Stationen

Mittwoch, 2. September 2015

200 Jahre Urmänner





Jünger als die USA, aber immerhin. Und jedenfalls ein seit 200 Jahren beständig für die deutsche Einheit und Unversehrtheit tätiger Männerbund, der, die Ländergrenzen übergreifend, unerschütterlich an das Deutsche glaubt. Man soll Traditionen ja nur dann ernst nehmen, wenn sie älter als 100 Jahre sind. Dass es die am (die 3sat-Zielgruppe betreffenden) ethnischen Nationsbegriff festhaltende DB gibt, war vielleicht noch nie so wichtig, wie es in den kommenden Jahrzehnten sein wird.

Überblick

Nun lässt uns der besonnene André Heller jedoch wissen, als Augenzeuge miterlebt zu haben, wie der Burschenschaftlernachwuchs zu einem Denkmal gezogen sei und dabei öffentlich "Die Öfen waren damals zu klein, das nächste Mal kommt ihr alle mit rein." gegrölt habe.

Bevor ich hierauf näher eingehe, möchte ich zwei Fragen stellen: 1. Was verbindet André Heller, Arthur Braun, Bernhard Henry-Levy, Noam Chomsky, Karl Popper, Michael Kunze, Rufus Wainwright, Henryk Broder, Michael Wolffsohn, Wolf Biermann, Billy Wilders, Ernst Lubitsch, Elie Wiesel, Milton Friedman, Michel Friedmann, Sigmund Freud, Karl Marx, Albert Einstein, Edward Teller, Robert Lembke, Andrei Sacharow, Beate Klarsfeld, Leonhard Cohen, Bob Dylan? Antwort: Die nicht unbegreifliche, dennoch nicht selbstverständliche, jedoch feste, wenn auch nicht immer an die Glocke gehängte, Überzeugung, am jüdischen Wesen müsse die Welt genesen. 2. Welche akademische Elite ist auf dieser Welt offenbar mittlerweile die einzige, die es wagt, öffentlich Zweifel an der Berechtigung dieser Überzeugung zu äußern? Antwort: Die Deutsche Burschenschaft.

Nun zu Heller: Ich habe keine Zweifel an seiner guten Absicht. Aber ich habe schon unzählige Male erlebt, dass Behauptungen wie diese seinige, anscheinend unbezweifelbare, leider überhaupt nicht der Wahrheit entsprachen, sondern auf Verdrehungen, Überzeichnungen, nicht hinterfragbaren Erwartungshaltungen, Halbwahrheiten, paranoiden Fehlinterpretationen, Missverständnissen, bekennerischem Eifer, reflexhaftem Konformismus oder sogar schierer Schlamperei und Borniertheit beruhten. Und zwar nicht nur bei gedankenlosen Einfaltspinseln, sondern leider auch gerade bei Personen wie ihm, also bei Intellektuellen von Rang, bei mir persönlich bekannten, im Rampenlicht meinungsbildender Prominenz stehenden Intellektuellen.

Bei Persönlichkeiten, die ich eigentlich wegen ihrer Unvoreingenommenheit schätze, musste ich erleben, dass sie ihre Fähigkeit zu sachlicher, nüchterner, differenzierender Betrachtung verloren und an ihre persönlichen Grenzen stießen, sobald sie sich diesem brenzligen Thema näherten. Übrigens auf beiden Seiten!! Also sowohl auf jüdischer Seite, wie auf Seiten derer, die als nichtjüdische Patrioten (egal welcher Nationalität!) der jüdischen Kultur, Tradition, Eigenart und forma mentis eher ablehnend oder jedenfalls kritisch gegenüber stehen. Ihre Wahrnehmung war plötzlich geradezu deformiert, aber gerade in diesen Augenblicken pochten sie - Juden wie Nichtjuden - auf sakrosankte Prinzipien und setzten wie selbstverständlich und unhinterfragbar voraus, dass sie sich im Rahmen objektiver Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufhielten und hätten jeden Einwand als unerhörten Affront empört zurückgewiesen. Da, genau da, scheiden sich die Geister.

Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass der besonnene Heller hier etwas behauptet, das nicht der Wahrheit entspricht. Aber ich kann es nicht überprüfen. Wie ich auch die Wahrhaftigkeit einer Gegendarstellung nicht überprüfen könnte. Ich kann leider nicht ausschließen, dass André Heller hier - in gutem Glauben und in lauterer Absicht - einen Eindruck erweckt, der von den Tatsachen abweicht. Denn genau dies ist es, was ich - wie bereits gesagt - nicht nur einmal, sondern unzählige Male erlebt habe.

Sicher ist, dass die Deutsche Burschenschaft an einem ethnischen Nationsbegriff festhält und sich beharrlich der bekennerischen Selbstbezichtigung entzieht, die in Deutschland mittlerweile nicht mehr als Merkmal guter Absicht gelten kann, sondern als verheerende Geisteskrankheit angesehen werden muss. Sicher ist auch, dass nur den Burschenschaftlern zuzutrauen ist, den nötigen Mut und die Charakterstärke aufzubringen, um kluge, intelligente und vernünftige Kritik am Judentum, wie es sich heute darstellt, zu üben und jüdischen Persönlichkeiten die Stirn zu bieten und dabei die intellektuelle Kraft ins Feld zu führen, die nötig ist, um sich gegen den schematischen Antisemitismusvorwurf zu verwahren und sich gleichzeitig von den unsäglichen Verdrehungen zu unterscheiden, die bei Arabern und leider auch bei Türken üblich sind.

Es muss einen Mittelweg geben zwischen der feigen, speichelleckenden, moralistischen Anbiederung der pseudosemitophilen Ignoranten, die für Völkerverständigung die Trommel rühren und persönlich nie einen Juden, Araber, Türken oder auch nur Italiener an ihrem Tisch bewirtet haben und den geschmacklosen, taktlosen Ausfälligkeiten, die Heller moniert. Und falls Heller recht haben sollte, kann die Episode, von der er berichtet, natürlich nicht als rauhbeinige Unmutsbekundung, als Sarkasmus der harten Jungs, als achselzuckendes Beispiel schwarzen Humors, als jugendliche Gedankenlosigkeit, als goliardischer Übermut oder gar als elitäre, souveräne Desinvolture verharmlost werden. Dazu ist das Eisen zu heiß.

Was also wäre wünschenswert? Zwei Dinge: 1. dass die DB laut und deutlich sagt, nein, so geht es nicht: was Heller beanstandet findet unsere Zustimmung. 2. aber dass endlich einmal gehörig mit der Faust auf den jüdischen Tisch gehauen wird und klar gestellt wird, dass jede Kultur das Feedback der Kritik durch die Anderen, Außenstehenden nötig hat, auch die jüdische (was auch immer unter jüdischer Tradition, Eigenart und Kultur zu verstehen ist).

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