Stationen

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Die böse Inquisition

Besonders beliebt ist in Deutschland das Märchen von der rückständigen, finsteren und grausamen Inquisition, die Luther und Galilei das Leben schwer machte und im Mittelalter dafür sorgte, dass Frauen als Hexen verbrannt wurden. Aber selbst in ihrer Frühzeit war die Inquisition nicht annähern so pervers und grausam wie die weltlichen Herrscher, und schon gar nicht wie die Protestanten!

In Wirklichkeit wurden die Hexen so richtig erst über 100 Jahre nach Luthers Reformation verbrannt und dazu auch noch fast nur in protestantischen Ländern und besonders auf deutschem Boden. Und die Inquisition war entsetzt davon, schickte Gesandte aus Rom nach Deutschland, um dem Geschehen ein Ende zu machen und musste hilflos zusehen, wie es weiter ging und immer schlimmer wurde. Und einer, der die gerichtliche Verfolgung von Hexerei befürwortete, auf den man sich später auch tatsächlich berief, war ausgerechnet Luther.

Michael Kunze versucht - gestützt auf Michel Foucault - in seinem Buch Straße ins Feuer an Hand eines Hexenprozesses in München im Jahr 1600 darzulegen, dass die moderne juristische Schule von Bologna für die blinde Gefühllosigkeit des Gemetzels verantwortlich zu machen sei. Dass erst durch die Abkoppelung von Mitgefühl und juristischer Rationalität die unsägliche Grausamkeit möglich wurde. Aber das erklärt nicht, weshalb es in Deutschland dazu kam und in Italien nicht.

Michel Foucault und Michael Kunze müssen etwas übersehen haben. Übrigens außer einigen Theologen in Tübingen war der gute Spee einer der wenigen, die Kritik an Folter und Hexenwahn übten. Er schrieb, nebenbei bemerkt auch sehr schöne Lieder! Zum Beispiel In stiller Nacht und Zu Bethlehem geboren.



Wir müssen damit leben, dass diese "mittelalterlichen Hexenverfolgungen", die sich im deutschen Sprachgebiet ereigneten, als das angeblich so finstere Mittelalter, das in Wirklichkeit vor allem im Dunkel fehlender schriftlicher Überlieferungen liegt, längst vorbei war, zu unserer Mentalitätsgeschichte gehören.

Und wir dürfen, wenn wir in diese Zeiten zurückblicken, die Dinge nicht verdrehen oder gar auf den Kopf stellen. Wir sollten lieber zur Kenntnis nehmen, dass wir gerade dann, wenn wir, statt auf vernehmende Vernunft zu bauen, einer gestelzten, tauben, scheuklappenartigen, für jede Wahrnehmung, die diesen Namen verdient, unempfänglichen "Rationalität" Vorschub leisten, unser Verhalten am unvernünftigsten, sinnlosesten und sektiererischsten ist, wie in unserer heutigen Zeit in weiten Bereichen der Kunst, der Kunstgeschichte und -kritik und ihrer Instrumentalisierungen in Handel und Politik ersichtlich ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.