni_Sartori

Sonntag, 4. September 2011

Die Meridionalisierung Europas

‎"Die Eurozone wird wie ein großes Italien mit einer starken Zone und einer schwachen. Mit einer schwachen Regierung (in Brüssel) und mit dem brüchigen Willen, zusammen zu bleiben." Thomas Mayer (Chefvolkswirt der Deutschen Bank)

VSE


Massenpetition deutscher VWL-Professoren

Freitag, 2. September 2011

Donnerstag, 1. September 2011

Fabian M. Müller

http://fmsounds.ch/bio/bio.htm



Kindliche Reinheit

Dort, wo es keine Skandalpresse gibt, ist es um Demokratie und Rechtsstaat schlecht bestellt.

Es hat keinen Sinn, die Bildzeitung zu dämonisieren. So schlimm ist sie gar nicht. Und so dumm, wie oft unterstellt, sind auch ihre Leser nicht. Und doch ist es wohltuend, eine intelligente, kluge, junge Mutter zu erleben, die kompromisslos gegen die Bildzeitung Stellung nehmen möchte und sich in dieser Hinsicht festlegt.

Auch in dieser Hinsicht, funktioniert die Bildzeitung wie ein Barometer. Sie ist die Bezugsgröße, an der sich Konsens und Dissens messen lässt.



Wirklich wichtig, so eindeutig auf Distanz zu gehen, ist es Gott sei Dank fast nie. Ernst Jünger erlaubte dem Völkischen Beobachter nicht, auch nur eine von ihm geschriebene Zeile je zu veröffentlichen.

Es gibt in Italien (noch) keine Opposition

weil es keine gesunde Sozialdemokratie gibt, sondern nur eine zerstrittene Linke, die zudem auch noch zu unternehmerfeindlich ist, um eine glaubwüdige Alternative zur Rechten darstellen zu können. Prodi war der einzige. Aber er wurde immer zur Geisel seiner linksextremen Koalitionspartner.

Das Problem ist, dass die Rechte im Lauf der Zeit ihre Glaubwürdigkeit ebenfalls verloren hat.

Eine Mediendiktatur oder Zensur hat es in Italien in den letzten 17 Jahren nie gegeben. Sie war schlicht und einfach überflüssig, weil sich die "Opposition" in den Medien ständig selber blamierte und zerlegte. In solch einer Situation ist Zensur völlig überflüssig für den, der an der Macht ist. Im Gegenteil, er verzichtet gern auf sie, weil er dadurch mit Liberalität punkten kann. In der Tat war die Meinungsvielfalt in Italien in den letzten 17 Jahren in jedem Augenblick größer als in Deutschland.



Vielleicht kann Alessandro Profumo (zusammen mit Montezemolo) retten, was noch zu retten ist... Oder Mario Monti?