Stationen

Montag, 29. April 2013

Tempo

Dieses Bild ist nicht nur die perfekte Darstellung aller Nachzügler, Zurückgebliebenen, im Süden Verschollenen, staunenden Hinterbliebenen und authentischen Konservativen, die die rasende Zeit in der Epoche der Beschleunigung abgeworfen hat. Es ist auch das Emblem des Risorgimento: Italien sang zwar "Mi desto!!" und vertrieb sogar die Österreicher, aber es stieg nicht auf den Wagen des Siegers. Und schon gar nicht auf ein durchgegangenes Pferd.









"Meine Vorstellung von Hölle ist ein Ort mit englischer Küche, deutschem Humor und italienischer Pünktlichkeit." Peter Ustinov





Sonntag, 28. April 2013

Vitalia

In den Augen der Schweizer ist der Ankauf der Daten-CD, mit der Bankgeheimnisse offengelegt werden, Rechtsbruch und Hehlerei (und zwar in beiden Rechtsordnungen, sowohl der deutschen wie der schweizerischen); man hat nicht gezögert, ihn mit den Praktiken der Gestapo gleichzusetzen. In Steinbrücks Augen ist diese Hehlerei nicht nur, wenn überhaupt, das kleinere Vergehen, sondern sogar, laut richterlichem Beschluss, legal (wenngleich der vorausgehende Datendiebstal illegal bleibt). In Bertold Brechts Augen war ein Bankeinbruch ein vergleichsweise geringes Delikt, verglichen mit der Gründung einer Bank. Es gibt für jeden Geschmack und jede Wertordnung etwas in diesem Reigen. Nur eine wirklich saubere Lösung gibt es nicht. Denn auch der richterliche Beschluss, dass die Hehlerei ausnahmsweise mal legal ist - so als wäre der Staat eine Art letzter Rest von Gottesgnadentum... oder vielleicht wie der Bischof von Rom Vertreter Gottes auf Erden - hat ein Gschmäckle. Nicht nur für Schweizer. Sondern für alle Menschen, denen Liberalismus, Bankgeheimnis und vor allem Anderen Legalität etwas bedeuten.

Hoeneß ist kein graues (oder gar schwarzes) Schaf in einer weißen Herde, sondern ein schwarz-weiß gescheckter Bock in einer grauen Herde. Ähnlich wie in Italien verbinden sich auch in Bayern Lebenslust, Effizienz und Doppelbödigkeit. Und sowohl in Bayern wie in Italien liebt man die Sünder - selbst wenn sie zu ihren Sünden stehen und sie nicht bereuen - mehr als diejenigen, die nie ihre Sünden zugeben und immer so tun, als könnten sie kein Wässerchen trüben.

Gottschalks intellektuelle Redlichkeit

Wir haben ja Gott sei Dank einen zähen Schwaben, der weiß, dass die Staaten in die Haut der Banken gefahren sind und auch gebildet genug ist, um sich der Rolle der Piraterie bei der Entstehung des British Empires bewusst zu sein.


Was die Vetternwirtschaft im bayrischen Landtag angeht, finde ich es schade, dass die Bayern kleinlaut einlenken. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man Menschen beschäftigt, die man für vertrauenswürdig hält. Und dass man den eigenen Verwandten vertraut, ist ebenso selbstverständlich. Solange durch den Sippenstil keine Abwärtsspirale wie in bestimmten Bereichen Italiens entsteht, finde ich ihn nicht verkehrt, sondern sogar begrüßenswert! Ich argwöhne, dass der Erfolg Bayerns in hohem Maße darauf beruht, dass Beziehungen die andernorst in der BRD ausufernde Anonymität in einem maßvollen Rahmen hält.

In Italien ist die Vetternwirtschaft gleichzeitig Geißel und Segen: einerseits Kanal der Korruption, andererseits verhindern die Seilschaften das jedoch Allerschlimmste. Helmut Schmidt sagte einmal im italiensischen Fernsehen - das muss 1985 gewesen sein - er habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass eine Stärkung des Staates in Italien keine Lösung wäre, sondern die Durchsetzung der italienischen Gesetze dem Land erst recht das Genick brechen würde.


Münkler und Di Fabio



http://de.wikipedia.org/wiki/Herfried_Münkler




http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Di_Fabio



Deutschland und Europa


Samstag, 27. April 2013

Die gute Emma


Während der letzten Wahl des italienischen Staatspräsidenten ging der - für die Identität der Partei ausschlaggebende - Anteil von Post-, Ex- und Nochkommunisten im Partito Democratico an seiner eigenen Blödheit (hoffentlich endgültig) zu Grunde, als es der Partei - obwohl dies nummerisch hätte möglich sein müssen - nicht einmal gelang ihren eigenen Parteigründer (Romani Prodi) zum Präsidenten zu wählen. Trotz dieser vorteilhaften Ausgangsposition ist Enrico Letta sehr tüchtig und mutig gewesen bei der Aufstellung der Regierungsmannschaft. Wahrscheinlich hat er viel seinem diplomatischen Onkel zu verdanken, und ich vermute, dass dieser von rechts und links wegen seiner Geduld hochgeschätzte Mann der Nachfolger Napolitanos sein wird, wenn die Reformen, die jetzt anstehen, endlich im Hafen sind. Viel Glück!! Vielleicht gelingt es dieser Regierung nun endlich, die ideologischen Vorbehalte beiseite zu lassen. Und mit Beppe Grillo hat Italien jetzt endlich auch eine wachsame und wenigstens in dieser Hinsicht glaubwürdige Opposition. Am meisten freue ich mich, dass Anna Maria Cancellieri jetzt Justizministerin ist. Auch der charismatische Berlusconi verhielt sich vorbildlich: er bremste seine Falken und zeigte große Kompromissfähigkeit. Wie Montis Regierung, kann jedoch auch diese Regierung in jedem Augenblick von Berlusconi zu Fall gebracht werden.

Wie immer, wenn die italienischen Sozialdemokratoiden regieren, schwebt also ein Damoklesschwert über ihrer Handlungsfähigkeit, aber zum ersten Mal ist es kein kommunistisches. Kommunistisch ist jedoch der Kampf gegen das 4. Reich, der 1. begann, als der Maastrichtverlag unterschrieben wurde, dessen 2. Berlusconi sich während des letzten Wahlkampfs bemächtigte, der 3. der gemeinsame Nenner dieser Regierung, ja des italienischen Parlaments, einschließlich der drei Oppositionen (LegaKommunisten und Grillo) ist, und der 4. jetzt erst richtig los geht. Weil jetzt der Schulterschluss bevorsteht, den 5. George Soros anmahnt, und Angela Merkel - die sich festgelegt hat, solange sie lebe, werde es keine Eurobonds geben - die nächsten Wahlen 6. vermutlich verlieren wird, wenn sie nicht auf den Kurs der AfD einschwenkt und es Brüderle nicht gelingt, 7. überzeugend darzulegen, dass Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit nun mal recht haben und Schuldenkommunismus und Eurobonds auch für einen Wirtschaftsliberalisten wie ihn ein realistischerer und sogar markwirtschaftlich opportunerer Weg sind, als der von der AfD angemahnte Weg der Transparenz und Überschaubarkeit, bei dem Europa in zwei Einflussbereiche aufgeteilt werden soll: Mittelmeer und Mare Suebicum. England würde zum Zünglein an der Waage: Balance of Power. Es wird jetzt spannend. Emma Bonino ist der letzte Rest Liberalismus, der von Berlusconis einstiger Kampfansage gegen bürokratische Fallstricke übrig geblieben ist. Aber Italiens unausgesprochener Schlachtruf wird sein: "Wenn ihr nicht tut, was wir sagen, reißen wir euch mit uns in den Abgrund."

21 Minister

Emma Bonino

Thomas Schmidt weiß, wovon er redet


Zwei Seelen, ein Gedanke



Niels Stensen



www.stensen.org

Nicolaus Steno

Donnerstag, 25. April 2013

Eingeschrankt bis 1994

Ein ganz schlauer war Herr Adenauer. Kaum weniger schlau war überdies die Schläue Alcide De Gasperis.





Schrank der Schande

Armadio della vergogna



Geiselerschießungen in Italien

Audio

Von der Deportation einfacher italienischer Soldaten (also nicht nur von politischen Gefangenen) in deutsche Kriegsgefangenenlager hörte ich lange Zeit immer nur durch direkt Betroffene oder durch Menschen, die einen Bruder oder Cousin hatten, der unter den Gefangenen gewesen war. Es hat lange gedauert, bis ich mir ein Bild davon machen konnte und beurteilen konnte, ob es sich da nur um übertriebene Greuelgeschichten oder Tatsachen handelte. Aber warum halfen mir meine Verwandten nie dabei, der Wahrheit näher zu kommen und behinderten mich im Gegenteil sogar durch Ächtung, Unterstellungen, Hohn und üble Nachrede?





Auch Roberto Benignis Vater war in Bergen Belsen inhaftiert. Dessen Erinnerungen regten Benigni zu seinem Film Das Leben ist schön an.

Gauck und Napolitano

Das wurde wirklich Zeit. 30 Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet. Die Rhetorik der "Resistenza" ist nicht gerade angenehm (vor allem weil die "Resistenza" bei Kriegsende und sogar noch danach so einige Verbrechen gegen Anhänger Mussolinis beging, was Jahrzehnte lang totgeschwiegen wurde und erst vor wenigen Jahren Giampaolo Pansa den Mut fand, zur Sprache zu bringen), aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der man den damaligen Schulterschluss zwischen Kesselring und SS in Deutschland jahrzehntelang totschwieg, ist eben doch der noch unerträglichere Aspekt, wenn man genug Spiegelneuronen besitzt, um sich in die Lage der Italiener zu versetzen. Sant' Anna di Stazzema ist in Italien ein wichtiges Symbol, das jedem Schulkind ein Begriff ist und jedes Jahr am 25. April, dem wichtigsten Nationalfeiertag, allen von neuem ins Gedächtnis gerufen wird. Dasselbe gilt von den Ardeatinischen Höhlen und von Marzabotto. Es sind drei alte Symbole. Man soll nicht glauben, dass diese Ereignisse im Schrank der Schande und in Vergessenheit geschlummert hätten. Nur wir Deutschen hören nun zum ersten Mal davon, obwohl wir bei diesen drei identitätsstiftenden Symbolen im Mittelpunkt stehen. Im Schrank lagen nur beweiskräftige Akten zu den Details.

Gaucks Besuch war seit langem überfällig. Er war es schon, als ich vor über 30 Jahren in Italien ankam. Die Italiener haben ein sehr waches geschichtliches Bewusstsein. Ganz das Gegenteil von uns, der wir 1933 wie aus der Geschichte heraustraten, um in eine Dimension mythischer Erinnerung einzutreten und diese dann 12 Jahre später ebenfalls ahistorisch wieder abzustreifen und ab 1945 jede Geschichtlichkeit, die uns mit unseren Wurzeln verbindet, zu fürchten begannen wie der Teufel das Weihwasser.

Wir haben ausnahmsweise mal wirklich Grund, uns zu schämen. Zu sehr haben wir uns daran gewöhnt, dass die Italiener Grund dazu haben; und die schämen sich nie, auch wenn sie im Ausland manchmal so tun. Es sind fröhliche Zyniker. Man würde in Deutschland staunen, wenn man erführe, wie zynisch die Italiener sind. Das gilt nicht nur für Berlusconi. An ihm wird die Schamlosigkeit nur überdeutlich sichtbar. "Sie halten sich für Götter" sagte der Der Serval (die Übersetzung mit "Pardel" wäre genauso falsch wie "Leopard"; es handelt sich um einen Serval) sehr treffend über die Sizilianer zu seinen englischen Gästen. Und Götter schämen sich eben nicht. Wir Deutschen schämen uns, wenn wir Grund dazu haben, die Japaner schämen sich (wenn auch nicht für ihre Kumpanei mit Hitler und Mussolini). Italiener schämen sich nicht. Sie genieren sich, aber sie schämen sich nicht.

Wir Deutschen dürfen uns trotz eines guten Grundes uns zu schämen hier nicht über den Tisch ziehen lassen, bloß weil wir so lange versäumt haben, uns klar zu machen, wie die Italiener, nicht zu unrecht, über uns denken. Was lange überfällig war, geschah nun verspätet und zum ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann. Zu einem Zeitpunkt, an dem antideutsche Gefühle zur Grundlage eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls werden sollen.

Mussolinis pfiffige Nonbelligeranza soll daher ebenfalls nicht vergessen werden, wenn ein Schuh draus werden soll! Und die Chancen, dass diese Nonbelligeranza sich in neuem Gewandt wiederholt sind im Moment sehr viel größer als die eines deutschen Massakers in Sant'Anna oder wo auch immer, davor sei gewarnt!


25. April

St. Anna di Stazzema

Mittwoch, 24. April 2013

Familia


Der Neffe (Enrico Letta) von Berlusconis rechter Hand (Gianni Letta) ist jetzt der italienische Ministerpräsident. Dank der Kommunisten kehrt Italien de facto also zur Monarchie zurück (König Napolitano), und vielleicht ist die Familie Letta ja sogar mit der Gens Iulia verwandt, sodass man endlich wieder an die Äneis anknüpfen kann. Nicht schlecht für eine Republik, die beabsichtigt, sich zu verjüngen und zu modernisieren. Im Vatikan gibt es jetzt auf einmal zwei Päpste. Man fühlt sich ein bisschen in die Zeit der Kollegialkonsuln versetzt. Romulus und Remus, Peter und Paul als Erben der indoeuropäischen Zwillinge lassen grüßen.

Spaß beiseite. Im Regierungsprogramm stehen jetzt endlich die Änderung des Wahlgesetzes und eine Verfassungsreform wirklich sehr weit oben auf der Liste der Prioritäten. Der Himmel wolle, dass es auch dazu kommt.

Nach dem Fall der Berliner Mauer hatte Franz der Kluge sofort begriffen, dass nun die italienische Verfassung Makulatur war und die Institutionen dringend reformiert werden müssten. Als Staatspräsident - der auch Präsident des Oberen Gerichtsrats (CSM) ist - kritisierte er die Richter im Fernsehen auf allen Kanälen. Die Kritik Silvio Berlusconis an der italienischen Justiz begann mit Cossigas für einen nicht vom Volk gewählten Präsidenten inorthodoxer Initiative.




Wie groß Berlusconis Neigung ist, persönlichen Beziehungen in Politik und Geschäftsleben Bedeutung beizumessen, ist daran erkennbar, dass er sowohl bei Aznar als auch bei Erdogan jeweils Trauzeuge einer der Töchter und eines der Söhne wurde. Das Amt des Taufpaten übernahm er sogar bei so vielen Kindern, dass er eigens eine Sekretärin beschäftigt, die nur für seine Patenkinder zuständig ist. Es wirkt auf mich wie eine Renaissance des Mittelalters. Seine enge Freundschaft zu Putin und George W. Bush - Berlusconi nimmt gerade an den Feierlichkeiten zur Einweihung der Bush-Bibliothek in Dallas teil - ist ja bekannt.

Die große Koalition scheint im Moment Hochkonjunktur zu haben: es ist nun alles so gehupft wie gesprungen. In Dallas hält merkwürdigerweise tatsächlich sogar Obama eine Rede, um Bushs Leistungen zu würdigen, nach dessen Namen nun bereits zu Lebzeiten eine Bibliothek benannt wird. Nicht einmal einem Gelehrten wie Humboldt wurde eine solche Ehre zuteil. Auch die Altpräsidenten Carter, Clinton und Bush Vater wohnen dieser Zeremonie bei, wodurch, was wie ein Privatvergnügen aussehen könnte, unmissverständlich zu einer Würdigung auf allerhöchster Ebene wird. Am liebsten hätte man wohl Lincoln und Reagan auch noch ins Leben zurückgerufen. Erst wenn man selber das Präsidentenamt antrete, werde man sich klar darüber, was es heiße, der Präsident der USA zu sein, sagte Obama in seiner Laudatio. Es ist unfassbar.

Dienstag, 23. April 2013

Uferaffen

Die Savannentheorie habe ich immer als irrsinnig empfunden. Wir Menschen sind nur dort glücklich, wo es nicht an frischem Wasser fehlt. Besonders in Afrika. Und nichts begünstigt den aufrechten Gang mehr als das Waten auf der Suche nach Sepia, Oktopus und Austern. Durch Carsten Niemitz kommt jetzt endlich wieder Vernunft in die Evolutionsbiologie. Das gilt auch für seine Ansicht, dass das Lesen und Schreiben evolutionsgeschichtlich älter ist als Sprechen. Entlang der Ufer wurden wir Menschen zu Menschen! Und bevor wir zu Jägern und Fallenstellern wurden, waren wir Sammler von Muscheln und Krebsen, das liegt für mich auf der Hand. Nur gab es den aufrechten Gang wahrscheinlich bereits, als Ardipithecus ramidus noch auf den Bäumen wohnte.


Wasserahnen

Samstag, 20. April 2013

Stefano Rodotà und Anna Maria Cancellieri




Es gibt nicht mehr als drei oder vier Persönlichkeiten in Italien, die ich in den letzten 35 Jahren immer geschätzt habe und deren Initiativen ich immer billigen konnte, ohne mir die Nase je zuhalten zu müssen. Marcello Pera gehört dazu. Und ganz bestimmt auch Stefano Rodotà.

Hut ab vor Beppe Grillo, der nach einer Volksbefragung über das Internet diesen Mann als Kandidaten für die Wahl des italienischen Staatsoberhaupts (das gleichzeitig Oberhaupt der italienischen Justiz ist: des CSM) vorgeschlagen hat.

Auch Mario Monti hat mit Anna Maria Cancellieri eine hervorragend geeignete Kandidatin vorgeschlagen. Dass die italienische Politikerkaste trotz zweier großartiger Kandidaten nicht dazu bereit ist, einen der beiden zu wählen und den alten Giorgio Napolitano bittet, noch einmal 7 Jahre lang das Amt zu übernehmen - obwohl er bereits vor einem Monat dieses Ansinnen abgelehnt hat - ist wirklich der Gipfel.

Es ist noch nie vorgekommen, dass ein italienischer Staatspräsident zweimal kandidiert hat, denn die Amtszeit dauert 7 Jahre. Nun soll in einer ähnlich vertrackten Situation wie der, in der Benedikt XVI zurücktrat, ein 88-jähriger, der bereits 7 Jahre einer überaus schwierigen Amtszeit hinter sich hat, noch einmal zur Verfügung stehen. Man kann Giorgio Napolitano nicht dazu gratulieren und den guten Mann nur bedauern.





Grillo und Monti sind im Moment die einzigen politischen Führer, die der Bedeutung ihres Amtes gerecht werden und noch der eigenen Würde zu entsprechen vermögen. Die Situation ist tatsächlich genau so arabesque wie meine geschraubte Ausdrucksweise. Zwei ehrliche, kluge und scharfsinnige Männer stehen sich mit Monti und Grillo wie zwei Feldherren gegenüber. Der eine impulsiv und temperamentvoll, der andere abwägend und reflexiv. Sie sind alles andere als befreundet, aber wenn man das Bild anamorph betrachtet, ergänzen sie sich wie Magnum P.I. und Higgins.

Und Renzi, der italienische Sozialdemokrat? Wenn erst mal das Wahlgesetz geändert worden ist, wird er bei Neuwahlen sicher seine Chance haben. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er bereits jetzt - nachdem Grillo die KPI vielleicht endgültig versenkt hat - dazu käme. Ich kann es nicht glauben, ich wage es nicht zu hoffen, weil Enrico Letta sich breit machen wird, sobald Bersani sein Rücktrittsversprechen einlöst. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Regierung Renzi außerdem verfrüht. Denn falls Renzi schon jetzt einen Regierungsaufrag bekommen sollte, bestünde die Gefahr, dass er wie sein Vorgänger Monti zu sehr von Berlusconis Zustimmung abhinge (so wie Prodi immer von den Kommunisten abhing). Denn in Italien besitzt der Regierungschef keine Richtlinienkompetenz wie unsere Kanzler und die Ministerpräsidenten unserer Länder. Die Macht der Richtlinienkompetenz mag nur psychologisch sein, aber man spürt ihr Gewicht. Berlusconi sagte einmal sehr treffend, ein italienischer Regierungschef habe weniger Regierungsmacht als ein italienischer Bürgermeister, da er nur ein primus inter pares sei. Marcello Pera hat Recht behalten.


So objektiv wie jetzt hat die FAZ schon lange nicht mehr über Italien berichtet! Sie mal einer an. Grillo hat nicht nur die KPI versenkt, sondern auch die deutsche Gleichschaltung. Jedenfalls ist man versucht, es zu hoffen. Wenn es so weiter geht, kann man die - wie das Kaninchen von der Schlange - von Berlusconi hypnotisierte FAZ doch wieder lesen. Schade, dass die FAZ Marcello Pera nicht interviewt. Oder wenigstens sein Resümee abdruckt. Jedenfalls müsste spätestens jetzt - nachdem die Demokratische Partei nicht einmal ihren eigenen Gründer (Romano Prodi) zum Präsidenten wählen wollte - auch dem dümmsten deutschen Journalisten klar sein, dass diese Partei eigentlich reif für den Psychiater ist und die Italiener vielleicht aus diesem Grund so oft Berlusconi gewählt haben und nicht, weil er sie mit dem Fernsehen manipuliert. Es wäre völlig überflüssig, in Italien Informationen zu manipulieren, weil das Land seit den 70-er Jahren völlig übergeschnappt ist und sich nie erholt hat seit damals. Leider ist seit etwa 2003 auch die Hoffnung, dass Berlusconi eine liberale Revolution in Italien bewirken würde, die 1994 so groß war und viele der klügsten Menschen (einschließlich Monti) damals auf seine Seite holte, vorbei, und wie es nun weitergehen soll, weiß niemand so recht. Man weiß nur vage, was man nicht will. Von 1994 bis etwa 2001 war Berlusconis Stärke die konstruktive Programmatik, und er war seinen Gegnern dadurch immer mindestens einen Schritt voraus. Aber jetzt wetteifert er mit Grillo bei der Artikulation von Ablehnung und Unwillen. Das ist eine interessante Ausgangssituation für die Alternative für Deutschland. Aber es wird auf Nonbelligeranza hinauslaufen. Die Italiener werden eher Maastricht neuverhandeln und Deutschland in die Knie zwingen, als zulassen, dass Deutschland mit Nordeuropa ausschert.


"Italien ist das Land, wo die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten eine Arabeske ist." Ennio Flaiano