Stationen

Samstag, 20. April 2013

Stefano Rodotà und Anna Maria Cancellieri




Es gibt nicht mehr als drei oder vier Persönlichkeiten in Italien, die ich in den letzten 35 Jahren immer geschätzt habe und deren Initiativen ich immer billigen konnte, ohne mir die Nase je zuhalten zu müssen. Marcello Pera gehört dazu. Und ganz bestimmt auch Stefano Rodotà.

Hut ab vor Beppe Grillo, der nach einer Volksbefragung über das Internet diesen Mann als Kandidaten für die Wahl des italienischen Staatsoberhaupts (das gleichzeitig Oberhaupt der italienischen Justiz ist: des CSM) vorgeschlagen hat.

Auch Mario Monti hat mit Anna Maria Cancellieri eine hervorragend geeignete Kandidatin vorgeschlagen. Dass die italienische Politikerkaste trotz zweier großartiger Kandidaten nicht dazu bereit ist, einen der beiden zu wählen und den alten Giorgio Napolitano bittet, noch einmal 7 Jahre lang das Amt zu übernehmen - obwohl er bereits vor einem Monat dieses Ansinnen abgelehnt hat - ist wirklich der Gipfel.

Es ist noch nie vorgekommen, dass ein italienischer Staatspräsident zweimal kandidiert hat, denn die Amtszeit dauert 7 Jahre. Nun soll in einer ähnlich vertrackten Situation wie der, in der Benedikt XVI zurücktrat, ein 88-jähriger, der bereits 7 Jahre einer überaus schwierigen Amtszeit hinter sich hat, noch einmal zur Verfügung stehen. Man kann Giorgio Napolitano nicht dazu gratulieren und den guten Mann nur bedauern.





Grillo und Monti sind im Moment die einzigen politischen Führer, die der Bedeutung ihres Amtes gerecht werden und noch der eigenen Würde zu entsprechen vermögen. Die Situation ist tatsächlich genau so arabesque wie meine geschraubte Ausdrucksweise. Zwei ehrliche, kluge und scharfsinnige Männer stehen sich mit Monti und Grillo wie zwei Feldherren gegenüber. Der eine impulsiv und temperamentvoll, der andere abwägend und reflexiv. Sie sind alles andere als befreundet, aber wenn man das Bild anamorph betrachtet, ergänzen sie sich wie Magnum P.I. und Higgins.

Und Renzi, der italienische Sozialdemokrat? Wenn erst mal das Wahlgesetz geändert worden ist, wird er bei Neuwahlen sicher seine Chance haben. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er bereits jetzt - nachdem Grillo die KPI vielleicht endgültig versenkt hat - dazu käme. Ich kann es nicht glauben, ich wage es nicht zu hoffen, weil Enrico Letta sich breit machen wird, sobald Bersani sein Rücktrittsversprechen einlöst. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Regierung Renzi außerdem verfrüht. Denn falls Renzi schon jetzt einen Regierungsaufrag bekommen sollte, bestünde die Gefahr, dass er wie sein Vorgänger Monti zu sehr von Berlusconis Zustimmung abhinge (so wie Prodi immer von den Kommunisten abhing). Denn in Italien besitzt der Regierungschef keine Richtlinienkompetenz wie unsere Kanzler und die Ministerpräsidenten unserer Länder. Die Macht der Richtlinienkompetenz mag nur psychologisch sein, aber man spürt ihr Gewicht. Berlusconi sagte einmal sehr treffend, ein italienischer Regierungschef habe weniger Regierungsmacht als ein italienischer Bürgermeister, da er nur ein primus inter pares sei. Marcello Pera hat Recht behalten.


So objektiv wie jetzt hat die FAZ schon lange nicht mehr über Italien berichtet! Sie mal einer an. Grillo hat nicht nur die KPI versenkt, sondern auch die deutsche Gleichschaltung. Jedenfalls ist man versucht, es zu hoffen. Wenn es so weiter geht, kann man die - wie das Kaninchen von der Schlange - von Berlusconi hypnotisierte FAZ doch wieder lesen. Schade, dass die FAZ Marcello Pera nicht interviewt. Oder wenigstens sein Resümee abdruckt. Jedenfalls müsste spätestens jetzt - nachdem die Demokratische Partei nicht einmal ihren eigenen Gründer (Romano Prodi) zum Präsidenten wählen wollte - auch dem dümmsten deutschen Journalisten klar sein, dass diese Partei eigentlich reif für den Psychiater ist und die Italiener vielleicht aus diesem Grund so oft Berlusconi gewählt haben und nicht, weil er sie mit dem Fernsehen manipuliert. Es wäre völlig überflüssig, in Italien Informationen zu manipulieren, weil das Land seit den 70-er Jahren völlig übergeschnappt ist und sich nie erholt hat seit damals. Leider ist seit etwa 2003 auch die Hoffnung, dass Berlusconi eine liberale Revolution in Italien bewirken würde, die 1994 so groß war und viele der klügsten Menschen (einschließlich Monti) damals auf seine Seite holte, vorbei, und wie es nun weitergehen soll, weiß niemand so recht. Man weiß nur vage, was man nicht will. Von 1994 bis etwa 2001 war Berlusconis Stärke die konstruktive Programmatik, und er war seinen Gegnern dadurch immer mindestens einen Schritt voraus. Aber jetzt wetteifert er mit Grillo bei der Artikulation von Ablehnung und Unwillen. Das ist eine interessante Ausgangssituation für die Alternative für Deutschland. Aber es wird auf Nonbelligeranza hinauslaufen. Die Italiener werden eher Maastricht neuverhandeln und Deutschland in die Knie zwingen, als zulassen, dass Deutschland mit Nordeuropa ausschert.


"Italien ist das Land, wo die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten eine Arabeske ist." Ennio Flaiano



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