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Freitag, 25. Oktober 2013

Esperanto

Michele Vietti, der Vizepräsident des CSM sagt, "In einem Land, in dem die Gewaltenteilung gilt, hat das letzte Wort der Richter." Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Wort? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.



Bemerkenswert, dass in unserer Zeit nur bei Männern eine Machtposition zu sexuellen Ausschweifungen führt. In diesem Fall bei einem der mächtigsten Justizbeamten Italiens. In Deutschland ist der Hass auf Berlusconi besonders groß. Wurden wir erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts so prüde? Oder verzeihen wir Katherina der Großen, weil sie im Gegensatz zu Berlusconis liberaler Revolution nicht scheiterte? August dem Starken, weil er die Schönheit Dresdens schuf?
 
Wenn man einmal von Matteo Renzi absieht, ist Berlusconi leider immer noch der einzige italienische Politiker, der in den letzten Jahren dazugelernt hat. 1994 wollte er die Entartungen des Wohlfahrtsstaates ("assistenzialismo"), durch welche Kooperativen landesweit Staatsgelder aufzehren und in Süditalien Subventionen versickern, bekämpfen, und gleichzeitig den besonders in der Kommunalpolitik, an den Universitäten und im Gesundheitswesen fortbestehenden Kommunismus. Seit er weiß, dass diese Schlacht verloren ist, sprang er auf den Wagen des Siegers, um den Wagen zu lenken und den eigentlichen Sieger zum Zugtier zu machen. Er hat begriffen, dass es in Zeiten der Wirtschaftskrise für Italien am bequemsten ist, "Assistentialismus" und Kommunismus auf eine höhere Ebene zu heben und auszudehnen: was in Italien gefruchtet hat, soll nun auch in Europa wirken. Anders gesagt, den Schuh, der ihn drückte, sollen wir jetzt mal zu spüren bekommen. "Wer nicht hören will....".

Dass man in Berlin bangt, wenn Berlusconi droht, in Rom eine Regierung zu stürzen, freut nicht nur ihn. Klammheimlich sind selbst seine Gegner darüber glücklich. In gewissem Sinn ist Berlusconi ein kommunistischer Führer auf europäischer Ebene geworden (Vergemeinschaftung der Schulden), obwohl er in Italien nach wie vor als Wagenlenker, der seine politischen Gegner zu Zugtieren degradiert hat, natürlich Antikommunist bleiben muss. Aber Berlusconis seit 1994 hartnäckig immer wieder geäußerte Forderung, in Italien keine weiteren Steuern einzutreiben, wird inzwischen von der italienischen Linken ins Europäische übersetzt.

Auch Berlusconi weiß sehr wohl, dass Steuern eingetrieben werden müssen, aber er möchte, dass sie nicht in Italien, sondern in Nordeuropa eingetrieben werden. Er hat es tatsächlich geschafft, die politischen Forderungen, die seit 1978 immer wieder von Vertretern des linksten Flügels der Kommunisten geäußert wurden, seit 2012 zu seinen eigenen Kernaussagen zu machen und gleichzeitig die anfallende Dreckarbeit sogar noch andere machen zu lassen, die zwar selber gerne mit der Mistgabel auf Angela Merkel losgehen würden, sich aber zu viel auf ihre weiße Weste einbilden, um vor dem italienischen Volk nicht als Merkels Lakeien dazustehen: erst Monti, jetzt Letta. Berlusconi ist genial, und Alfano und Fitto wissen, was sie an ihm haben. Die italienischen Gesetze empfinden alle Italiener als Pein. Auch wenn sie das im Gespräch mit Deutschen, besonders in Deutschland, ungern einräumen. Aber deutsche Unternehmer wissen, weshalb sie ungern in Italien investieren. Kaum jemand wird sich von Berlusconi abwenden, weil er verurteilt wurde, im Gegenteil. Er ist nur langsam zu alt, und die Leute machen sich darüber Gedanken, dass es auch ohne ihn gehen muss, obwohl sein Charisma ungebrochen ist.

In Italien wird kein Politiker je entschlossen gegen die Mafia vorgehen, genau so wie kein deutscher Politiker je entschlossen gegen Italien vorgehen wird.


Es gibt ein euphemistisches Motto, mit dem Italiener und Deutsche sich manchmal ins Gleichgewicht schaukeln: "Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie bewundern sie nicht. Die Italiener bewundern die Deutschen, aber sie lieben sie nicht." Ausgesprochen wird diese Spruchweisheit meistens von Deutschen in Italien, manchmal von Italienern in Deutschland, nie von Italienern in Italien. In Wirklichkeit lieben die Deutschen die Italiener und sie bewundern sie. Aber sie werden von den Italienern weder geliebt noch bewundert.




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