Stationen

Freitag, 21. September 2012

Da, wo wir empfindlich sind



Das zugedeckte Pferd

Dass schon das alte Testament von der Beschneidung des Herzens spricht, wusste ich gar nicht. Im neuen Testament ist immer wieder die Rede von der Beschneidung des Herzens. Ich hielt das für eine sehr gelungene von Jesus Christus erdachte Metapher, durch die etwas sehr Jüdisches fortgesetzt wird (und im Rahmen einer Umwertung aller Werte, wie durch Einführung einer neuen Währung und Konstitution, gleichzeitig uminterpretiert wird): die gezielte, messerscharfe Kürzung der menschlichen Natur, da, wo wir deutlich fühlen (wobei in der Bibel das Herz als Sitz der Intelligenz gilt, Intelligenz also mit der Fähigkeit zu fühlen zusammenhängt, egal, ob diese Gefühle angenehm oder unangenehm sind). Jakob wurde die Hüfte ausgerenkt. Schmerzhafte Beeinträchtigung ist in der Bibel oft ein angemessener Preis, der entrichtet werden muss, um den Preis einer besonderen Habilitierung zu erlangen. Eine Art spirituelle Doppelbuchführung.

Männer fühlen am deutlichsten mit dem Penis, Frauen mit dem Herzen, zumindest dann, wenn unter dem Herzen ein Kind wächst. Die Beschneidung des Herzens ist somit einerseits Attribut einer Religion, die weiblicher ist als die jüdische und erst recht die islamische, denn erst das Christentum hat die Beschneidung des Herzens auf ihre Fahnen geheftet. Andererseits beinhaltet sie durch diesen Aspekt auch deutlich die Kürzung des spezifisch weiblichen Egoismus. Und nichts ist ja egozentrischer als Intelligenz (auch die emotionale). Penis und Herz. Das sind genau die beiden Punkte, an denen ich dem Menschen auch rituelle Beschneidung nahegelegt hätte, wenn ich Gott wäre. Es sind die Schnittstellen, vermittels derer Gott die Kandare an seinem Ebenbild befestigt. Es handelt sich bei der Beschneidung um die jüdische Entsprechung von Platons Wagenlenker bzw. des chinesischen Ochsensymbolismus.




Das Ende Preußens


Otto Braun

Preußen war vor dem 2. Weltkrieg ein Bollwerk der Demokratie und wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Sündenbock für die Verbrechen der Diktatur gemacht.

Dienstag, 18. September 2012

Scardanelli






Samstag, 15. September 2012

Apokalypse

Heute hat wieder mal so ein Pianist Buxtehude als wichtigsten Komponisten des deutschen Frühbarock bezeichnet und dabei vermieden zu erwähnen, dass Buxtehude Däne war. Woher nehmen diese pseudodeutschen Pseudopatrioten bloß ihre überhebliche Dummheit.

Wie schön, dass die Komiker nicht klüger als die Pianisten sind. Christian Ulmen lag heute daran klarzustellen, dass er es blöd fände, über die Bayern zu lachen, bloß weil sie Bayern sind; ihm gehe es darum, die katholische Kirche zu verarschen. Wann verarscht eigentlich endlich mal einer dieser oberschlauen Witzbolde die grimmige evangelische Kirche, die sich so viel auf ihre raunende Dogmatik einbildet?


Gott sei Dank gibt es Andy Borg. Er ist der Beweis, dass man Wiener sein kann und trotzdem nicht eingebildet oder affektiert zu sein braucht, sondern ein liebenswürdiger, cleverer Mensch sein kann.


Absolute Wellness


Wunderschöne, wunderschöne Sendung

Freitag, 14. September 2012

Pour le Roi de la Prusse


http://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Clark

Monarchie

Republik

Christopher Clark hat eine sehr schöne Dokumentation über Preußen aus englischer Sicht gedreht, bzw. aus australischer Sicht, was trotz mancher gegenseitiger Verwahrungen, durch die beide manchmal auf Distanz zueinander gehen, doch sehr ähnlich ist. Nur ist die Sicht dieses Australiers eben sehr, sehr viel "distanzierter" durch die geografische Entfernung seines Herkunftsorts, auch vom übrigen Europa; jedenfalls handelt es sich hier um die Sicht einer uns sehr ähnlichen Kultur.

Verwunderlicher als diese Dokumentation ist, dass Goethe in Sizilien, auf dem Marktplatz von Caltanisetta, auf so viel Verehrung für Friedrich den Großen stieß, dass er es nicht übers Herz brachte, den Menschen mitzuteilen, Friedrich sei verstorben, wie er kurz zuvor erfahren hatte. Verwunderlich nicht nur wegen der großen kulturellen Unterschiede, sondern auch der großen geografischen Distanz wegen, in einer Zeit, in der Nachrichten sich nicht schneller verbreiten konnten als Pferde. Das ist die Art von Kennzeichen, an denen man Größe erkennt und vox popoli tatsächlich mal zu vox Dei wird.






King Frederick II of Prussia was one of the greatest warriors and leaders in modern history, achieving unparalleled power for Prussia through the Seven Years War and lauded as a philosopher and cultured prince. Yet the reputation of both Frederick and his Prussia was to be brought into disrepute by the Allies' effort to pacify Germany after the Second World War. Historian Christopher Clark re-examines the life and achievements of one of Germany's most colourful and controversial leaders.






Deutsches Historisches Museum

Schlacht bei Roßbach

Battle of Rossbach

Schlacht von Leuthen

Battle of Leuthen

Choral von Leuthen




Schlacht bei Kunersdorf

Battle of Kunersdorf


"Militarism and bellicosity, militarism and warmongering are not the same thing. Prussia was not a warmongering state during the reign of Frederic the Great. In fact Prussia
has spent less time with war than any of the other major european powers". Christopher Clark



Es gibt tatsächlich keinen Wikipediaartikel über Johann Heinrich Christoph Franke

Hier ist noch die ZDF-Dokumentation - sie ist einerseits flapsiger, andererseits jedoch vollständiger, was die Dokumentation der Skrupellosigkeiten angeht. Inwiefern Friedrich damit im Zeitstil lag, ist allerdings nicht ersichtlich, und aus dem moralisierend-wichtigtuerischen Unterton zieht man besser keine voreiligen Schlüsse.
Besonders vertrauenerweckend ist eine Dokumentation nicht, wenn flapsig bemerkt wird, auch "ein selbsternannter größter Feldherr aller Zeiten" habe sich Friedrich zum Vorbild gewählt. Nicht Hitler selbst hatte sich dazu ernannt, sondern Generalfeldmarschall Keitel hatte ihn überschwenglich mit einigem Grund so bezeichnet. Nach einer strategischen Glanzleistung, die auf autodidaktisch erworbenem Wissen beruhte, das Hitler sich gerade erst während der Kriegsführung angeeignet hatte.

Es ist reichlich unangenehm, wenn man durch die überhebliche Wichtigtuerei von Ignoranten dazu gezwungen wird, Hitler zu verteidigen! Und erst recht, wenn es geschehen muss, weil das Zweite Deutsche Fernsehen sich wie eine der Kulturpolitik und dem Kultuswesen übergeordnete Instanz von Gottes Gnaden gebärdet, die Überparteilichkeit für sich beansprucht, ohne darzulegen, wodurch diese gewährleistet sein soll und Ignoranten dadurch unanfechtbare Fachkompetenz bescheinigt, dass es ihnen seine Sendeanstalt als Plattform für die Volkserziehung (auf griechisch "dema-gogie") zur Verfügung stellt. Wenns das Fernsehen sagt, muss es ja wahr sein... Auch diese pikante Mythenblüte gehört zum Thema "Lügen mit langen Beinen". Kultus ist eigentlich ein schönes Wort. Aber im Vordergrund sollten dessen Bedeutungen "Bildung, Erziehung, Anbau" stehen, nicht aber die Bedeutung "Kult", bzw. nicht so schlampig. Statt Ende Mai in der BRD das Hambacher Fest zu feiern, wird ab und zu im ZDF Hitler durch den Dreck gezogen. Es ist der Wahrheit nicht dienlich und auch sonst niemandem gedient, wenn man Hitler außer dem, was er tatsächlich vom Zaun gebrochen hat, auch noch Dinge anlastet und andichtet, mit denen er nichts zu tun hat. Die Dokumentationsreihe "Die Deutschen" des ZDF ist eine hervorragende Initative und ein begrüßenswerter Anfang, aber es wäre wünschenswert, wenn die Ausstrahlung der einzelnen Folgen mit Talkshows begleitet würden, bei denen sich Historiker, Politiker und Philosophen zu den jeweiligen Themen äußern würden. Dass man damit auch ein großes Publikum erreichen kann, hat Richard David Precht bewiesen, und wer auch nur einen Funken Verstand hat, spürt, dass geschichtlich gewachsene Gesinnungen, Geisteshaltungen, Mentalitäten und Zusammenhänge und das damit verbundene Selbstverständnis als Deutungsschlüssel der Gegenwart genauso aktuell sind wie die alltäglichen Ereignisse und Neuigkeiten der Aktualität.





Gut an der ZDF-Dokumentation ist, dass endlich mal hervorgehoben wird, dass sich außer Voltaire von Sans Souci kaum jemand angezogen fühlte und auch nicht dorthin eingeladen wurde. Carl Philipp Emanuel Bach war Hofmusiker bei Friedrich (und eines Abends kam der alte Bach zu Besuch). Aber Kant und Herder ließen sich nie dort blicken, obwohl es beide Preußen waren, und von Goethe und Schiller, Casanova und Mozart könnte man meinen, sie hätten in einer anderen Zeit und Welt gelebt. Friedrich komponierte von 1739 bis 1773, und seine Kompositionen sind wirklich nicht schlecht (mal angenommen, sie sind auch wirklich von ihm und nicht von seinem Flötenlehrer). Aber wenn man bedenkt, dass seine Werke ab 1749 gleichzeitig mit Haydns Werken entstanden, spürt man sofort wie statisch sie in einer soliden vertrauten Ästhetik verharren.

Arnulf Baring


http://www.arnulf-baring.de/

Montag, 10. September 2012

Sonntag, 9. September 2012

Pacta iam non sunt servanda

Eigentlich ist das Maß jetzt voll, und es müsste eigentlich Merkels Ende angefangen haben, weil jetzt ein Umdenken beginnen müsste. Denn Draghis Bereitschaft zu kaufen, kann nur dann Wirkung auf die Märkte haben, wenn die Bereitschaft als solche glaubwürdig ist, auch wirklich Bereitschaft ist. In dem Maße, in dem sie an Bedingungen gebunden ist, ist diese Bereitschaft aber keine Bereitschaft und kann den erwünschten Effekt auf die Märkte und die Zinsen nicht bewirken. Das Gerüst der Bedingungen, an die der Anleihekauf angeblich geknüpft sein soll, besteht daher lediglich darin, den hilfsbedürftigen Staaten Beteuerungen abzuringen, die wie alle bisherigen Zusicherungen auf geduldiges Papier geschrieben werden. Es ist nur Showgeschäft, um dem Medienzirkus ein Programm zu sichern. In Wirklichkeit kann der positive Effekt auf die Märkte nur dann eintreten, wenn an der Willigkeit der BZE, unbegrenzt zu kaufen, keine Zweifel bestehen.

"Die stärkste Kraft im Universum ist der Zinseszins.", soll Albert Einstein gesagt haben. Das ist aber nur dann so, wenn die Gewissheit besteht, dass man sie einstreichen kann.

Die eigentliche Krise besteht in der ständigen Ambiguität der Protagonisten und vor allem im kontinuierlichen Rechtsbruch. Dass beides aus pragmatischer Trägheit zur Routine werden wird, darin besteht die Italienisierung Europas.

Hinzu kommen die Halluzinationen der deutschen Journalistenkaste, die jedes Mal in Trance fällt, wenn von Italien die Rede ist. Draghi sei "sehr angespannt" gewesen, als er in die Pressekonferenz ging, hieß es im ZDF. Das genaue Gegenteil war der Fall. Draghis Körpersprache sprühte nur so vor Entspannung. Wie jeder Italiener, der auch wirklich ein Italiener ist (der ordnungsliebende Monti gehört wie Padoa-Schioppa eher zu den ganz seltenen Ausnahmen), fühlt sich auch Draghi im Chaos wohl wie ein Fisch im Wasser. Je ungemütlicher es für uns deutsche Weidmänner wird, desto ausgelassener und entspannter werden die Italiener. Das Chaos ist ihr eigentliches Element. Hierauf beruht ihre Schwäche, wo Ordnung notwendig ist, aber auch ihre Überlegenheit, wo Ordnung nicht möglich ist. Nichts hassen Italiener mehr als Ordnung, und nichts lieben sie mehr als die Umgehung oder Abwandlung der Bestimmungen. Das ist so im Spiel, und erst recht in Wirtschaft und Politik. Wo Übersichtlichkeit gewährleistet ist, wird sie verschwinden, sobald ein paar Italiener die Hand mit im Spiel haben, denn der eingrenzende Überblick über die eigene Interessenlage und die indirekte Einflussnahme sind die Grundelemente des italienischen Korporationswesens. Schlimm ist, dass kein einziger deutscher Journalist in der Lage ist, diese Zusammenhänge auch nur zu sehen, die für die italienischen Journalisten zu selbstverständlich sind, um sie zu debattieren. Die paar Italiener, die in Deutschland interviewt werden, hängen diese Binsenweisheit natürlich erst recht nicht an die große Glocke. Täten sie es, wären sie keine Italiener, und es würde sie ohnehin niemand verstehen in Deutschland.

Berlusconi sagt der BILD-Zeitung, er ziehe einem deutscheren Europa ein europäischeres Deutschland vor. So denken in Italien alle. Genau das ist das Problem. Ich hätte lieber ein deutscheres Europa, und ein europäischeres Italien, statt einem italienisierten Europa. Lieber gar kein Europa als ein italienisiertes Europa. Franz Josef Strauss sagte einmal: "Die Italiener kommen mit Verhältnissen zurecht, in denen das deutsche Volk längst ausgestorben wäre."

Dass Italiener so gut wie nie in deutsche Talkshows eingeladen werden - ganz zu schweigen von hochintelligenten Politikern wie Rocco Buttiglione, der außerdem sehr viel besser deutsch spricht als Leoluca Orlando - sei nur am Rande vermerkt: die Stimme eines der meistkommentierten Länder hat man in Deutschland noch nie gehört, weil nur Themen, die sich für elegische Verklärungen eignen, das Interesse deutscher Moderatoren wecken. Oder die Mafia und die Camorra. Aber auch diese Themen möchte eigentlich niemand verstehen. Man möchte nur das Gefühl haben, trotz verklärender Italiensehnsucht besser als die Italiener zu sein. Man ist sich von vornherein sicher, dass es nie eine deutsche Mafia geben wird. Aber niemand könnte eigentlich plausibel begründen, weshalb er diese Möglichkeit ausschließt. Zumal systematische Betrugsdelikte in Deutschland viel verbreiteter sind als in Italien, wo der Verkauf von Wundermitteln der bequemere Weg ist.

Man weiß in Deutschland nichts über Italien. Man weiß jedoch auch  in Italien nichts über Deutschland. In Italien nahmen schon in den 80-er Jahren Experten aus Amerika über Satellit an italienischen Talkshows und politischen Diskussionen teil, aber aus Deutschland oder der Schweiz, wo so viele Italiener arbeiten, wird nie jemand in die Studios der RAI gebeten. Der Durchschnittsitaliener ist deshalb nicht der einzige, der in Italien nie vom "Nettozahler Deutschland" gehört hat. Auch gebildete Italiener sind darüber nicht im Bilde, denn das ist in den italienischen Medien nun einmal kein Thema. Nicht einmal in Il sole 24 ore habe ich je darüber eine Reportage gelesen. Bereits 1993 flossen 20000 DM/Minute nach Spanien, stand damals in der FAZ. Und schon damals schüttelte man darüber den Kopf, dass deutsche Steuergelder nicht die Entwicklung ankurbelten, sondern zur Begrünung des Autobahnmittelstreifens verwendet wurden. In Italien können die Kommunisten auch heute noch unwidersprochen im TV behaupten, Deutschland habe nie für den 2. WK gezahlt. Und auch diejenigen, die gewöhnlich besser informiert sind, glauben allen ernstes, Italien nehme mehr Flüchtlinge und Asylanten als Deutschland auf, während Deutschland alle abschiebe. Unverrückbare, vorgefasste Meinungen, wohin man blickt. Seit Jahrzehnten. Dass es keinen Sinn hätte, aus dem Nähkästchen zu plaudern, wissen Giovanni Di Lorenzo und Markus Lanz sehr gut. Beide haben ihre Wahl getroffen und arbeiten nicht fürs italienische Fernsehen. Klaus Davi hat sich für Italien entschieden, und kämpft dort manchmal ein bisschen gegen Windmühlenflügel. Lilli Gruber und Michelle Hunziker pendeln zwischen Deutschland und Italien hin und her. Aber ihr Profil ist stromlinienförmig. Statt zu vermitteln vervollkommnen sie die Mythenbildung, indem sie ihren Zuschauern genau das sagen, was diese hören möchten.

Ambiguität und ständiger Rechtsbruch sagte ich. Vor ein paar Jahren waren wir entsetzt darüber, wie George Bush sich über Regeln hinwegsetzte, um Krieg mit dem Irak zu führen. Jetzt stecken wir selber bis zum Hals in illegalem Pragmatismus. Anders gesagt: das Jahrzehnte lang bewährte Modell Italien gibt Europa nun seit Jahren die Richtung vor. Seit kurzem geschieht es mit erhöhter Unbefangenheit, wenn auch immer noch ein kleines bisschen verblümt.

Bedingung und Gesetz; und aller Wille
ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten,
und vor dem Willen schweigt die Willkür stille;
das Liebste wird vom Herzen weggescholten,
dem harten Muss bequemt sich Will und Grille.

Erschreckend ist die Merkelhörigkeit. Das ganze Land ist wie in Traum verfallen. Die Frau hat wirklich ein Händchen. Jeder heranwogenden Bedrohung begegnet sie mit dem Gleichmut eines Korkens und einem entschiedenen "Jein". Und die Menschen in Deutschland vertrauen ihr: die Führerin wird schon wissen, was sie tut. Und wenn Draghi ihr ein Zeitfenster öffnet, für das nicht sie, sondern er verantwortlich ist, um so besser. Nur schade, dass Draghi nie für etwas gerade stehen müssen wird und nicht mal riskiert, eine Wahl zu verlieren, dass der Rechtsbruch zur Routine geworden ist, dass das italienischer Stil ist (wobei das, was wir in Deutschland als pathologische Entwicklung empfinden, für die Italiener "nur" eine anthropologische Konstante ist) und Merkel den Schlawiner Draghi, den wir im Moment gerne als ihren rechten oder linken Arm sehen, mit ins Amt gehieft hat und damals alle lobend über ihn sagten, er sei ein rigoroser Preuße. Wenn man auf der Stirn einen Zettel hat, auf dem "Verarscht mich!" drauf steht, wird man eben irgendwann verarscht.

Jetzt, wo Merkel in Spanien ist, ist es lehrreich, sich das spanische Fernsehen anzusehen. Nichts von dem in Italien zu beobachtenden Hass ist in Spanien zu sehen. In Spanien hat Angela Merkel prominente Bewunderer, und man schätzt sie im allgemeinen. In der italienischen öffentlichen Meinung schätzt sie eigentlich niemand, und selbst die deutschfreundlichsten Journalisten haben keine Zweifel, dass Joschka Fischer Recht hat und dass niemand so vom Euro profitiert wie Deutschland und dass Deutschland am längeren Hebel sitzt, egal was kommen wird, und dass Deutschland sich seines Despotismus schämen soll und zahlen, zahlen, zahlen. Die in Deutschland lebenden Italiener sehen das auch nicht anders, wenn sie den Brenner in Richtung Süden hinter sich haben und wieder mal zu einem Familientreffen reisen. Aber sie hüten sich, das im deutschen Alltag so zu sagen.

Die antideutsche Haltung Italiens hat nichts mit Berlusconis Medienmacht zu tun oder mit den sogenannten Geoklischees, die sich linke Soziologen an deutschen Universitäten ausgedacht haben. Italien ist in vielerlei Hinsicht de facto Deutschlands Antipode. Mit dem Unterschied, dass die Italiener sich dessen bewusst sind, nie an diesem Gegensatz zweifeln und Deutschland nie verklären.

Berlusconi

http://storyarchitekt.blogspot.de/2012/09/gut-erkannt.html







Mittwoch, 5. September 2012