Stationen

Freitag, 29. Januar 2016

Yes!


Eins
 Gestern war für mich ein historischer Tag: 35 Jahre nachdem der Stasi-Major T. mein Traktätlein „Zur Kritik des DDR-Bildungssystems“ beschlagnahmte (ich kam aus der Sache heil heraus, weil mein Vater mit dem Mann zusammen studiert hatte und ihm ausreden konnte, mich seinen Genossen zu überantworten; übrigens künde ich hier zum ersten Mal von T.’s Dienstpflichtverletzung), ist ein Text von mir, den ein libertäres Magazin auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte, von kalter Zensorenhand getilgt worden. Bei besagtem Text handelt es sich um meine kleine Etüde über die beiden götterdämmerungsaffinen Wagnerianer A. Hitler und A. Merkel, nachzulesen in diesem Diarium unter dem 23. Januar.

Historisch ist der Vorgang, weil die Internet-Zensur, die unser Justizministerlein Maas seit langem und ausschließlich gegen „rechts“ angekündigt hat, nunmehr also ins Werk gesetzt wird, und zwar offenbar nicht (nur) gegen sogenannte rassistische Hetze, sondern auch gegen das Statuieren viertelwegs geistreicher und halbwegs gewagter Analogien zum Kurs der momentanen Parteien- und Staatsführung... –, historisch also, um den Faden wieder aufzunehmen, ist der Vorgang insofern, als er, aufgemerkt nun denn, unter der Mitwirkung von beispielsweise Frau A. Kahane alias „IM Victoria“ stattindet, die acht Jahre lang als Stasi-Spitzel „ehrlich und zuverlässig“, so ihr Führungsoffizier, Dutzende Personen aus ihrem Umfeld beobachtet und den Genossen des MfS ausgeliefert hatte, was sogar in der Wikipedia steht, obwohl dort viele ihrer Gesinnungskumpan_innen daran arbeiten, dass dergleichen Ehrenrühigkeiten nicht das Lexikon des Weltweitwissens trüben. Später schloss sich Kahane mutig dem antifaschistischen Widerstand gegen das Vierte Reich an, gründete in wiederholter Lebensgefahr die Amadeu-Stiftung und darf heute im Auftrage des Justizministers wieder den Klassenfeind bearbeiten. Womit sich für mich ein Kreis schließt. Heimat ist, wo du bespitzelt, denunziert, zensiert wirst. Und wirklich heimisch bistu worden, wenn du anerkennst, dass es gut so sey.

Zwei
Ein Wort an die Gebildeten unter meinen Verächtern. Neben der kognitiven Dissonanz nimmt auch, scheint’s, die kognitive Legasthenie unter Öffentlichkeitsarbeitern ständig zu. Neuerlich halten mir ein paar hermeneutisch Hochbegabte im Empörungstremolo vor, ich hätte in besagter Etüde unsere geliebte Kanzlerin der Herzen mit dem zu Braunau am Inn einem Schmeißfliegenei entschlüpften Oberteufel und Menschheitsabschaum verglichen. Ich gestatte mir zunächst den formalen Hinweis, dass die Überschriften über meinem Text, wo immer er im Netz veröffentlicht wurde, nicht von mir stammen, denn ich setze in den Acta diurna keine; soll meinen: Jene ca. 98 Prozent der Kommentierer, die nicht über die Lektüre einer Headline hinauskommen, weil’s ihnen sofort höllisch in den Fingerchen zu jucken beginnt, ihren Senf, wie man jenem gegenüber ungerechterweise sagt, dazuzugeben, kakeln ins Leere, beruhigen sich dabei aber vermittels bewährter Affektabfuhr wieder halbwegs, und so soll es meinetwegen bleiben.

Sodann: Natürlich kann ich Frau Merkel vergleichen, womit immer mir der Sinn steht, mit Claudia Schiffer, einem Schuhlöffel, einem Zierfisch, dem iranischen Präsidenten oder eben dem besagten Alien aus Braunau – indem sich wer darüber echauffiert, hat er ja ebenfalls: verglichen –, denn ohne Vergleich gelangt man schwerlich zur Differenz. In besagtem Text ist nun ausdrücklich auch von der Inkommensurabilität der Umstände die Rede, bevor das wagnerianisch Gemeinsame der beiden Akteure herausgestellt wird. Wer denn aber zwischen Vergleichen und Gleichmachen nicht zu unterscheiden versteht, möge sich vielleicht in die Mysterien der Sterbehilfe einlesen und/oder für immer schweigen.

Drei
 Nein, ich bin nicht auf facebook, und ich werde mich weiterhin fernhalten. Die Gründe finden Sie unter: zwei. Außerdem bin ich sehr empfindlich gegenüber sozialem Mundgeruch und dem penetranten Odium der Zeitgenossenschaft.

Vier
 Diese Perspektive auf meine Fingerübung gibt es auch noch, und sie sei niemandem vorenthalten: "Oft sind Sie meine einzige Freude, wenn ich meine tägliche Rundschau im Netz durchführe", notiert Leser ***. "Diesmal allerdings haben Sie es geschafft, mir einige Ekel-Schauer über den Rücken zu jagen. Die Einordnung der aktuellen Lage und ihrer Akteure unter Zuhilfenahme der Werke des Meisters ist absolut unangebracht und geradezu obszön!"

Fünf
 In der ersten existentiellen Krise dieses (freilich von seinen sogenannten intellektuellen Wortführern jahrzehntelang mental sturmreif geschossenen) Landes seit der Höllenfahrt der NS-Diktatur versagt die Staatschefin mitsamt des sogenannten Parlaments vollständig und geradezu methodisch, weil sie, unkultiviert, historisch ahnungslos, als Lakaiin erst der Sowjets, später der Amerikaner konditioniert, eben nicht die Kanzlerin Deutschlands ist, sich gar nicht als eine solche empfindet, sondern eher wähnt, die Verwalterin eines ihr politisch zugeteilten Gebietes zu sein, das weder historisch noch sittlich noch kulturell noch, horribile dictu, irgendwie ethnisch zusammenhängt und in dem, wie sie selber formulierte, eben „möglichst viele Menschen“ leben sollen.

Fünf
 Was nun die Zusammensetzung dieser möglichst vielen hierzulande leben sollenden Menschen angeht: „Entsetzt“ hat, laut Bild, bei der Plauderrunde von Maybrit Illner die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor auf das Statement eines AfD-Mannes reagiert, man möge bei der Aufnahme von Menschen verfolgten Christen Priorität einräumen. „Sie wollen zwischen den Religionen unterscheiden? Wären der AfD also eine Million Ukrainer lieber als eine Million Muslime?“ Ich weiß nicht, was der arme Mann und wahrscheinlich Christenmensch auf diese Frage geantwortet hat, ich will es für ihn hier tun und sagen: Was Ukrainerinnen angeht, müssen Sie Paolo Pinkel fragen, ansonsten ein klares Nein! Was wir hier brauchen, existentiell brauchen, überlebensnotwenig brauchen, sind noch mehr junge muslimische Männer aus den Tiger- und Boomstaaten Nordafrikas, eifrige, strebsame, arbeitswütige, faustische Naturen, die Nobelpreisträger, Patentanmelder und Unternehmensgründer von morgen, die heute bereits bei den Mathematikolympiaden und „Jugend forscht“-Wettbewerben die Preise nur so abräumen, Liebhaber der universellen Bildung und der Künste, Pioniere der Weltraumforschung, der Quantenphysik, der Nanotechnologie und des Weinbaus, Makroökonomen und musisch gestimmte Schöngeister, freimütig und weltoffen, die uns mit ihrer sympathischen, hilfsbereit-unaggressiven Wesensart, ihren erlesenen Manieren, ihrem Humor, ihrer toleranten Religion, ihrer Weltweisheit und dem Liebreiz ihrer Frauen noch mehr betören, als heute ohnehin schon, beim Scheitan und Sarrazin, davon wollen wir mehr! Mehr! Mehr! MK am 31. 1. 2016






Mir ist heute zum ersten Mal bewusst geworden, dass Mozarts Geburtstag und die Befreiung von Auschwitz auf dasselbe Datum fallen; damit könnte der Hoffnung doch ein symbolischer Termin eingeräumt werden.

Nachtrag: Kaisers Geburtstag übrigens auch (das hätte ich als Preuße eigentlich parat haben müssen); es nimmt der Hoffnung kein Ende. MK am 27. 1. im Jahre 1043 nach Otto dem Großen

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