Stationen

Dienstag, 31. Juli 2012

Nebel in Paris



John Searle fragte einmal seinen Freund Michel Foucault, weshalb er so schlecht schreibe. Foucault antwortete, "Wenn ich so klar schriebe wie du, würde mich in Paris niemand ernst nehmen."

Montag, 30. Juli 2012

Sonntag, 29. Juli 2012

Katja Ebstein

Banditi di Orgosolo

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Samstag, 28. Juli 2012

Zwischenbilanz

"50% einer guten Wirtschaft besteht aus Vertrauen" sagte Ludwig Ehrhart. Und herbeizaubern kann man es nicht.

Das Einzige, was noch Anlass zu Hoffnung gibt, ist, dass sich momentan kein Land (ausser Deutschland) zutraut, besser alleine zurecht zu kommen auf der indo-chinesischen Erdgoogel. Aber um die Furcht der anderen Länder, dass Deutschland die Nase voll bekommen und sich für den Alleingang entscheiden könnte, zu schüren, haben wir selber nicht genug Schneid. Und so plätschert die Hoffnung 27-fach vor sich hin.




Man soll die italienische Doppelbödigkeit nicht unterschätzen. Besonders wir Deutschen fallen leicht darauf rein. Italien möchte keine Souveränität abgeben. Das - und allein das - ist, unabhängig von Montis noblem Selbstverständnis, der Sinn des bisschens Ordnungspolitik, die gerade über die Bühne geht. Es ist Hinhaltepolitik. Die Hinhaltepolitik gegenüber Deutschland ist eine Konstante, die je nach Regierungschef andere Formen annimmt. Aber sie ist allen italienischen Regierungen gemeinsam, seit Mussolini die Nonbelligeranza erfand (passive Kriegsbeteiligung durch Vorspiegelung unumgänglicher, Rüstungsverzögerung bewirkender Hindernisse, um auf den Wagen des Siegers aufspringen zu können, wer immer auch dieser Sieger sein würde).

Das Ziel Transferunion stand in Italien schon fest, als Maastricht noch unterschrieben werden musste. Nur wenige sprachen das so unverblümt aus, aber alle politischen Stellungnahmen kreisten damals, mehr oder weniger prononciert, aber immer deutlich spürbar, um diesen Gedanken. Dass man dies im Rest Europas offenbar tatsächlich nicht wusste, fällt mir immer noch schwer zu glauben. In der Tat sieht Joschka Fischer in der Transferunion im selben Maße wie die Italiener eine Selbstverständlichkeit. Aber als Maastricht unterschrieben wurde, regierte ja noch Kohl. In den deutschen Medien war die Transferunion zwar kein Thema, soweit ich weiß. Aber die federführenden Politiker und Manager haben ja wohl noch andere - und wahrscheinlich bessere - Informationsquellen als die Zeitungen, dachte ich immer. Da habe ich mich aber wohl geirrt.


Seit damals hat sich in Italien jenseits der prinzipiell von Anfang an bestehenden Skepsis gegenüber einem "Europa der Banken" nichts an der Grundhaltung zu Europa geändert: Deutschland soll als Gegenleistung für die Exportförderung den Süden entwickeln oder ernähren (wobei man die Option "Entwicklung" nur aus Höflichkeit anklingen lässt; glauben kann daran keiner). Deutschland soll Zugtier sein, sozusagen eine höhere Poebene. Italien möchte für Deutschland sein, was Sizilien für Italien ist: Bedingung und Zünglein an der Waage und Fuhrmann an den Zügeln. Ohne Souveränität abzugeben und mit so wenig Verantwortung wie möglich. Wer Musterknabe sein möchte, soll etwas dafür tun, ist das Motto. Dieses Motto ist die italienische Umdeutung von Jean de La Fontaines Fabel, die mit den Worten der Ameise endet: "So, du hast also den ganzen Sommer gesungen? Dann kannst du jetzt ja tanzen".

Wie das die Griechen sehen, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es die Italiener so sehen. Wem diese Darstellung zu plump vorkommt, dem kann ich leider nicht helfen. Was die Europäische Universität von Florenz so weltfremd macht, ist ja gerade die Tatsache, dass die eigentliche Problematik von den Dozenten und Studenten nur in der Pizzeria zur Sprache gebracht wird, aber nie zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit wird. Wobei die deutschen Dozenten selbst in der Pizzeria noch entweder um die Pizza herumreden oder die Einwände ihrer portugiesischen Kollegen schlicht nicht verstehen. Der lange in Florenz ansässige Joachim Fernau scheint der einzige Deutsche zu sein, der diese Tatsache begriffen hat.


Joachim Fest schildert in seinem Buch „Im Gegenlicht. Eine italienische Reise“ von 1988 folgende Begegnung: „Italien muss seine Krisen nicht bewältigen und will es nicht einmal“, erklärt ihm ein Gesprächspartner in Neapel. Ihr Instinkt sage den Menschen, dass man nicht gegen die Krisen, sondern mit ihnen leben müsse. Ihm seien die Deutschen ganz fremd. Manchmal denke er, sie fürchteten die Krise nicht, sondern liebten sie geradezu. Zugleich hielten sie sich ihre Schrecken wie ein moralisches Verdienst zugute und wollten sie aller Welt aufnötigen. Weiter lässt Fest den Neapolitaner von dem Verdacht sprechen, dass diese Angst nur Gehabe sei und eine andere Maskerade der deutschen Arroganz. Krisen gehörten zum Leben, und dass die Deutschen das nicht wüssten, mache ihre Unreife aus.

Interview mit Rösler




"Die Eurozone wird wie ein großes Italien mit einer starken Zone und einer schwachen. Mit einer schwachen Regierung (in Brüssel) und mit dem brüchigen Willen, zusammen zu bleiben." Thomas Mayer (Chefvolkswirt der Deutschen Bank)

Winand von Petersdorff schrieb am 4.9.2011 in der FAZ:


Die schlimmen Nachrichten aus Griechenland haben eine Kernbotschaft: So funktioniert das Retten nicht. Eine vom griechischen Parlament eingesetzte Expertenkommission alarmierte Europa mit der Analyse, die Schulden geraten „außer Kontrolle“. Die Wirtschaft schrumpft stärker als erwartet, das Haushaltsdefizit wird höher als versprochen. Die „Troika“, eine Expertenkommission aus EU, IWF und EZB, verlangt von Athen Nachsitzen: Eine gute Woche haben die Griechen, um einen neuen Sparplan vorzulegen.

Dieses Ergebnis wirft einen Schatten auf das Geschäft, das die reichen und armen Länder der Eurozone verabredet haben: Es gibt Geld nur gegen erfolgreiche Sparanstrengungen. Das war die offiziell verbreitete Geschäftsgrundlage für die Verabredung, und es war der Trost für die Wahlvölker der Zahlerländer. In Wahrheit hat sie nie gegolten, weil Griechenland um jeden Preis gerettet werden sollte und wohl noch soll. Die Politik argumentiert, sie will eine tödliche Kettenreaktion verhindern. Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg glaubt eher, die Lobbykraft der Finanzindustrie verhindert eine Staatsinsolvenz.


Der Euro-Rettungsschirm wird nun weiter gespannt, auf das endlich Ruhe einkehre. So lautet die Hoffnung der Politik. Sie könnte trügen. Denn der Rettungsschirm hat den Charakter eines Überbrückungskredits, der Empfänger durch schwere Zeiten führt. „Es ist, als ob man ein gebrochenes Bein mit Eis kühlt“, lästert der Genfer Kapitalmarktspezialist Charles Wyploz. Linderung bringt es, eine Lösung nicht. Was also wird passieren? Zunächst einmal bleiben die Krisen: Die Peripherie-Länder haben viel zu hohe Schulden und kein Geschäftsmodell, um aus den Krediten herauszuwachsen. Die Banken dort, vollgesogen mit Anleihen der eigenen Länder, sind zudem in Lebensgefahr. Das sehend wollen die Deutschen als wichtigste Garanten des Rettungspakets (211 Milliarden Euro vom Herbst an) deshalb verbindliche Sparprogramme. Sie kämpfen zur Zeit für eine europäische Schuldenbremse, wie sie Deutschland sich selbst auch in die Verfassung geschrieben hat. Portugal kann sich das vorstellen, hat dessen Staatschef jetzt gesagt.

Schwer zu bremsende Dynamik

Die Schuldenbremse ist problematisch auf mehreren Ebenen. Länder, die wegen eines Schuldenlimits jetzt zu schnell sparen, schrumpfen statt zu wachsen, was wiederum das Schuldenziel selbst gefährdet. Denn schrumpfende Volkswirtschaften provozieren höhere Sozialausgaben. Das scheint das Problem in Griechenland zu sein neben der Unfähigkeit der Fiskalbürokratie. So wird die Abwärtsspirale beschleunigt. Selbst wenn die armen Länder aber die Schuldenbremse in ihre Verfassung schrieben, ist nichts gewonnen. Entweder: Sie könnten sie sich eigentlich nicht leisten. Oder wenn doch, bliebe trotzdem ungewiss, ob sie sich daran hielten.

Das Misstrauen ist wohlbegründet. Denn gerade der Regelbruch ist ein Charakteristikum der Eurozone. Beim Start des Euro wurden vier Regeln beschlossen und gebrochen, ruft der Ökonom Stefan Homburg in Erinnerung. Die Amtszeit von EZB-Direktoren wurden verkürzt, die Schulden- und Defizitgrenzen überschritten, das Beistandverbot (Bailout-Klausel) missachtet. Und der Schuldenankauf durch die EZB ist heute gängige Praxis. Mehr Schulden zu machen als versprochen wird noch auf andere Weise begünstigt: die Eurobonds. Noch wehrt sich die Bundesregierung. Doch diese Gemeinschaftsanleihe entfaltet schon jetzt, ohne dass es sie gibt, ihre Anreizwirkung. Die regierenden Politiker der Länder, die aktuell Refinanzierungsprobleme an den Kapitalmärkten haben, erweisen sich dabei als die wahren Spekulanten der Stunde. Sie bauen darauf, dass auch verminderte Sparanstrengungen nicht bestraft werden, solange es immer noch die Möglichkeit der Gemeinschaftsanleihe gibt. Blanke theoretische Überlegungen sind das nicht. Italien wird zunehmend Kapitalisierungsprobleme an den Kapitalmärkten bekommen, gehört zu den größten Verfechtern des Eurobonds und lockert gerade sein Sparprogramm.

So entsteht eine schwer zu bremsende Dynamik Richtung Vergemeinschaftung der Staatsfinanzierung. Die Aufgabe muss allerdings nicht von Eurobonds übernommen werden (was kein Trost ist). Auch die Europäische Zentralbank kann in die Bresche springen und damit endgültig zu einem Staatsfinanzierer degenerieren. Selbst wenn dann mit den letzten Mitteln, über die Europa noch verfügt, die Liquidität der armen Länder erst einmal gesichert wird, bleibt die Lage prekär. Denn die Peripherie-Länder werden immer noch kein Wirtschaftswunder produzieren – und abwerten zur Verbesserung der Exportchancen können sie auch nicht, solange sie Euroländer bleiben. Dazu werden sie nicht zu hart sparen wollen, solange die Refinanzierung vergemeinschaftet ist. So wird der europäische Schuldenberg eher wachsen, bis für die Eurobonds selbst die Konditionen unattraktiv werden.

Wie lange reicht die Geduld?

Die Frage ist, wie lange die Geduld der Wahlvölker reicht. Probleme wachsen vor allem in den Gläubigerstaaten. In den potentiellen Zahlerländern steigt der Widerstand gegen Transfers, der sich im Extremfall in nationalistischen Bewegungen ausdrückt („die wahren Finnen“). Selbst wenn sie nicht an die Regierung kommen, neigen amtierende Politiker dazu, sie mit eigener national-populistischer Politik einzudämmen. Dazu könnte gerade für Deutschland noch eine andere Erwägung kommen. Selbst wenn Deutschland mit seiner Bonität die Finanzierung der Eurozone im starken Maße garantiert, gewinnt es keine Freunde. Denn wenn noch einer gewissen fiskalpolitischen Verantwortung Geltung verschafft werden kann, dann müssen die armen Länder Auflagen erfüllen, wenn sie Geld wollen. Für jedes Sparprogramm machen die Politiker in den armen Ländern in Zukunft Deutschland verantwortlich. Britische Medien sehen jetzt schon den Versuch Deutschlands, ganz Europa zu regieren („was die Nazis nicht geschafft haben, schafft Angela Merkel“).

Die Zentrifugalkräfte, die das System sprengen könnten, wachsen ständig. Ökonom Homburg hat mehrere Szenarien geprüft und zum Teil verworfen: Man entlässt Griechenland und Co. nicht in die Insolvenz, obwohl es ordnungspolitisch geboten sei. Man wird die Währungsunion auch nicht zerbrechen lassen, vermutet er. „Die Politik verteidigt den Euro bis zur letzten Patrone.“ Die Szenarien, denen Homburg die höchste Wahrscheinlichkeit zu billigt, tragen die Überschriften „Financial Repression“ und „Lastenausgleich“. Um der wachsenden Staatsverschuldung Herr zu werden, wird der deutsche Staat Anleger zwingen, Staatsanleihen zu kaufen, und Phantasien entwickeln, die Steuern zu erhöhen. Dazu gesellen sich soziale Einschnitte und als Möglichkeit auch eine Vermögensabgabe, wie sie unlängst die Grünen gefordert haben. In Deutschland wurde sie 1952 schon einmal praktiziert im Zuge des Lastenausgleichs. Jeder musste einen kleinen Teil seines Vermögens abtreten. Zum Vermögen gehörten Geldanlagen, Sachwerte und Immobilien. Wie sich die Lasten tatsächlich verteilen, ist schwer auszumachen. „Am Ende bezahlt möglicherweise nicht der Griechenland-Gläubiger, sondern der schuldenfreie Landwirt in der Lüneburger Heide, der meint, er habe mit alldem nichts zu tun.“

Was auf europäischer Ebene passieren könnte, hat der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, prophezeit. Die Eurozone wird wie ein großes Italien mit einer starken Zone und einer schwachen. Mit einer schwachen Regierung (in Brüssel) und mit dem brüchigen Willen, zusammen zu bleiben. Das allerdings, sagt Mayer, ist das optimistische Szenario. Es kursiert auch noch ein anderes: Die starken Länder könnten bei wachsender Unzufriedenheit anfangen, Parallelwährungen zu emittieren, die nach und nach den Euro verdrängen.