Stationen

Donnerstag, 25. April 2013

Eingeschrankt bis 1994

Ein ganz schlauer war Herr Adenauer. Kaum weniger schlau war überdies die Schläue Alcide De Gasperis.





Schrank der Schande

Armadio della vergogna



Geiselerschießungen in Italien

Audio

Von der Deportation einfacher italienischer Soldaten (also nicht nur von politischen Gefangenen) in deutsche Kriegsgefangenenlager hörte ich lange Zeit immer nur durch direkt Betroffene oder durch Menschen, die einen Bruder oder Cousin hatten, der unter den Gefangenen gewesen war. Es hat lange gedauert, bis ich mir ein Bild davon machen konnte und beurteilen konnte, ob es sich da nur um übertriebene Greuelgeschichten oder Tatsachen handelte. Aber warum halfen mir meine Verwandten nie dabei, der Wahrheit näher zu kommen und behinderten mich im Gegenteil sogar durch Ächtung, Unterstellungen, Hohn und üble Nachrede?





Auch Roberto Benignis Vater war in Bergen Belsen inhaftiert. Dessen Erinnerungen regten Benigni zu seinem Film Das Leben ist schön an.

Gauck und Napolitano

Das wurde wirklich Zeit. 30 Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet. Die Rhetorik der "Resistenza" ist nicht gerade angenehm (vor allem weil die "Resistenza" bei Kriegsende und sogar noch danach so einige Verbrechen gegen Anhänger Mussolinis beging, was Jahrzehnte lang totgeschwiegen wurde und erst vor wenigen Jahren Giampaolo Pansa den Mut fand, zur Sprache zu bringen), aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der man den damaligen Schulterschluss zwischen Kesselring und SS in Deutschland jahrzehntelang totschwieg, ist eben doch der noch unerträglichere Aspekt, wenn man genug Spiegelneuronen besitzt, um sich in die Lage der Italiener zu versetzen. Sant' Anna di Stazzema ist in Italien ein wichtiges Symbol, das jedem Schulkind ein Begriff ist und jedes Jahr am 25. April, dem wichtigsten Nationalfeiertag, allen von neuem ins Gedächtnis gerufen wird. Dasselbe gilt von den Ardeatinischen Höhlen und von Marzabotto. Es sind drei alte Symbole. Man soll nicht glauben, dass diese Ereignisse im Schrank der Schande und in Vergessenheit geschlummert hätten. Nur wir Deutschen hören nun zum ersten Mal davon, obwohl wir bei diesen drei identitätsstiftenden Symbolen im Mittelpunkt stehen. Im Schrank lagen nur beweiskräftige Akten zu den Details.

Gaucks Besuch war seit langem überfällig. Er war es schon, als ich vor über 30 Jahren in Italien ankam. Die Italiener haben ein sehr waches geschichtliches Bewusstsein. Ganz das Gegenteil von uns, der wir 1933 wie aus der Geschichte heraustraten, um in eine Dimension mythischer Erinnerung einzutreten und diese dann 12 Jahre später ebenfalls ahistorisch wieder abzustreifen und ab 1945 jede Geschichtlichkeit, die uns mit unseren Wurzeln verbindet, zu fürchten begannen wie der Teufel das Weihwasser.

Wir haben ausnahmsweise mal wirklich Grund, uns zu schämen. Zu sehr haben wir uns daran gewöhnt, dass die Italiener Grund dazu haben; und die schämen sich nie, auch wenn sie im Ausland manchmal so tun. Es sind fröhliche Zyniker. Man würde in Deutschland staunen, wenn man erführe, wie zynisch die Italiener sind. Das gilt nicht nur für Berlusconi. An ihm wird die Schamlosigkeit nur überdeutlich sichtbar. "Sie halten sich für Götter" sagte der Der Serval (die Übersetzung mit "Pardel" wäre genauso falsch wie "Leopard"; es handelt sich um einen Serval) sehr treffend über die Sizilianer zu seinen englischen Gästen. Und Götter schämen sich eben nicht. Wir Deutschen schämen uns, wenn wir Grund dazu haben, die Japaner schämen sich (wenn auch nicht für ihre Kumpanei mit Hitler und Mussolini). Italiener schämen sich nicht. Sie genieren sich, aber sie schämen sich nicht.

Wir Deutschen dürfen uns trotz eines guten Grundes uns zu schämen hier nicht über den Tisch ziehen lassen, bloß weil wir so lange versäumt haben, uns klar zu machen, wie die Italiener, nicht zu unrecht, über uns denken. Was lange überfällig war, geschah nun verspätet und zum ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann. Zu einem Zeitpunkt, an dem antideutsche Gefühle zur Grundlage eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls werden sollen.

Mussolinis pfiffige Nonbelligeranza soll daher ebenfalls nicht vergessen werden, wenn ein Schuh draus werden soll! Und die Chancen, dass diese Nonbelligeranza sich in neuem Gewandt wiederholt sind im Moment sehr viel größer als die eines deutschen Massakers in Sant'Anna oder wo auch immer, davor sei gewarnt!


25. April

St. Anna di Stazzema

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