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Mittwoch, 1. April 2015

Der Starke ist am mächtigsten allein


Merkwürdig, wie Elsers Bedeutung immer noch im Hintergrund verharrt. /0 Jahre nach Kriegsende! So als sei das Attentat des 20. Juli 1944 das herausragende Ereignis und Elsers Attentat eine Randnotiz. In Wirklichkeit ist es eher umgekehrt. Wir wissen zwar nicht, was passiert wäre, hätte Elser mit seinem Vorhaben Erfolg gehabt, aber wir wissen, dass die Ausschaltung Hitlers natürlich enorme Wirkungen gehabt hätte (Joachim Fest schrieb sogar, wenn Hitler 1939 ums Leben gekommen wäre, würde man ihn heute vermutlich als Erfüller der deutschen Geschichte ansehen und feiern). Der 20. Juli hingegen war nur der Versuch einer verspäteten Ehrenrettung, durch den Deutschland im Erfolgsfall zur Militärdiktatur geworden wäre: Wehrmacht statt Nazis (wobei sich die Überschneidungen der beiden Sphären etwas verschoben hätten).

Elser wurde auch in der Nachkriegszeit, in den 50-ern, und nicht weniger in den 70-er Jahren, und noch bis kurz vor heute nur deshalb heruntergespielt, weil sich bei seiner Festnahme ein Abzeichen des Rotfrontkämpferbunds unter seinen Sachen befand. Die zweifellos antikommunistischen Attentäter des 20. Juli eigneten sich, bevor die Berliner Mauer fiel, daher besser als Galionsfiguren aufbegehrender Anständigkeit im deutschsprachigen Raum. Die Würdigung Elsers hatte immer ein Gschmäckle: man möchte jemandem, bei dem man nicht sicher weiß, dass er auch wirklich kein fanatischer Kommunist war, eben nicht so ohne weiteres abnehmen, dass er aus reinem Herzen, aus dem Quell enormer emotionaler Intelligenz und dem genuinen Wunsch gehandelt hat, etwas zu verhindern, was damals die allerwenigsten ahnten. Später sind immer alle schlau, und was kam sieht auf einmal so aus, als hätte es gar nicht anders kommen können. Aber in Wahrheit ist Zukunft immer ungewiss, und die wenigsten haben so etwas wie einen zuverlässigen Riecher. Ich bin erst nach Jahrzehnten zu der Auffassung gekommen, dass der gute Elser durch seine Gewissheit motiviert wurde (Gewissen reicht nicht). Diese Gewissheit ist sogar das eigentlich Bewundernswerte an ihm. Denn es ist nicht schwierig das Richtige zu tun! Schwierig ist, zu verstehen, was richtig und gerecht ist. Sobald man es weiß, ist es schwierig, es nicht zu tun.

Merkwürdig andererseits, dass Brandauers wichtigtuerisches Regiedebüt von 1989 (der einiges verzerrte, bzw. hinzudichtete, um mehr Leute ins Kino zu locken) heute als erster Versuch gewürdigt wird, Elser gerecht zu werden. Denn ich habe im Bayrischen Fernsehen bereits in den 70-er Jahren eine sehr gut recherchierte Dokumentation seiner einsamen Zielstrebigkeit gesehen, der kaum etwas den Ablauf des Geschehens betreffendes hinzuzufügen wäre. Weshalb also dieser Bohei um Brandauer?

Jedenfalls freue ich mich, dass man jetzt anscheinend begonnen hat, Elsers Bedeutung endlich angemessen zu würdigen und einen neuen Film über ihn gedreht hat, durch den der Mensch Elser anschaulicher wird und das Bild nicht durch eigenmächtige Erfindungen verzerrt wird. Hirschbiegel ist der richtige Regisseur dafür. Schön auch, dass man endlich etwas über das Schicksal von Elsers Verwandten erfährt.

Wenn immer ein Elser zur Stelle wäre (der auch Erfolg hätte), könnte man sogar den weichen Keksen zustimmen (Käßmann und Wecker).

Keiner weiß, welches Schicksal uns Stalin bereitet hätte, wäre dieses Attentat nicht fehl geschlagen. Auch dieser Gedanke muss erlaubt sein.

Jan Palach


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