Stationen

Mittwoch, 27. November 2013

Wer hätte das gedacht

Agnoli war in der SS. Freiwillig. Begeistert. Und dann noch als Italiener. 90% der italienischen SS waren Akademiker und Freiwillige.





 Selbst wenn man an die italienische Unbefangenheit gewöhnt ist - und im Wissen, dass der Kommunist Dario Fo zuvor in der RSI militierte - dass Johannes Agnoli in der SS war, ist eine Überraschung.

Ich fand ein Buch interessant, das er mit Peter Brückner über die amerikanische Counter Insurgency Strategies geschrieben hatte (darin wurde das beschrieben, was jetzt durch Snowden einem breiten Publikum näher gebracht wird) und habe ihn mal erlebt, als er 1981 an einem Vortragsabend des ARCI (der Freizeitorganisation der KPI, aus der auch Slow Food hervorgegangen ist) im Kongresszentrum von Florenz teilnahm.

Das Thema damals war "Das heutige Italien und die Weimarer Republik - ein Vergleich". Es ging um die zahlreichen Splitterparteien und die Unregierbarkeit Italiens. Außer Agnoli waren Krippendorff und ein Soziologe aus Mailand zugegen, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, weil mir seine Ausführungen zu abstrakt waren. Der Mailänder trug als einziger einen gut sitzenden, grauen Anzug. Nicht weil Mailand die Stadt von Armani ist, sondern weil Italiener sich nun mal elegant kleiden. Selbst wenn sie Jeans tragen. Mit "Schickeria" hat es nichts zu tun. Es ist die italienische Variante biederer Bürgerlichkeit. Agnoli und Krippendorf trugen Jeans und Pullover, aber ohne das geringste Anzeichen von Eleganz. Krippendorff trug rundspitzige, etwas plumpe Stiefel unter den Jeans, die sich von den schicken Stiefeln abhoben, die damals in Italien modern waren. Elegance is Arrogance ist das germanische Credo. Rustikale Biedermänner aus Deutschland, auch der italienische Agnoli. Ich dachte immer, er sei, ähnlich wie Mario Adorf, Deutschitaliener. Eigentlich heißt er Giovanni Agnoli.

Er begann seinen Vortrag mit den Worten "Man kann das heutige Italien nicht mit der Weimarer Republik vergleichen, weil die Weimarer Republik eine parlamentarische Demokratie war und das heutige Italien ein Klientelarsystem ist."

Der Mailänder Professor lächelte ironisch dazu. Von Krippendorff kannte ich die Reisebücher über Italien, die er zusammen mit Kammerer geschrieben hatte. Darin befindet sich eine völlig unrealistische, weltfremde Beschreibung der Zeitungsfeste der Unità, die damals noch das Sprachrohr der KPI war; aber ansonsten interessante Bücher! Unter anderem mit Tagebuchaufzeichnungen Ernst Jüngers über Sardinien.



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