Stationen

Montag, 29. Februar 2016

Heute Show

Sonntag, 28. Februar 2016

Die Besichtigung des Schlachtfelds

Alice Schwarzer wird klug

24. Februar 2015 – So viele Kippfiguren dieser Tage! Heute flattert die Emma ins Haus. Alice Schwarzer warnt natürlich seit Urzeiten vor dem islamischen Menschenimport, aber nach „Silvester, Köln, Domplatte“ lavierte sie ordentlich hin und her (“Rechtsfeminismus“ wäre schon ein hartes Stigma!), aktualisierte ihre Stellungnahmen teilweise im Stundentakt.
Die aktuelle Emma nun findet deutliche Worte: „Sexuelle Gewalt ist eine traditionelle Kriegswaffe, und die Islamisten haben dem Westen den Krieg erklärt“; „die Silvesternacht hat die Omertà gebrochen“; „Im Lichte dieser unbarmherzigen Realitäten erweist sich der linke, akademische Kulturrelativismus als elitär, ja reaktionär“; Schwarzer spricht von „blinder Fremdenliebe“.

In einem anderen Artikeln erzählt eine Frau, daß sie als „Rassistin“ bezeichnet wurde, als sie von ihrem Silvester-Alptraum erzählte: „Wenn mir Männer begegnen, die arabisch aussehen, wechsele ich jetzt die Straßenseite“.
Weitere Artikelüberschriften: „Islam-Kitas im roten Wien“ (nämlich 150 an der Zahl!) sowie „Die Linke hat uns Frauen verraten“. Auszug:
„Wenn sich große Teile der Linken und viele Feministinnen weiter an die Theorie halten, dass die Verteidigung der Migranten gegen die westliche kapitalistische Rechte Vorrang hat vor allem anderen, dann begehen sie einen verhängnisvollen Irrtum, für den sie sich vor der Geschichte werden verantworten müssen.“ Ellen Kositza am 24. 2. 2016

Renaissancemenschen

Durch einen Zufall las ich, dass der US-amerikanische Völkerrechtler und Historiker Alfred-Maurice de Zayas, hierzulande vor allem bekannt wegen seiner Studien zur Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, die erste Übertragung von Rilkes Gedichtband "Larenopfer" ins Englische veröffentlicht hat, außerdem Gedichte von Rilke, Hesse und Eichendorff ins Englische, Französische und Spanische übersetzt habe und selber Gedichte schreibe. Wie schön! Der Ägyptologe Jan Assmann erzählte mir einmal, dass er sich am Cembalo versuche, der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat (zusammen mit seiner Frau) ein Lexikon der Renaissance veröffentlich; die Beispiele ließen sich fortsetzen. Das erinnert an die kulturfomme Ära des Bildungsbürgertums, als noch nahezu jeder Arzt oder Professor für Naturwissenschaften Noten lesen konnte, daheim ein Instrument spielte, private Forschungen trieb, womöglich Kurzgeschichten verfasste und die Klassiker täglich in Griffweite hatte (vom Physiker Helmholtz wird berichtet, er sei verspätet zu seiner eigenen Hochzeit erschienen, weil er "im Goethe gelesen" habe). Man nahm damals Schillers Wort vom "Bruchstückmenschen" – neudeutsch Fachidiot – kollektiv ernst und versuchte, sich durch das Streben in andere Sphären zu vervollkommnen und sein Dasein so zu veredeln. Tempi passati? Nun, das muss jeder jeden Tag und für sich ganz allein entscheiden. MK am 28. 2. 2016


Die Beispiele ließen sich fortsetzen?? In Deutschland??? Michael Kunze, Eckhart von Hirschhauseb und Leute wie Fred Breinersdorfer (von Michael Kunze als "Starautor" bezeichnet) sind in Deutschland doch schon das höchste der Gefühle.

Deutschland ist das Land, wo geniale Talente wie David Garrett dazu gezwungen sind, unsäglichen Quatsch zu machen, um Bodenhaftung genießen zu können. Deutschland ist ein krankes, wahrscheinlich nicht mehr heilbares Land. Land der Leistungssportler und Fachidioten.



Paolo Conte ist eigentlich Rechtsanwalt, aber ein großer Chansonnier, der Rockmusiker Edoardo Bennato ist eigentlich Architekt, der Chansonnier Enzo Jannacci war nebenbei Herzchirurg (nein, nicht irgendein Herzchirurg, dem man sich ungern anvertrauen würde, sondern einer aus Christiaan Barnards Equipe), der Chansonnier Enrico Giaretta ist Pilot der Luftwaffe, Renato Dulbecco moderierte einmal das Festival von Sanremo, ist aber eigentlich Physiologe (und Nobelpreisträger), der Schauspieler Giuseppe Zeno hat eigentlich ein Kapitänspatent der Handelsmarine, Manfredo Fanfani ist eigentlich Leiter eines Instituts für medizinische Untersuchungen, betreibt aber nebenbei auch kulturhistorische Studien über den Gebrauch der Gabel und andere Ernährungsgewohnheiten und deren Spuren in der Malerei im Verlauf der Jahrhunderte. Im Gegensatz zu Wagner war Verdi nebenbei auch Bauer (Pferdezucht, Pappelholzproduktion, Weinanbau...) und gründete ein Altersheim für arme Musiker. Auch der Fußballer Andrea Pirlo produziert jetzt Wein. Ein bekannter von mir ist eigentlich Urologe, arbeitet aber mittlerweile als Hausarzt. Bevor er um 9:00 seine Praxis betritt, arbeitet er jeden Tag mehrere Stunden im eigenen Weinberg. Mein eigener Schwiegervater hatte ein Lebensmittelgeschäft und verbrachte ebenfalls jede freie Minute mit den eigenen Reben.

Brandenburg

Ehrenamt

Schirmherr

Unterschied


Kiyaks Jünger

Kiyaks Deutschstunde

Kiyaks Komplizen

Samstag, 27. Februar 2016

Unsere Wurzeln

Segimundus wird nicht in Regensburg ausgestellt. Dem Himmel sei Dank.

Ludwig I. war ein derartiger Spinner, dass einem Ludwig II. vergleichsweise wie ein Gott vorkommt.

Freitag, 26. Februar 2016

Wilde Xenie



Wen beeindrucken eigentlich die Reaktionen nach Clausnitz? Das ritualisierte, taktvolle Gestammel in 140 Zeichen, hinausgesendet mit einer Raute und einem Stichwort? Wer lässt sich erschüttern von dem, was SPD-Mitglied Stegner, Justizminister Maas, Grünen-Chefin Peter oder wer auch immer findet, wie die rechtsextremen Ereignisse in Clausnitz und anderswo – Ähnliches geschieht täglich bis zu fünfzig Mal in Deutschland – eingeordnet werden? Welche Rolle spielt es noch, ob Innenminister de Maizière dieses oder jenes zu sagen hat? Welche Rolle spielt es, was Regierungssprecher Seibert im Namen der Kanzlerin verkündet?

 Was soll man groß kommentieren, wenn deutsche Polizisten einen Flüchtlingsbus stürmen, weil es draußen eine unzivilisierte Horde entfesselter Bürger so fordert? Was soll man sagen, wenn deutsche Polizeipräsidenten seit dem Aufdecken des NSU keine andere Bewegung als die der moralischen Abwehr kennen? Es ist alles so altbekannt und runtergenudelt, wie es runtergenudelter nicht mehr sein kann. Das ist der zur Genüge bekannte Blues der Bundesrepublik. So soll es heute also um Reaktionen gehen, die angesichts rechter Straftaten im Wesentlichen so lauten:

#SchandeEntsetzenSchamRufnachAufklärungErmittlunginalleRichtungen
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 An wen sind solche Ausrufe eigentlich gerichtet? An die Opfer? Dann müssten die Solidaritätsbekundungen auf Arabisch oder Kurdisch oder irgendeiner anderen Sprache der Flüchtlinge gesendet werden. Das wäre doch einmal etwas Sensationelles. Dass sich Steffen Seibert auf Arabisch an die Bürger von morgen wendet und seine Scham angesichts der Ereignisse formuliert. Oder wenn Familienministerin Manuela Schwesig sofort in die Asylbewerbereinrichtungen fahren würde, um sich um die traumatisierten Kinder zu kümmern. So aber bleibt alles herz- und lieblos zwischen zwei Fraktionssitzungen hinausgetwittert in die deutschsprachige Welt, kurz vor den Wahlen. Nachrichten, die keine Wahlkampfstrategien zerstören.
 Ein Vorgeschmack auf die härtere Gangart

 Wie gern würde man angesichts brennender Asylunterkünfte mal einen O-Ton von Thilo Sarrazin hören, der doch dem Salonrassismus in Deutschland den Boden bereitet hat. Oder von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel. Oder Hans-Werner Sinn. Oder Botho Strauß, Safranski, Sloterdijk, alles Herrschaften, denen das finanziell, politisch, kulturell, demographisch alles zu viel wird mit den Flüchtlingen. Wieso geht keiner raus und klingelt bei Heinz Buschkowsky, und fragt, was er angesichts der brennenden Heime empfindet? Wieso klingelt keiner bei Marcus Pretzell, dem NRW-Chef der AfD, der die Idee der Schüsse auf Flüchtlinge an Grenzen erfunden hat? Warum fragt niemand, was er fühlt angesichts von Würgegriffen an minderjährigen Kriegskindern? Das wären Reaktionen, die man gern erführe.

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 Nun, da wir gesehen haben, wie bewaffnete Sicherheitskräfte auf unbewaffnete Zivilisten stoßen, haben wir einen kleinen Vorgeschmack auf das, womit 29 Prozent der deutschen Bevölkerung einverstanden wären. Nämlich eine härtere Gangart gegenüber den Ärmsten der Armen einzulegen. Diejenigen, die sich uns anvertrauen in der Stunde ihrer größten Not, sollen auf bewaffnetes und robust auftretendes Personal treffen. Und dann kommt eben so etwas dabei heraus wie in Clausnitz: ängstliche, weinende Menschen, denen man ohne jede Not Schaden zufügte – und das in einer Demokratie in Friedenszeiten!
 Kundgebungen vor Flüchtlingsunterkünften verbieten

 In einem solchen Stadium reicht es längst nicht mehr, als politisches Maximum Aufklärung zu versprechen. Was will man denn noch aufklären? Wir haben jeden Tag so viel rechtsradikale Kriminalität und untergetauchte bewaffnete Nazis, wir haben es mit Feuerwehrmännern zu tun, die Brände legen, mit Diskussionsrunden, in denen wie selbstverständlich immer Rechtsextreme zu Wort kommen, wenn es um Flüchtlingspolitik geht – ehrlich, es hat die Grenze des Lächerlichen schon längst überschritten. Man kann gegen Rechte, die seit Jahren Terror ausüben, nicht labern, schreiben und argumentieren, man muss Politik und Gesellschaft gestalten! Wenn es sein muss, mit Notstandsgesetzen gegenüber einem enthemmten und entfesselten Mob. Man muss Kundgebungen vor Asyleinrichtungen und Asylbewerbern verbieten. Telefone von Pegida-Demonstranten und anderen rechtsradikalen Vereinigungen müssen abgehört werden. Vor jede Asylunterkunft gehören Polizisten, die zum Schutz der Flüchtlinge potenzielle Straftäter abschrecken.

 Wir brauchen sofort Gesetze, die es jedem Flüchtling in Deutschland ermöglichen, sich frei zu bewegen. Sie sollen mit einem Kontingent an Fahrkarten, Taxigutscheinen, SIM-Karten und Internetguthaben ausgestattet werden. Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie gefangen sind, und sie sollen nicht das Gefühl bekommen, dass man sie unbestraft jagen kann. Das alles kostet nicht viel Geld und wäre eine Geste tausendmal praktischer und lebensnaher als jeder zügig formulierte Tweet aus einem bequemen, überheizten Büro.
Politiker sollten aufhören mit der lächerlichen Twitterei

 Es würde auch Teilen der Bevölkerung guttun, zu sehen, dass es Politiker gibt, die es riskieren, angesichts anstehender Landtagswahlen felsenfest an der Seite der Flüchtlinge zu stehen. Es reicht nicht, um Anstand zu betteln. Man muss ihn glaubhaft vorleben. Wer gestern noch mit besorgten Bürgern Schnittchen aß und sich ihren aggressiven Fremdenhass zur berechtigten Abstiegsangst zurechtbog, dem glaubt doch heute kein normal gebildeter Bürger, dass es ihn auch nur im Ansatz stört, dass das gesellschaftliche Klima täglich von Dutzenden Anschlägen destabilisiert wird.

 Warum können wir in Deutschland nicht ein einziges Mal Ausländer beherbergen und uns wie Menschen benehmen? Warum wird dieser ganze politische Dreck jedes Mal wieder aufs Neue veranstaltet? Wie sehr sehnt man sich nach einem Roland Koch und seiner Unterschriftenaktion zur Staatsbürgerschaftsreform zurück. Man dachte damals wirklich, damit sei der Zenith der Geschmacklosigkeit erreicht. Wie naiv man doch ist.
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 Wer glaubt denn einem sächsischen Innenminister oder einem Bundesinnenminister, der noch vor kurzer Zeit gegen Flüchtlinge Stimmung machte und Rassisten in Schutz nahm, dass er sich jetzt schämt? Wer sich wirklich schämt, der hätte nie im Leben zugelassen, dass sämtliche Eliten unseres Staates nach dem Aufdecken des NSU ausnahmslos Karriere machten. Und jetzt sind diese rechten Netzwerke, die in Legislative, Judikative und Exekutive des Landes sitzen und Dutzende Untersuchungsausschüsse seit Jahren beschäftigen, dieselben Personen, die sich gestört fühlen sollen vom Rassismus, von gewalttätigen Nazis, von zündelnden Bürgern? Lächerlich!
 Was, wenn die integrierten Muslime aufbegehren?

 Wie sollen Minderheiten in diesem Land jemals Solidarität mit diesem Staat entwickeln, wenn sie seit Jahrzehnten sehen, dass Rassismus, dieser riesige, blinde, schamvolle Fleck irrsinnige Gräben quer durch die Bevölkerung reißt? Wie sollen die Kinder der Einwanderer jemals Respekt vor der Polizei haben, wenn sie Bilder wie die aus Clausnitz sehen? Wie soll das gehen?

 Wie soll das gehen, dass die Demokratie für Pegida und AfD hochgehalten wird, dass man deren Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit bis aufs letzte Streichholz verteidigt, aber diejenigen, die sich den Opfern nahe fühlen, die Muslime, die ehemaligen türkischen Gastarbeiter und andere Minderheiten auch nach Jahrzehnten kein Wahlrecht haben, um an den Urnen in Baden-Württemberg und anderswo gegen das rechtspopulistische Geschwätz von Julia Klöckner oder Boris Palmer zu opponieren? Man stelle sich vor, dass Millionen türkischer Gastarbeiter mit Mistgabeln aufbegehren würden und mit Gewalt, unter Anzünden von Parteibüros und anderer krimineller Delikte das Wahlrecht fordern. Dass sie mit gerolltem R "Wir sind das Volk" schreien. Welcher Politiker würde mit ihnen Schnittchen essen und ihre Sorgen ernst nehmen? Wer würde an ihrer Seite für Demokratie und Gleichberechtigung kämpfen? Es sind diese deutschen Doppelstandards, die einem gehörig auf die Nerven gehen.
 Deutschland leert sich aus

 Jeder Tweet, den ein Politiker mit Mandat absetzt, jede weitere Beileidsbekundung und jedes zur Floskel verkommene Entsetzen, das angesichts steigender Opferzahlen von rechtsmotivierten Straftaten zur Schau gestellt wird, ist eine Provokation. Immer häufiger hört man in den Communitys, dass sich die Leute Jobs im Ausland suchen. Deutschland leert sich schleichend aus. Es gab Jahre, da haben mehr Menschen mit Migrationshintergrund das Land verlassen, als eingereist sind. Da hat nie jemand gefragt: "Warum geht ihr?" Sie sind auch gegangen, weil sie Angst vor rechten Tendenzen hatten.

 Ja, es gibt noch eine weitere Gruppe besorgter Bürger in diesem Land. Aber sie haben keine Bürgerrechte, sie haben keine Parteien, die um ihre Stimmen kämpfen. Und ihre Kinder, oftmals aufsteigende Mittelschicht, entfernen sich innerlich aus diesem System. Es wird sehr gefährlich, wenn die gut situierte Einwandererschicht nicht mehr mitmachen will. Sie ist derzeit der Kitt der Gesellschaft. Und sie hält erstaunlich still angesichts einer immensen rechten Bedrohung und täglichen demütigenden Berichterstattung über ihre Kultur und Lebensweisen. Man sollte dieses Milieu nicht aus den Augen verlieren. Politiker sollten in ihre Ansprachen auch diese Schicht einbeziehen und aufhören mit der armseligen Twitterei.

Viele Kommentare wurden gelöscht

Zahlen & Zeugung


 Flüchtlinge sind Frauen, Kinder und Greise (zumindest im 2. Weltkrieg war das so: meine Mutter, ihre Kinder und ihre Eltern; mein Vater war Soldat).

Junge Männer ohne Familienbegleitung sind: .......

Mittwoch, 24. Februar 2016

1979

Italiens Staatspräsident Sandro Pertini, für seine charakterfeste Gradlinigkeit gerühmt, blieb sich auch beim Staatsbesuch in Bonn treu. Der italienische Sozialist, einst antifaschistischer Widerstandskämpfer, mochte nicht in Anwesenheit des früheren NSDAP-Mitgliedes Karl Carstens seines 1945 im bayrischen Konzentrationslager Flossenbürg erschossenen Bruders Eugenio gedenken.
Dabei hatte der Bundespräsident besonders guten Willen zeigen wollen und seine Begleitung angeboten. Er sei bereit, so ließ Carstens die Italiener wissen, sich für Pertini über das Bonner Protokoll hinwegzusetzen. Denn nach Bonner Etikette ist es unüblich, daß der Präsident mitreist, wenn ein Staatsgast Abstecher in die Bundesländer macht.
Pertini winkte ab. Seine Abneigung gegen die Carstens-Begleitung begründete der Staatsgast aus Rom am Tag seiner Ankunft sogar öffentlich. "Nach Flossenbürg gehe ich privat", sagte er in einem Interview, das die "Welt" am vergangenen Dienstag druckte: "Ich möchte nicht den Bundespräsidenten in eine peinliche Lage bringen, wenn er mich dorthin begleiten müßte."
Der Hieb mußte um so schärfer schmerzen, als der Italiener sich im selben Atemzug mit einer Begleitung durch Bayerns Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, einen Unionspolitiker ohne NS-Vergangenheit, einverstanden erklärte. "Strauß ... hat mich wissen lassen, daß er an meiner Seite sein möchte, und ich weiß das sehr zu schätzen." SPIEGEL




Diese Episode wurde mir 1980 von einem "aufgeklärten", linken, in Italien lebenden Bayern ganz anders erzählt: Pertini habe sich gegen Strauss als Begleiter verwahrt, ein einstiger Widerstandskämpfer könne nicht Seite an Seite mit einem Nazi ein ehemaliges KZ besuchen, es gebe schließlich für alles eine Grenze.

Ein typisches Beispiel für die wichtigtuerische Selbstbesudelung in Deutschland, wobei in diesem Fall noch die Überheblichkeit des bayerischen Linken hinzukam, der meinte, es als aufgeklärter Bayer nötig zu haben, sich von FJS im besonderen und von der bayerischen Dumpfheit im allgemeinen distanzieren zu müssen. Und gerade dadurch ein besonders dumpfes Beispiel würdeloser Heuchelei und bekennerischer Politmoral gab.

Damals war der sich durch wichtigtuerische Selbstbesudelung auszeichnende Menschentyp noch die Ausnahme. Heute kann man sich nicht vor ihm retten.



Know Italy

Sardinien

Afrika

Adel

Inseln

Feste

etc.

Klug, skeptisch, ehrfürchtig, lebendig



Giacomo Leopardi



D'in su la vetta della torre antica,
Passero solitario, alla campagna
Cantando vai finchè non more il giorno;
Ed erra l'armonia per questa valle.

Primavera dintorno
Brilla nell'aria, e per li campi esulta,
Sì ch'a mirarla intenerisce il core.
Odi greggi belar, muggire armenti;
Gli altri augelli contenti, a gara insieme
Per lo libero ciel fan mille giri,
Pur festeggiando il lor tempo migliore:
Tu pensoso in disparte il tutto miri;
Non compagni, non voli
Non ti cal d'allegria, schivi gli spassi;
Canti, e così trapassi
Dell'anno e di tua vita il più bel fiore.

Oimè, quanto somiglia
Al tuo costume il mio! Sollazzo e riso,
Della novella età dolce famiglia,
E te german di giovinezza, amore,
Sospiro acerbo de' provetti giorni,
Non curo, io non so come; anzi da loro
Quasi fuggo lontano;

Quasi romito, e strano
Al mio loco natio,
Passo del viver mio la primavera.
Questo giorno ch'omai cede alla sera,
Festeggiar si costuma al nostro borgo.
Odi per lo sereno un suon di squilla,
Odi spesso un tonar di ferree canne,
Che rimbomba lontan di villa in villa.

Tutta vestita a festa
La gioventù del loco
Lascia le case, e per le vie si spande;
E mira ed è mirata, e in cor s'allegra.
Io solitario in questa
Rimota parte alla campagna uscendo,
Ogni diletto e gioco
Indugio in altro tempo: e intanto il guardo
Steso nell'aria aprica
Mi fere il Sol che tra lontani monti,
Dopo il giorno sereno,
Cadendo si dilegua, e par che dica
Che la beata gioventù vien meno.

Tu, solingo augellin, venuto a sera
Del viver che daranno a te le stelle,
Certo del tuo costume
Non ti dorrai; che di natura è frutto
Ogni vostra vaghezza.

A me, se di vecchiezza
La detestata soglia
Evitar non impetro,
Quando muti questi occhi all'altrui core,
E lor fia vóto il mondo, e il dì futuro
Del dì presente più noioso e tetro,
Che parrà di tal voglia?
Che di quest'anni miei? che di me stesso?
Ahi pentirornmi, e spesso,
Ma sconsolato, volgerommi indietro.


Dienstag, 23. Februar 2016

Clausnitz

"Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgültig diesem einen gegenüber, daß Clausnitz nicht sich wiederhole." Th. Wiesengrund A.


Philosophisches Prinzip


Zeugen - so räumen Gerichte ein -
müssen nicht zeugungsfähig sein.

Ein Narr selbst nichts zu sagen wagt,
nur weils ein Nazi schon gesagt.






Zu Heines Entzauberung:


Die Nachtigall fragt sich bescheiden,
Was will der Heinrich nur von mir?
Er könnt mich doch glatt beneiden,
Mich hoch gesangsbegabtes Tier.

Bemängle ich, was er verrichtet?
Dass er zum Beispiel dünkt und singt
Im gleichen Vers zusammendichtet,
Was bestenfalls nur ähnlich klingt?

Kann er sich so etwas erlauben?
Was maßt sich dieser gute Mann -
Es ist doch wirklich kaum zu glauben -
Uns Vöglein gegenüber an?

So schön manch' Heine-Texte klingen -
Selbst wenn sie mich ergreifen -
Von ihm mag ich kein Lied mehr singen.
Ich werd' ihm etwas pfeifen!




Wie so oft dreht der SPIEGEL auch diesmal seinen politischen Gegnern das Wort im Mund herum. Natürlich ist es Frauke Petry peinlich, wenn in Sachsen die islamkritische Stimmung in fremdenfeindliche Feindseligkeiten mündet. Und erst recht, wenn in der feindseligen Menge AfD-Mitglieder beteiligt sind. Und umso mehr wenn sich herausstellt, dass diese sogar eine leitende Funktion dabei ausüben. Am peinlichsten wäre ihr als Vertreterin Sachsens selbstverständlich, wenn es zu Gewalttaten käme.
Was Petry grundsätzlich dazu erklärt hat, entsprach aber nicht der Sachlage: der Unschuldsvermutung, die Petry expressis verbis geltend machte, entsprach am Ende Unschuld. Die Hyänen vom SPIEGEL versuchen dies nun wettzumachen, indem sie sich am fehlenden Konjunktiv in Petrys Erklärungen festbeißen. Clausnitz ist ein ernstzunehmendes Symptom des Unbehagens. Auch hier hat Frauke Petry recht. Volker Beck möchte Symptome dieser Art natürlich gewaltsam unterbinden, verbieten, wegsperren. Endlich einmal am langen Hebel sitzen und alles aus den Angeln heben, was man so verachtet. Ich habe es vor nunmehr fast 50 Jahren geahnt, ohne es beweisen zu können: dieser Menschenschlag ist der Inbegriff der Heuchelei und wird, einmal am Ruder, haargenau dieselbe Intoleranz an den Tag legen, die sie dem politischen Gegner immer vorwarf. Die gebetsmühlenartig wiederholte rechtfertigende, verständnisheischende marxistische Maxime, alle individuellen Fehltritte seien "von der Gesellschaft hervorgebracht", wird dann plötzlich wie weggeblasen sein. Einen Vorgeschmack bekam ich, als einer meiner marxistischen Freunde, der den Mund damals besonders gerne vollnahm, wie erwartet, anlässlich eines Falles von Exorzismus in Unterfranken, ohne mit der Wimper zu zucken als Lösung genau das Zuchthaus vorschlug, das gewöhnlich als Emblem der "Knastgesellschaft" galt.




Es weht wieder Lust auf NPD-Verbot durch die deutsche Juristengarde. Man kommt in Stimmung und macht mobil um Stimmung zu machen. Es geht darum, die NPD zu kriminalisieren, um die AfD noch bequemer verleumden zu können. Man bricht einem die Knochen, um einhundert zu erziehen.

Dieser Menschenschlag hat eine untrügliche Witterung: wie süchtige Drogenhunde spüren sie, wenn Machtverlust für sie droht. Ähnlich abstoßend und unappetitlich wie die NPD ist mittlerweile tatsächlich die Umgebung des deutschen Justizministers.

Nichts gegen Mob. Aber nicht gegen die Migranten soll er sich richten, sondern gegen die Parteien, die seit Jahrzehnten blindlings "Weltoffenheit" predigen und noch blinder Gleichmacherei praktizieren.

No comment

Menschen


Auf die Finger sehen!

Nicht vergessen: in Bremen erhielt die SPD aufgrund einer Wahlfälschung einen Sitz, der der AfD zugestanden hätte. Der Wahlbetrug wurde aufgedeckt, und der CDU-Landtagsabgeordneter Hartmut Honka kommentierte dies so: „Was ist schlimmer? Schüler fälschten Wahl oder ein Sitz mehr für die AfD?“ Daraus folgt: Eine flächendeckende Wahlbeobachtung für die Landtagswahlen Mitte März ist notwendig. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass unsere alten Volksparteien ehrlich und demokratisch sind.

Montag, 22. Februar 2016

Zubin Metas Figaro


Shetty sagt

Shetty sagt, wir sollen den Flüchtlingen goldene Brücken bauen, weil sie gar nicht kommen wollen.

Shetty sagt auch, wir sollen keine Zivilisten töten.

Ihr glaubt mir nicht? Lest selbst! Vielleicht hat ihm ja jemand von der Lückenpresse das Wort im Mund rumgedreht.

Repression

Wichtel knurrt

Konvertit wartet

Hohe Pforte

Augenhöhe

Ohne Kontrolle

Lucke hat recht. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein,  dass das Parlament eine Kontrollfunktion ausübt (wenn jeder Deputierter - wie in England - vor allem seinem Wahlkreis verantwortlich wäre, würde diese Funktion gestärkt).
Dass das in Deutschland nicht der Fall ist, ist problematisch im allgemeinen. Hinzu kommt noch im besonderen, dass es zur Zeit durch die Große Koalition nicht nur keine Kontrolle gibt, sondern nicht einmal mehr eine parlamentarische Opposition (abgesehen von der Linken).

Sonntag, 21. Februar 2016

Alghero



Alghero

Summit


Chaos

Rätselhaft

Wie kommt es, dass nach 1945 in Österreich und der Schweiz dieselben Wahnideen Verbreitung gefunden haben wie in Deutschland? Dass die Österreicher gewisse Denkhindernisse und geistige Behinderungen erleiden mussten, ist noch halbwegs plausibel. Hitler war schließlich Österreicher. Aber die Eidgenossen!!? Was ist bloß in sie gefahren, dass sie Bert Brecht nicht einfach den Rücken zu gekehrt haben. Sie hatten doch Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Ludwig Hohl und Dürrenmatt. Sie nahmen viele Menschen auf, die von den Nazis verfolgt wurden. Welcher Teufel hat sie bloß geritten, diese irrsinnig konformistischen Schnapsideen mitzumachen, die sich nach 45 in Deutschland hemmungslos ausbreiteten und auf keinerlei Widerstand stießen?

Dass die Welt auch im besten Fall immer nur sehr unzulänglich ist, soll uns nicht wundern. Aber es ist erschütternd, wie zerbrechlich die Vernunft tatsächlich ist.


Beharrlich


Leipzig ist einer der ganz wenigen Orte Deutschlands, wo - ähnlich wie im Rheingau - spezifische, altbewährte Gebräuche, die für unsere gesunde nationale Erinnerung und Identität kennzeichnend und konstitutiv sind, wenigstens ein bisschen eine seit langem unveränderte architektonische Behausung haben, die nicht geschliffen wurde und noch die Möglichkeit bietet, in gemauerter Umgebung an das Erleben unserer Vorfahren anzuknüpfen und deren Anstrengungen zu würdigen und den Wunsch, diese fortzusetzen, wecken kann.

Zum Arabischen Coffe Baum

Thomanerchor

Auerbachs Keller

Schade, dass die Große Feuerkugel, wo Goethe eine Zeit lang wohnte, nicht mehr steht und das Zimmermannsche Kaffeehaus auch nicht, wo Bachs Orchestersuiten uraufgeführt wurden.

Weimer ist vergleichsweise ein totes Museum.




Jedes Land braucht Obergrenzen

Rainer Meyer


Besonnen mit Bedacht

De scriptis typis editis lacunosis

Lange genoß der Berufsstand der Journalisten nicht einen so schlechten Ruf wie heute. „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen“ – dies beschleicht so manchen Redakteur mit Blick auf kontinuierlich fallende Auflagenzahlen bei den großen Zeitungen. Die Meinungsmonopolisten von früher, sie sehen die Fundamente ihrer einst stattlichen Verlagshäuser unterspült durch das freie Spiel der Kräfte im Internet, die Infragestellung in Echtzeit in Blogs und sozialen Medien.
Der Spiegel brachte in seiner jüngsten Ausgabe eine siebenseitige Geschichte über „Die Vertrauenskrise“ der Branche. Dort kommt das Magazin der wachsenden „Forderung nach intensivem Dialog mit dem oft lästigen Leser“ (Heribert Seifert in der NZZ)  nach und läßt einen Blick in den Seelenzustand etablierter Medien zu:


Erschüttert stellen die Autoren fest, wie zerrüttet das Verhältnis zu eigenen Stammlesern ist: „Viele Deutsche mißtrauen den Medien … wie konnte es so weit kommen?“ 40 Prozent der Bürger hielten Medien in Umfragen für „unglaubwürdig“. Der Protestruf von der „Lügenpresse“ und seine Anhänger hätten „in den letzten Wochen an Stärke gewonnen“.

Zum 70. Geburtstag der Wochenzeitung Die Zeit räumt Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in einem Editorial zum Thema „Journalismus“ vorsichtig Fehleinschätzungen seines Berufsstandes ein, die häufig dann aufträten, „wenn man sich im Urteil besonders sicher wähnt“. Zweifellos. Vielleicht beschäftigt er sich einmal mit dem von der Zeit geförderten Internetportal „Netz gegen Nazis“, das mit Linksextremisten kooperiert und das Konservative, darunter die JUNGE FREIHEIT und ihre Autoren, in die Nähe von Rechtsextremisten rückt.

Der Fall des Welt-Redakteurs Günther Lachmann, der jetzt Schlagzeilen macht, wird als besonders drastischer Beleg angesehen, wie die Grenzen zwischen Journalismus und PR verwischen. Lachmann war zuständig für die AfD-Berichterstattung der Welt. Er war stets auffallend gut in Interna der Partei eingeweiht. Seine Beiträge spielten keine unwesentliche Rolle im Zuge der Eskalation des Führungsstreites und der Spaltung der Partei im Jahr 2015.

Lachmann-Texte lasen sich für einen Springer-Journalisten nicht nur gut informiert, sondern oft sogar erstaunlich AfD-freundlich. Manchmal aber auch fast wie bestellt. Für andere Beobachter war dies lange ein Rätsel. Bis in den vergangenen Wochen durch den AfD-Politiker Marcus Pretzell an die Öffentlichkeit gebrachte Details zeigten, daß sich Lachmann auf eine immer engere Zusammenarbeit mit der Partei eingelassen hatte. Aus dem professionellen Kontakt zwischen Berichterstatter und Politiker wuchs die Versuchung, PR-Beratung anzubieten, und das mutmaßliche Angebot, sich für diese Arbeit von der Partei bezahlen zu lassen.

Eine 2013 veröffentlichte Studie zu „Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption“ des Vereins „Netzwerk Recherche“ beschäftigte sich mit der Frage der Bestechlichkeit des Berufsstandes. Journalisten sollten nach dem Bild des Hollywoodfilms zur Watergate-Affäre „Die Unbestechlichen“ von 1976 eigentlich sein: „hartnäckig, überparteilich und frei von allen Vorteilen, die ihre Unabhängigkeit  beeinflussen  könnten“.  Sie sollen  „aufklären, entschieden und furchtlos“ sein, dabei „immer im Dienst ihrer Leser oder Zuschauer“.
Das sei „ein reizendes Ideal“, vermerkt die Studie sarkastisch angesichts der Fülle von Korruptionsfällen. Auch der Kodex des Deutschen Presserates schreibt Journalisten vor, mit ihrer Arbeit sei unvereinbar „die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit  (…)  zu  beeinträchtigen“.

Die JF machte am vergangenen Samstag den „Fall Lachmann“ exklusiv publik. Welt-Chefredakteur Stefan Aust erklärte daraufhin Stunden später die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Redakteur. In seiner Zeitung versichert er jetzt, für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit die Affäre „lückenlos aufzuklären“.

Die Aufregung beim Fall Lachmann ist unter Journalisten auch deshalb groß, weil ein etablierter Journalist es wagte, sich ausgerechnet der AfD anzudienen. Der Übertritt von Journalisten in Partei- oder Regierungsdienste gehört ansonsten zur Tagesordnung.

Miriam Meckel beispielsweise, heute Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, arbeitete ursprünglich für Fernsehsender, wechselte dann 2001 den Schreibtisch und wurde unter anderem Regierungssprecherin des NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, um dann später in den Journalismus zurückzuwechseln. Oder Bela Anda: Von der Bild-Zeitung zum Regierungssprecher Gerhard Schröder und zurück zu Bild. Für sich genommen nicht anstößig.

Es existiert ein gut geöltes System von Netzwerken, ja Filz, Grauzonen von Interessen, die in Befangenheit von Journalisten führen können und die einen politisch-medialen Komplex haben entstehen lassen.

In seinem Werk „Die Unbelangbaren“ beschreibt der Politikwissenschaftler Thomas Meyer als Problem für Politikjournalisten den „Spin, also den spezifischen Dreh, den sie den Dingen geben“ und „in dem sie sich verdeckt oder offen für bestimmte Personen und Anliegen einsetzen“. Hiervor ist wohl kaum ein Journalist mit politischer Leidenschaft gefeit.
Es ist richtig, daß Leser Journalisten jetzt noch kritischer auf die Finger sehen und auf unabhängige Berichterstattung pochen. Der Fall Lachmann sollte dem Berufsstand eine Lehre sein.

F 07/16

Dialogverbot

Volker Weiß hat in der Zeit einen verspäteten Kommentar zu dem Briefwechsel Götz Kubitschek – Armin Nassehi veröffentlicht. Einige der Schwächen von Nassehis Herangehensweise wurden unlängst auf der Netzseite Le Bohémien kritisiert – um einiges besser oder zumindest interessanter als Weiß, der im Grunde nichts weiter tut, als mit Begriffshülsen zu jonglieren.
Weiß‘ Kritik läuft im Kern darauf hinaus, daß Nassehi Kubitschek dabei geholfen habe, sich unrechtmäßig das Etikett des „konservativen“, „salonfähigen“ „Gesprächspartners“ umzuhängen, wobei er den Begriff des „Konservativen“ in erster Linie unter dem Gesichtspunkt seiner Tauglichkeit als Eintrittsbillet in die gültige Diskursarena abhandelt.
Sein Resümée lautet:
Kubitschek legte seine Karten von Anbeginn an offen. Ihm kam es darauf an, sich als „salonfähigen Rechtsintellektuellen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken“. Er wird im Traum nicht daran gedacht haben, Nassehi überzeugen zu können. Aber er hat es jetzt schwarz auf weiß, als „konservativer“ Gesprächspartner anerkannt zu sein. Es ist anzunehmen, dass dies sein Kalkül war.
Ich kann an dieser Stelle alle Konservativen, die immer noch daran glauben, sie müßten von irgendjemandem da draußen „anerkannt“ oder als „salonfähig“ geadelt werden, nur davor warnen, in Fallen dieser Art zu tappen. Weiß ist ein Autor, der die Rechte und den Konservatismus deutlich von links her beschreibt und kritisiert, und auch in ultralinken Organen wie publikative.org oder Jungle World publizistisch tätig war.
Er ist Vertreter eines politisch-medialen-akademischen Establishments, das naturgemäß ein großes Interesse daran hat, den Schwerpunkt der „kulturellen Hegemonie“ oder des aktuellen Overton-Windows im weit linken Teil des möglichen Spektrums festzumachen. Wie sehr dieses Establishment jeglichen Maßstab verloren hat, zeigt unter anderem das gegen die AfD gerichtete Spiegel-Cover (6/2016), das Frauke Petry und Alexander Gauland subtil im Nürnberg-Stil präsentierte. Und jeder, der ein historisches Gedächtnis hat, wird wissen, daß sich das, was in der Bundesrepublik als „salonfähiger“ Konservatismus gilt, seit Jahrzehnten stetig nach links verschoben hat. Um unumstößliche, ewige Maßstäbe kann es sich hier also wohl nicht handeln.

Was auch immer Volker Weiß an wissenschaftlichen Qualifikationen mitbringt (von der Konservativen Revolution und der Geschichte des Konservatismus scheint er deutlich mehr Ahnung zu haben als andere), er unterstützt mit seiner Arbeit eindeutig das Geschäft der Linken. Es gehört nun schon eine gewisse Unverschämtheit dazu, aus diesem Eck heraus den Konservativen erklären zu wollen, wo ihre Grenzen verlaufen sollen, wobei es hier platterdings einzig und allein darum geht, bestimmte Stimmen aus dem Diskurs zu eliminieren und zu isolieren.

Seinesgleichen fragt niemand, ob und wann er „zu links“ sei, im Gegenteil genießen linksextreme Positionen in den „Salons“ der Bundesrepublik eine ziemliche Narrenfreiheit, und sind zum Teil bis in die Politik und den Jargon der CDU eingesickert. Mitarbeiter von linken Organen wie Weiß maßen sich jedoch an, bestimmen zu wollen, was „den Rahmen des Konservativen sprengt“ oder nicht.

Die Abgrenzung zwischen „rechts“ und „konservativ“ dient heute zu nichts anderem, als den Konservativen die Zähne zu ziehen, sie zu kastrieren, harmlos und beherrschbar zu machen, sie daran zu hindern, die „falschen“ Fragen zu stellen und die „falschen“ Dinge zu thematisieren. Mit anderen Worten: sie sollen nach der linken Pfeife zu tanzen.

Und wenn man einen Konservativen in die Schranken weisen will, genügt es, ihm mit dem fast beliebig erweiterbaren „rechten Eck“ zu drohen.

Der „Rahmen des Konservativen“, der mit jedem Jahr kleiner geworden ist, ist nichts weiter als ein Laufgitter, um die nicht-linke Opposition in Schach zu halten. Er soll und muß gesprengt werden, und gerade, wer sich ernsthaft „konservativ“ schimpft, sollte das als Ehrensache betrachten.

Alle möglichen Leute beanspruchen heute für sich, darüber entscheiden zu können, wo der „wahre“ Konservatismus endet und ab wann es „haram“ wird.

Man sollte sich ansehen, was sie jeweils damit bezwecken. So mancher, der erst seit recht kurzer Zeit entdeckt hat, wie konservativ er eigentlich ist, glaubt, er müsse die langjährigen konservativen Veteranen auf ihrem ureigenen Gebiet belehren, weil er über bestimmte Themen nicht debattieren will oder um sein Ansehen bei diversen Cliquen fürchtet. Dann gibt es wieder andere, die weder von Konservatismus noch von sonst irgendeiner Sache die leiseste Ahnung haben, sich jedoch originellerweise als „konservativ“ bezeichnen, um unter diesem Deckmäntelchen besser Antifa spielen zu können.

„Konservativ“ oder „links“ sind oft nur sehr vage Selbstbezeichnungen. Es gibt kein Copyright auf Begriffe wie „links“, „liberal“ oder „konservativ“. Meistens geht es in solchen Debatten vor allem darum, zu bestimmen, wer „rein“ darf und wer nicht, wer wen reinlassen und ausgrenzen darf und wer nicht.

Aber um konkrete Inhalte, um eine Beschreibung der Wirklichkeit, um Sauberkeit in der Darstellung der Position, die man ausgrenzen will, geht es nicht.

Auch auf der Grundlage seiner eigenen Argumentation kann Weiß keine trennscharfe Linie zwischen „guten“ Konservativen und „bösen“ Rechten ziehen.

Jeder, der seinen Karlheinz Weißmann oder Armin Mohler gelesen hat, die den Konservatismus stets als Gesamtphänomen betrachteten und sich selbst ohne jeglichen Widerspruch sowohl als Konservative als auch als „Rechte“ bezeichnet haben, sollte wissen, daß man hier auch ein völlig anderes Bild zeichnen kann.

Weiß scheint von einer fixen konservativen Basis auszugehen (die er als „klassisch“ bezeichnet), die  in verschiedene unerwünschte Ränder „ausfranst“, wenn sie „mit dem eigenen Sein unter demokratischen Bedingungen unzufrieden ist“:
Mit klassischem Konservatismus haben Kubitscheks Kreise nicht mehr zu tun. Die Position dient ihnen lediglich als Sprungbrett zu politischen Sphären, in denen die Luft schnell dünn wird. Man bewegt sich zwischen den autoritären Positionen, in die der Konservatismus seit jeher ausfranst, wenn er mit dem eigenen Sein unter demokratischen Bedingungen unzufrieden ist: nationalrevolutionär, legitimistisch-monarchistisch oder gleich faschistisch.

Nun, wir haben von Weißmann und Mohler (und von Schmitt, Kondylis, Schrenck-Notzing, Kaltenbrunner, Rohrmoser, Maschke usw.) vor allem eines gelernt, daß es in diesem Sinne keinen „klassischen Konservatismus“ gibt, der außerhalb eines konkreten historischen Kontexts ewige Gültigkeit hätte.

Gerade die Frage danach, was „konserviert“ werden soll und mit welchen Mitteln, stellt sich jeder Epoche und jeder Interessengruppe von Neuem.
Und auch, was genau mit „klassischer“ Konservatismus gemeint ist, bedarf jeweils einer Erläuterung. Ich schlage etwa das „Lexikon des Konservatismus“ (Graz 1996) von Caspar Schrenck-Notzing auf, und finde zu dem besagten Schlagwort folgende Definition:
Der klassische K. (1770-1848) wandte sich gegen eine Aufklärung, die den Menschen als Schöpfer seiner Welt an die Seite des entthronten Schöpfergottes setzte und beanspruchte, im Lichte der Vernunft bestehende Mißbräuche, Gewohnheiten und Vorurteile auszumerzen. Dabei verwendete der K. ebensosehr Argumente der der Politischen Theologie („Thron und Altar“) wie der Gesellschaftslehre (Dauer, Ordnung als Voraussetzung der Freiheit, Notwendigkeit der Institutionen).
Nun, 1848 ist lange her, aber mit diesen Dingen hat der heutige Konservatismus auch trotz einer grundlegend veränderten historischen Situation in übertragener Form weiterhin „zu tun“: etwa als nach wie vor gültige Kritik an der „Machbarkeit“ linker Umerziehungs- und Egalisierungsprojekte (wozu auch die Ideologie der „diversity“ zählt) oder im Anschluß an Vordenker wie Gehlen, was die Institutionenlehre betrifft. Weiß kann hier also kaum ernsthaft sagen, daß diese Dinge in „Kubitscheks Kreisen“ keine Bedeutung mehr hätten, wie auch immer er „klassischer Konservatismus“ definieren will.

Dem „klassischen Konservatismus“ folgt nach Schrenck-Notzing die Periode des „bürgerlich-nationalen Konservatismus“ (1848-1918) und des „modernen K.“ (seit 1918) . Als moderne konservative Themen und Positionen nennt er unter anderem: „Debatten um die Wiedergewinnung der Geschichte, die Identitätsfindung der Deutschen, die Überwindung des Wohlfahrtsstaates im Neo-Konservatismus, die Postmoderne als Gegenschlag gegen Szientismus, Utopismus und Unitarismus“, oder den „Widerspruch“ gegen die „öffentliche Alleinherrschaft der ‚zweiten Aufklärung‘ mit ihren Postulaten der Veränderung, der Emanzipation, der Demokratisierung, der ‚hinterfragenden Kritik‘, der Beseitigung der Vorurteile unter Einsatz der modernen Massenmedien“. Damit haben „Kubitscheks Kreise“ definitiv etwas zu tun. Mit diesen Dingen hat auch die sogenannte „Flüchtlingskrise“ und die Kritik am Multikulturalismus zu tun.
Ich hätte an dieser Stelle noch andere Exkurse einfügen können. Dieses Beispiel sollte genügen, daß man an die Frage auch auf ganz anderen Wegen herangehen kann.

Verräterisch für Weiß‘ Absichten ist, daß er eine der ältesten rhetorischen Platten aus dem Genre überhaupt auflegt: den „Mimikry-Verdacht“ wider die Neue Rechte. Für die Behauptung, „die Position“ des „klassischen Konservatismus“ diene „ihnen lediglich als Sprungbrett zu politischen Sphären, in denen die Luft schnell dünn wird“ hat er keine wirklichen Belege.

Im Gegenteil: Die Initiativen, die von der Sezession unterstützt werden, wie Pegida, die Identitäre Bewegung, Ein Prozent oder die Verfassungsbeschwerde verfolgen weder „nationalrevolutionäre“, „legitimistisch-monarchistische“ oder „faschistische“ Ziele, noch verwenden sie darauf bezügliche Argumentationen. Im Gegenteil!

Daß die verschiedenen historischen und aktuellen Strömungen des rechten Spektrums, auch die kontroverseren und radikaleren, auf einer rechtsintellektuellen Seite anders besprochen und bewertet werden, als im linkszentrierten Diskurs üblich, sollte sich von selbst verstehen.

Aber wie üblich ist dem Rechten nicht erlaubt, was für den Linken ganz normal ist.

Weiß geht es, wie gesagt, im Grunde wohl vor allem darum, Nassehi zu schelten, weil er Kubitschek mit „Salonfähigkeit“ geadelt habe, womit gemeint ist, daß er signalisiert habe, daß man mit so einem Schurken überhaupt in einen öffentlichen Dialog treten kann. Und diese Legitimation sei auch Kubitscheks Kalkül gewesen, wofür ein Zitat aus dem Briefwechsel als Beleg dient. Es lautet im Original so:
Wenn die Süddeutsche Zeitung vor ein, zwei Wochen in einem Beitrag verlauten ließ, es gebe leider keine salonfähigen Rechtsintellektuellen in Deutschland, kommt es mir nun darauf an, den Beweis des Gegenteils ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Nassehi schreibt in seinem Buch:
Ich habe mich schwer damit getan, den Briefwechsel zu publizieren – die Sezession als von Kubitschek vorgeschlagenem Ort kam für mich nicht infrage, schlicht weil man viel zu viel hätte erklären müssen, an einem Ort zu publizieren, der in der Publizistik als nicht salonfähig gilt.
Mir scheint, daß es hier um zwei Arten von „Salonfähigkeit“ geht: Nassehi etwa hat sich vor allem um seinen guten Ruf vor seiner publizistischen peer-group gesorgt, weniger darum, und das ist das Entscheidende, ob es sich um eine gute und niveauvolle Zeitschrift handelt oder ob hier legitime Dinge verhandelt werden.

Und das ist es, was den konservativen Publizisten wichtiger sein sollte: die Frage nach der Qualität der Inhalte. Ich vermute, daß Kubitschek vor allem in diesem Sinne die „Salonfähigkeit“ der Rechtsintellektuellen unter Beweis stellen wollte: im Sinne von „Satisfaktionsfähigkeit“ und Dialogfähigkeit.


Weiß verliert dementsprechend kaum ein Wort über Kubitscheks und Nassehis konkrete Argumente, da es ihm lediglich um Etikette zu tun ist, die einen Ausschluß oder Eintritt in den Sandkasten rechtfertigen. Ich für meinen Teil bin von Nassehi nicht gerade übermäßig beeindruckt; seine Auseinandersetzung mit der Rechten erscheint mir teilweise geradezu trivial. Gerne würde ich einmal erleben, wie er sich im offenen Disput mit seinem ihm weit überlegenen Soziologen-Kollegen Manfred Kleine-Hartlage halten würde.

Unterm Strich: es sollte nicht unsere Ambition sein, von „Salons“ anerkannt zu werden, in denen der Geist der Zeit, des Spiegels, der Süddeutschen Zeitung usw. herrscht. Dann schon lieber ein Outlaw bleiben.

Wichtiger ist, daß die Konservativen verschiedener Couleur Manöver wie die von Weiß erkennen und die Definitionshoheit über sich selbst nicht in die Hände ihrer Gegner geben, mögen sie noch so sehr in der trügerischen Maske einer vermeintlichen „Mitte“ auftreten. Schon gar nicht sollten wir es uns gefallen lassen, uns von diversen Torwächtern vorschreiben zu lassen, was „konservativ“ sei und was nicht. Argumentationsmaterial gibt es zuhauf – einige der wichtigsten Autoren habe ich oben bereits genannt.


Zum Abschluß, um die Dinge noch ein bißchen zu verkomplizieren, ein Beispiel, auf welche Weise man aus konservativer Sicht über die Frage Konservativ vs. Rechts debattieren kann. 1997 sagte Günter Rohrmoser in einem Interview mit der Jungen Freiheit:
Wie müßte sich demgegenüber eine systemimmanente Rechtspartei gegenüber dem Liberalismus bzw. gegenüber einem klassischen Nationalismus oder Chauvinismus abgrenzen?
Rohrmoser: Ihre Frage läuft im Grunde genommen auf die Abgrenzung von rechts und konservativ hinaus. In Deutschland findet eine faktische Gleichsetzung und die daraus resultierende Gleichbehandlung von konservativ mit rechts bis faschistisch statt. Jemand, der eine normale, patriotische Regung zum Ausdruck bringt, gerät damit bereits unter Faschismusverdacht. Schon wenn er einige der konservativen Topoi, die in anderen Ländern als völlig normal gelten, vielleicht etwas selbstbewußt artikuliert, dann wird sofort mit der Faschismuskeule auf ihn eingeschlagen. Wenn man nach den Gründen hierfür sucht, wird man sie in der Art und Weise finden, wie wir geglaubt haben, die Vergangenheit bewältigen zu können.Die Grundthese lautet dabei, daß die Konservativen der Herrschaft des Nationalsozialismus und damit dem Untergang Deutschlands den Weg bereitet haben. Um eine Wiederkehr gleich schrecklicher Dinge zu verhindern, müßte daher jede nicht nur allgemein, sondern auch politisch gemeinte Regung oder Artikulation konservativen Gedankens im Keime erstickt werden.
Hatten die Konservativen in der Weimarer Republik nicht doch einen beachtlichen Anteil an der Genese des Nationalsozialismus?
Rohrmoser: Es stellt sich die Frage, ob die Konservativen der zwanziger Jahre in diesem Sinne überhaupt alle konservativ gewesen sind. Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem national-revolutionären Gedanken eines Ernst Jünger damals und der Position, die etwa Carl Schmitt vertreten hat. Carl Schmitt wird heute ganz selbstverständlich den konservativen Revolutionären zugerechnet, was mir völlig unbegründet und unberechtigt zu sein scheint. Seine Position ist vielmehr eine letztlich aus christlich konservativer Herkunft entwickelte Form des Konservativismus. Schmitt ist politisch ein Etatist gewesen und bis 1933 immer um die Rettung von Weimar bemüht gewesen. Gerade am Beispiel Carl Schmitts läßt sich aber auch zeigen, daß unsere gegenwärtige Lage eine andere ist und daß man die Modelle der Weimarer Republik nicht auf unsere Situation übertragen kann.
Was heißt das konkret?
Rohrmoser: Zunächst muß man feststellen, daß der Konservativismus als Ideologie dem Verschleiß genauso unterworfen ist wie etwa der Sozialismus oder der Nationalismus. Alle auf dem Boden der Französischen Revolution unter Zugrundelegung der Aufklärungsphilosophie entstandenen ideologischen Formationen, wie auch die Reaktionen auf sie, zu denen in seiner letzten historischen greifbaren Erscheinungsform auch der Konservativismus der Weimarer Republik gehört, halte ich für geschichtlich erledigt. D.h. wenn wir Konservativismus heute neu bestimmen wollen, müssen wir auch das Verhältnis zwischen konservativ und rechts neu bestimmen. In der gegenwärtigen Diskussion bedeutet rechts nichts anderes als jede Position, die im Kern aus den Traditionen des Nationalismus entwickelt an dem Gedanken der nationalen Selbstbehauptung, der nationalen Selbständigkeit und an einem gewissen unverzichtbaren Maß an Souveränität festhält. Martin Lichtmesz




Kulturgeschichte des Essens

2016 - Geschichte zum Anfassen

Dehms kriminelle Energie

Seehofers Saat

Flotte Architektur

Oppermanns Auftrag und Bürde

Merkels Saat


Mit Das Wetter in geschlossenen Räumen läuft derzeit ein nachgerade genialer Film in deutschen Kinos. Wundert es mich, daß er nicht breit diskutiert wird?

Schaue ich mir den Frühlingsbuchmarkt an (Flüchtlingskrise? Wo?), dann kaum, und dennoch: Daß dieser Streifen ein wenig untergegangen ist, verwundert:

Er nimmt die Flüchtlingskrise, besser: die große Inszenierung derselben sowie westliche Dekadenz und das große Geschäft mit den Refugees mit höchstem Aktualitätsbezug auf’s Korn. Und wie! Dieser Film mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle ist messerscharf.

Dorothea Nagel (eben: Furtwängler; ich mochte sie vorher nie besonders und fand sie überschätzt: eine Fehlmeinung!) arbeitet als PR-Frau und Fundraiserin für die UNHCR, also das große Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Sie befindet sich in einem arabischen Land im Kriegszustand, bewohnt eine großzügige Hotelsuite. Sie ist eine knallharte, toughe Karrierefrau allererster Güte.

Frau Nagel weiß, wie man machtvoll kommuniziert, wie man wann wie lächelt, wie Kontakte geknüpft werden. Spricht fließend englisch, französisch, italienisch. Sie ist wahnsinnig cool. Wie geschmackvoll sie sich kleidet! Und allein der Aufwand für die Frisur! Ihr besonderes Augenmerk gilt dem Engagement für unterdrückte Mädchen, und als erfahrene Kommunikatorin weiß sie all jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die „Mädchenbildung“ im Angesicht des Kriegs als Luxusproblem bewerten. Die Klaviatur des feministischen Marketingsprechs beherrscht sie aus dem effeff. Frau Nagel kennt die neuralgischen Tränendrüsenpunkte.

Nun gibt es ein Problem: Für den von der UNHCR ausgelobten Wettbewerb (Preis: ein Stipendium an einer britischen Eliteuniversität) gibt es in den gigantischen Flüchtlingslagern jenes Landes keine Kandidatin. Männer, Kinder, ja, aber keine einzige junge Frau, die sich für eine akademische Karriere empfehlen würde. Für einen gewieften Vollprofi wie Frau Nagel kein Problem: Sie schickt die einzig auffindbare 17jährige nach London und weiß das vor den Fernsehkameras telegen als prestige- und geldbringende Erfolgsmaßnahme zu verkaufen.
Das Mädchen wird verschwinden, aber dies erscheint handhabbar; gelernt ist gelernt!

Privat allerdings beginnt der 46jährigen Dorothea Nagel ihr Luxusleben in der Suite zu entgleiten. Sie säuft maßlos und hält sich neuerdings einen jungen, verspielten Halbaraber (Mehmet Sözer) als Liebhaber. Der kostet. Aber an Geld mangelt es weder der Organisation noch Frau Nagel.

Irgendwann jedoch kommt ihr eine jüngere, fast ebenso supercoole Kollegin aus dem UNHCR-„Headquater“ auf die Schliche. Die, Aurelie, nimmt sich Dorothea samt ihrer großspurigen Tricksereien tüchtig zur Brust. Allerdings kommen just auf dem Höhepunkt dieser knallharten Auseinandersetzung unter auf der Gutmenschenwelle reitenden Geschäftsfrauen die Einschläge näher. Die Hotelsuite dröhnt von den Detonationen der Kriegsgeschehnisse, und Powerfrau Aurelie findet sich hilflos wimmernd in den Armen der Powerfrau Dorothea.

Der Film (als Drehbuchberater fungierte der Ende 2015 verstorbene Harun Farocki, Regisseurin ist Isabell Stever) hat deutliche Anklänge an Jonas Lüschers großartige Novelle Frühling der Barbaren (2013; Sezession 59) und überdeutliche an den Kinofilm Zeit der Kannibalen (2014). Der ältere Film Schlafkrankheit (2011, das ambivalente Thema Entwicklungsarbeit mit schneidender Schärfe thematisierend) wäre am Rande als Vorbild zu erwähnen.

Hier nun, im Wetter in geschlossenen Räumen, bleibt wahrlich kein Auge trocken, das hier ist Zivilisationskritik reinsten Wassers. Überambitionierte Karrierefrauen und ihre Krisen, Flüchtlingsbusiness, Lückenpresse, das Wirken transnationaler Großnetzwerke: Hier wird nicht geschont.

„Sie müssen wissen: Mit dem Flüchtlingsgeschäft läuft es wie an der Börse: Es wird gepokert!“ Daß ein solch knallharter Film die üblichen Fördertöpfe passiert hat: Das verwundert dann schon. Die letzte Szene des Films zeigt eine derangierte Dorothea Nagel, eingewickelt in eine Wolldecke mit der Logo & Aufschrift des Flüchtlingshilfswerks. Ellen Kositza

Samstag, 20. Februar 2016

Zurück zum Rechtsstaat



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Gestorben



Ohne Umberto Ecos kluge Kommentare hätte ich die 80-er Jahre in Italien nicht ausgehalten. Sein Tod tut weh. Wie der Verlust eines engen Freundes oder lieben Bruders. Ich bin ihm nie persönlich begegnet, obwohl wir gemeinsame Bekannte hatten. Dass seine Schriften - insbesondere "Sette anni di desiderio" und La bustina di Minerva" - bleiben werden, ist ein Trost, den ich bisher noch nicht empfunden hatte. Nicht einmal bei Ernst Jünger. Es liegt daran, dass die Aktualität eben auch ihr Gewicht und ihre raison d'etre hat und mich mit Eco mehr Zeitgenossenschaft und direkte Verwurzelung im prallen Leben verbindet, während Jünger der Seelen- und Augenverwandte war, der mir die Zeiten vor meiner Geburt glaubwürdig erschloss. Es liegt auch daran, dass Jünger die 100 heiter und erfüllt bei klarem Verstand erreicht hat und sein Tod bejaht werden konnte, ohne ein Gefühl des Bedauerns und der Versäumnis zu hinterlassen. Eco hätte ich gerne noch gesund uralt werden sehen.

Umberto Eco und Ernst Jünger. Mit beiden verbindet mich der tragische Optimismus.

Übrigens hat Umberto Eco nie die Roten Brigaden dämonisiert. Er ging in vielen Essays sorgfältig auf deren Argumente ein, um sie zu widerlegen. Die deutschsprachigen Intellektuellen hätten sich ein Beispiel an ihm nehmen können, als es darum ging, der RAF Wind aus den Segeln zu nehmen (statt dessen hat heute ein Christian Klar, der nie seiner Vergangenheit abgeschworen hat, Zugang zum Deutschen Bundestag) und sie könnten sich heute ein Beispiel an ihm nehmen, statt gegen Kubitschek zu hetzen.

Ecos Schwäche bestand darin, Erich Fromms Faschismustheorie 1:1 übernommen zu haben und sich zusammen mit Furio Colombo und Claudio Magris an einer Anti-Berlusconi-Kampagne beteiligt zu haben, deren Kritik nicht nur auf dem linken Auge völlig blind ist, sondern gegenüber Berlusconi nie die Sorgfalt hat walten lassen, die Eco gegenüber den Roten Brigaden immer selbstverständlich war.
Eco war ein Kind seiner Zeit: um in seiner Zeit Teil des Establishments zu werden, war es nötig links zu sein. Und sich von diesen Seilschaften zu lösen und einstige Fehleinschätzungen einzusehen, wenn ein Berlusconi die Fenster aufmacht und frische Luft hereinlässt, das schaffte auch ein Umberto Eco nicht.

Wie man eine Doktorarbeit schreibt

Identitäre Leere ringsumher bereits damals

"Bayern ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem es durch materielle Bedeutung, durch die bestimmt ausgeprägten Stammeseigentümlichkeiten und durch die Begabung seiner Herrscher gelungen ist, ein wirkliches und in sich selbst befriedigtes Nationalgefühl auszubilden." FJS


(nein, nicht FJS, sondern, ein Jahr vor Königgrätz, O.v.B. an den preußischen Gesandten in MÜ)






Diversity

Dass der Chef der Zürcher Weltwoche, Roger Köppel, neuerdings für die Schweizerische Volkspartei im Nationalrat sitzt, „schränkt seinen Denkraum weiter ein“, statuiert der Spiegel-Journalist Thomas Hüetlin. Das könnte sogar stimmen – aber warum ist diese Formulierung im Spiegel weder gebräuchlich noch denkbar, wenn es um den Denkraum eines grünen Abgeordneten ginge? Weil der vorher schon hinreichend eng war? Was den Schweizer Unruhestifter angeht, werden wir weiterhin belehrt, seine Politik sei „ressentimentgetrieben“. Kurz zuvor reiht Hüetlin eine Art Schlüsselroman eines ehemaligen Weltwoche-Mitarbeiters unter die Anklagepunkte, welcher beschreibe, wie der Chefredakteur einer Wochenzeitung "immer mehr dem rechten Denken und dem Ressentiment verfällt".  – Halten wir kurz inne: Wenn ein eher unbekannter Journalist einen bekannten Journalisten angreift, ein Angestellter einen erfolgreichen Unternehmer, ein politischer Räsonnierer einen aus dem Stand ins Parlament gewählten Politiker, und sich dabei als Besitzer einer angeblich moralischeren Weltsicht aufspielt, was ist das anderes als sortenreines Ressentiment?

Lasst uns, liebe Kinder und vereinzelte Eltern, heute also über das Ressentiment reden. Es bedarf keines empirischen Nachweises, dass mit dem Begriff in der hiesigen Öffentlichkeit nahezu ausschließlich gegen "rechts" hantiert wird, das ist eindeutig. Sogar der Verfasser dieses Diariums, gewiss einer der ressentimentfreiesten Menschen in seinem Hausgang, sah sich mit diesem Vorwurf konfrontiert, gewissermaßen summarisch, denn ein Rezensent des Deutschlandradios verwies ihn mit dem Dekret „Die Schwäche des rechten Denkens ist das Ressentiment, die Schwäche des linken Denkens die Phrase“ des diskursiven Feldes. Quod erat hinreichend demonstrandum.

 Was aber bedeutet eigentlich Ressentiment?

 Halten wir zunächst einmal fest: Der Vorwurf ist ehrenrührig. Gemeint ist eine schwelende, sinistre, enge, dumpfe Gemütsverfasstheit, die anderen Böses wünscht. Wenn wir von „ausländerfeindlichen Ressentiments“ hören, von „rassistischen Ressentiments“, von den „Ressentiments der alten weißen Männer“ oder (freilich zunehmend seltener) von „antisemitischen Ressentiments“, ist uns klar, dass jeder, den die Vorwürfe treffen könnten, aus der Gemeinschaft der Anständigen besser auszuschließen ist. Beziehungsweise er es schon selbst erledigt hat. Ressentiment scheint so etwas wie moralische Krätze zu sein.

 Eine halbwegs adäquate Übersetzung des französischen Wortes lautet "Groll", näherhin ist ein heimlicher Groll gemeint. Der Groll unterscheidet sich vom Zorn dadurch, dass er sich nicht ausagiert, sondern vor sich hin schwelt und brütet. Er nagt an dem Grollenden und verdüstert sein Leben. Etwas nagt an dem Grollenden und verdüstert sein Leben. Daraus lässt sich zunächst einmal folgern, dass dieses Etwas stark genug sein muss, den Grollenden in seiner Aversion verharren zu lassen. Das Ressentiment kann sich nicht – beziehungswiese nicht direkt – ausagieren. Ressentiment richtet sich immer nur von unten nach oben. Es ist ein Zeichen von Ohnmacht. Wer immer das Wort verwendet, sollte sich das zunächst vor Augen führen. Wer „ausländerfeindliche Ressentiments“ in sich trägt, ist gewiss kein Plantagenbesitzer, noch wohnt er in einer Villengegend.

 Aber ist der Begriff überhaupt semantisch sinnvoll zu umgrenzen? Hatte etwa Spartakus ein Ressentiment gegen Rom? Gab es unter den Männern des 20. Juli 1944 ein Ressentiment gegen Hitler? Hegten die verfolgten Juden Ressentiments gegen die Nazis? Man sieht sogleich, der Groll muss eine negative moralische Dimension bekommen, sich gegen etwas Anerkanntes, Positives richten, damit er sich im Kraftfeld des Zeitgeistes zum "Ressentiment" aufladen kann. Damit wird der Begriff aber moralisch gefasst, also relativ, und für die Beschreibung einer Gesellschaft ungefähr so ergiebig wie das ptolemäische Weltbild für jene unseres Sonnenensystems. Ein paar linke Schlaumeier haben ein eleganter als alle deutschen Entsprechungen klingendes Fremdwort gekapert und in ihren Herrschaftsdiskurs eingespeist. Der Journalist zieht verlässlich mit. Ressentiment ist folglich alles, was schwelend böse ist und dem von Fall zu Fall neu zu definierenden Menscheitsfortschritt irgendwie im Wege liegt. Aber dann könnte man doch gleich "schwelend böse" sagen oder vom dumpfen Groll sprechen? Wut ist Wut, Hass ist Hass, Geiz ist Geiz, Neid ist Neid, Groll ist Groll. Ohnmächtiger Groll ist ohnmächtiger Groll, und so fort. Was wäre das Besondere am Ressentiment?

 Um zu beschreiben, aus welchen negativen Energien sich Pöbelaufstände wie die französische Revolution oder die 68er Studentenunruhen speisten, verwendet heute kaum jemand den Terminus Ressentiment (zumal in dem Augenblick, wo es sich triumphierend durchgesetzt hat, es schon wieder keines mehr im Sinne des heimlich schwärenden Grolls wäre, sondern jenes der besiegten Gegenseite auslöste). Die Motive für die besagten Aufstände sind mit Worten wie Neid, Wut, Hass, Zorn hinreichend beschrieben. Nicht einmal wenn wir nach dem Gegenstück des Ressentiments suchen und es im Gönnen festmachen, geraten wir ins Eindeutigere, denn Gönnen ginge auch als das Gegenteil etwa des Neides oder der Missgunst durch. Man wird feststellen, dass Ressentiment kein besonders fruchtbarer Begriff ist, dessen wahllos-gezielte Verwendung in der Gegenwart sich wohl lediglich seinem Hautgout, seinem Stich ins Pejorative verdankt. Es sei denn, man vollzieht jene entscheidende Wendung, die Nietzsche ihm gab. Ein Ressentiment, das den Namen verdient, ist schöpferisch, und zwar gegen-schöpferisch. „Der Sklavenaufstand der Moral beginnt damit, daß das Ressentiment selbst schöpferisch wird und Werte gebiert: das Ressentiment solcher Wesen, denen die eigentliche Reaktion, die der Tat, versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten“, heißt der berühmte Passus in Nietzsches „Genealogie der Moral“ (1. Abhandlung, 10. Abschnitt). „Die Schwäche soll zum Verdienst umgelogen werden“, fährt der Philosoph fort (1,14). „das Sich-nicht-rächen-Können heißt Sich-nicht-rächen-Wollen“. Nietzsche verortete dieses schöpferische Ressentiment bekanntlich in der jüdisch-christlichen Tradition, in welcher eine schlaue Priesterkaste die Ohnmacht zur Tugend umdefiniert habe bzw. durchaus hat; dies soll uns hier nicht interessieren. Dass die Botschaft Christi im Kern vollkommen ressentimentfrei ist, steht für mich außer Zweifel (und auch Nietzsche hätte in diesem Fall wohl zugestimmt).

 Das Ressentiment, das diesen Namen verdient, wird also tätig, aber es attackiert nicht direkt, sondern auf Schleichwegen, es greift nicht das Überlegene und Vortreffliche an, sondern behauptet, es existiere überhaupt nichts Überlegenes und Vortreffliches beziehungsweise es sei woanders zu finden, und alles, was bislang als vortrefflich gegolten habe, sei unter moralischen Gesichtspunkten anrüchig, diskriminierend, ein bloßes Machtmittel, eine Konvention, ein "Konstrukt". Es handelt sich keineswegs um Ressentiment, wenn sich Menschen gegen eine Tyrannei erklären; ein Machtloser, der nach Macht oder „Teilhabe“ verlangt, ist ein völlig normaler Fall, warum sollte man ihn mit Resssentiment in Verbindung bringen? Ressentiment wird daraus, wenn der Machtlose behauptet, Macht sei schlecht. (Erzähle jetzt keiner vom Barfüßler Gandhi, der wusste sehr wohl, wie man Macht gebraucht.) Der Fuchs, der nicht an die Trauben kommt und beteuert, sie seien ihm viel zu sauer, befindet sich mit diesem Argument auf dem Wege ins Ressentiment, aber voll erblühte dieses erst in der Behauptung, süß sei schlecht (um ein treffendes Bild Max Schelers zu gebrauchen). Wer behauptet, er entstamme zwar keiner großen alten Familie mit Tradition, aber er könne dasselbe leisten wie jemand mit diesem erlauchten Pedigree, mag recht haben oder nicht, aber erst, wenn er sagte: Tradition ist schlecht, wertlos, diskriminierend etc., agierte er im Banne des Ressentiments.

Wenn dem so ist, dann gelangt man rasch zu der Erkenntnis, dass das Ressentiment weit eher auf seiten der (neidischen) Linken zu finden sein muss als auf jener der (geizigen) Rechten. Die Linke versucht schließlich, das Bestehende unter ständigen Legitimationsdruck zu setzen, sie attackiert unentwegt Institutionen, Traditionen, Gepflogenheiten, Konventionen und Konstanten unter dem Hinweis darauf, diese seien ungerecht, elitär, hierarchisch, patriarchalisch, rassistisch, sexistisch, nicht mehr zeitgemäß, schlössen Menschen aus etc pp. Hier gibt es nicht nur für das Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch für das Ressentiment ein unüberschaubares Betätigungsfeld. Intellektuelle Moden wie Feminismus, Multikulturalismus, Gender Studies, Poststrukturalismus sind ohne das unterschwellige Wirken von Ressentimentkräften gar nicht denkbar, wie überhaupt die geisteswissenschaftlichen Fakultäten an den Universitäten veritable Ressentimentkraftwerke bilden, in denen Benachteiligungsgefühle durch Diskursturbinen geleitet und in moralische Erpressungsenergien umgewandelt werden. Das ganze Projekt "Diversity" ist angewandtes Ressentiment, es richtet sich in Wahrheit gegen jede Distinktion, jede Art von Vornehmheit, Erlesenheit und Besonderssein. Das Ressentiment will die Herrschaft des Mittelmaßes (und vielleicht wird der Planet ja anders nicht zu retten sein als vermittels durchgesetzten Mittelmaßes), deswegen gedeiht es gemeinhin nicht bei Menschen mit einem IQ unter 100, sondern in jenen Intelligenzregionen, die von Dummheit und Genialität gleichermaßen weit entfernt sind. Einzig in historischen Ausnahmesituationen, wenn etwa Rom herrscht und der vermeintliche Erlöser am Kreuz endet, kann es vorkommen, dass sich ein Genie ins Ressentiment verirrt und die paulinische Umwertung vornimmt.

Und so lässt sich letztlich aus dem teilergiebigen Begriff wenigstens eine persönliche Lehre ziehen: Man prüfe sein Denken und Urteilen stets genau darauf, ob sich Ressentiment hineinverirrt hat. Und wenn, dann verwerfe man den gesamten Gedanken.   MK am 18. 2. 2016

Freitag, 19. Februar 2016

Progetto Ustica

Unglaublich ist die Leichtfertigkeit, mit der man sich in Deutschland mit Ungereimtheiten abfindet (einmal abgesehen von Buback junior).



In Italien ist man wachsamer. Man hat sich allerdings auch mehr bieten lassen müssen in Italien, als in dem Land, dem es vergönnt war, sich viele Jahrzehnte im Auge des Orkans zu befinden: Deutschland.

Noch immer ist nicht klar, was damals im Himmel von Ustica passierte. Nun haben die Opfer des damaligen Flugzeugunglücks ein Videogame geschaffen, dass der Erinnerung, der Anteilnahme, der Beteiligung und sogar der konzertierten Wahrheitsfindung dienen soll.

Aber was ist mit Ramstein?

2013

Arbeitsteilung



Armer Lucke, der auf einen Dummkopf wie Roth antworten muss und die perfiden Verdrehungen und Suggestivfragen von Friedmann abwehren muss.
Roth glaubt, er könne im Namen der Solidarität anderen Ländern politische Rezepte aufzwingen und Friedmann drängt Lucke hemmungslos in die Ecke der politischen Schmuddelkinder.

Wir wollen hoffen, dass Friedmann sich in Zukunft an der AfD abarbeitet und ALFA dadurch unbelästigt wichtige Themen zur Sprache bringen kann.

"Getrennt marschieren, vereint schlagen." Helmuth von Moltke der Ältere

Freiheit

Goethe in Verona


Il carattere nazionale

Großvater

Die Evangelische Kirche Deutschlands ist von allen altehrwürdigen kulturellen Einrichtungen diejenige, deren Zurechnungsfähigkeit am meisten durch die Fokussierung auf das Auschwitztrauma beeinträchtigt wurde. Der Schwund der seit Jahrhunderten bewährten kulturellen Errungenschaften wäre ohnehin weltweit enorm in der Epoche der Beschleunigung und der damit verbundenen weltweiten Entwurzelung. Aber die Fixierung auf den ethisch problematischsten Einzelaspekt geschichtlichen Erlebens in Europa führt gerade bei Institutionen, deren Existenzberechtigung (eigentlich auf spirituellen Nöten, in unserer Zeit aber leider fast ausschließlich) auf Moral fußt, zu cognitiver, spiritueller und letztlich auch moralischer Demenz.

Auschwitz ist der Großvater des Teufels.

Ausschlag


Merkels weltfremde Unverfrorenheit ist mittlerweile nicht nur peinlich, sondern gefährlich. Die Unverschämtheit, mit der sie inzwischen ins Blaue hineinschwafelt, hätte ich ihr nicht zugetraut. Aber wir werden sie nicht los!

Zunächst weil wir alle nicht wahrhaben wollen, dass diese Macherin tatsächlich kein vernünftiges Konzept hat. Und des weiteren, weil uns das blanke Entsetzen erfassen wird, sobald wir uns zu fragen genötigt finden, wer denn an ihrer Stelle regieren soll, nachdem es Merkel gelang alle sozialdemokratischen Energien an sich selbst zu binden und die eigene Partei zugrunde zu richten, alle potentiellen Alternativen zu sich selbst entweder zu vertreiben (Merz) oder zu einem Klon ihrer selbst zu machen (Altmaier).

Und so träumen wir weiter. Merkels weltfremden, konzeptlosen Traum. Merkel ist nichts anderes als eine Krankheit. Eine Krankheit der müden deutschen hornhautlosen Seele. Eine Art Hautausschlag unter der Haut. Juncker wird vermutlich recht behalten: Merkel wird alle ihre Kritiker überleben. Sie hat eine Vision und geht nicht zum Arzt.


Merkels Buchungstricks



Aktuell

2009

Terwingen im Süden

Nächtlich am Busento lispeln, bei Cosenza, dumpfe Lieder,
Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wider!
Und den Fluß hinauf, hinunter, ziehn die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.

Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.
Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.

In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf dem Pferde.
Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.
Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.
Und es sang ein Chor von Männern: »Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!«
Sangen's, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere! August von Platen



Bertolaso


Guido Bertolaso ist der beste Bürgermeisterkandidat, den Rom bisher hatte. Zumindest in den letzten 40 Jahren. Und wie kam es jetzt zu dieser Kandidatur? Er wurde von Berlusconi vorgeschlagen.

Goethe in Rom - 1786

gezeichnet von Tischbein

L'Apollo del Belvedere

Pulitzer


"Die Aufklärung hat den Himmel verdunkelt." Heidegger

David Kertzer

Glänzend, blendend

Donnerstag, 18. Februar 2016

Zertifizierter Duckmäuser



Wir prüfen das

Es mag ja sein, dass Paul van Dyk sich nicht mit der AfD identifizieren will. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich die, die nicht nur A, sondern auch B sagen, sich mit seinem Lied identifizieren.

Die beste Lösung wäre wohl eine gute Cover-Version.

Mittwoch, 17. Februar 2016

Gute Nachricht

Der Verwahrlosung des Amtsdeutsch soll endlich ein Ende gemacht werden.

Dienstag, 16. Februar 2016

1914 - 1918 aktuell

Vier deutsche Historiker haben ein Manifest gegen die These von Deutschlands Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs veröffentlicht. Die Publizistin Cora Stephan sowie die Professoren Dominik Geppert, Sönke Neitzel und Thomas Weber wollen damit vor allem verhindern, dass die EU-Politik mit historischen Schuldzuschreibungen vermengt wird. Obwohl nicht ausgesprochen, schwingt in der Erklärung der Zusammenhang zwischen deutscher Schuld und deutscher Schuldenmacherei mit. Die Autoren verweisen auf Werke ihrer Zunftkollegen, die sich mit der Verantwortung der anderen Mächte befassen und den deutschen Alleinschuldmythos längst widerlegt haben, zuletzt Christopher Clark mit seinem Bestseller „Die Schlafwandler“.

Aber wie kam dieser Mythos in die Welt? 1914 hätte kaum ein Mensch den Begriff Kriegsschuld verstanden; er entstand erst durch die Millionen Opfer der Materialschlachten. Mit dem Vertrag von Versailles, den die Vertreter des Deutschen Reiches im Juni 1919 unter Protest unterzeichneten, zog er in die Politik ein. 1918 hatte das Kaiserreich in Brest-Litowsk Russland einen Frieden diktiert, der in puncto Gebietsabtretungen noch härter war, aber in Versailles geschah etwas Neues. Bislang verhielt es sich so, dass Staaten gegeneinander Krieg führten, Frieden schlossen und der Sieger dem Verlierer Land wegnahm. So war etwa Frankreich unter Ludwig XIV. in den Besitz von Elsass-Lothringen gekommen, dessen Verlust 1871 die französischen Revanchegelüste einleitete, die 1919 befriedigt wurden. Doch in Versailles verhandelten nicht mehr Staaten, sondern die Reinen verurteilten die Schurken. Das Reich und seine Verbündeten mussten zu allen Gebietsverlusten und Reparationen die alleinige Kriegsschuld auf sich nehmen, die deutschen Delegierten durften an den Verhandlungen nicht teilnehmen und wurden schriftlich über deren Resultate informiert, ihre Staatsordnung wurde als rückständig und aggressiv denunziert. In Deutschland erkannte von politisch rechts bis links niemand dieses Schulddiktat an.


Das geschah erst nach dem Erscheinen von Fritz Fischers Buch „Griff nach der Weltmacht“ anno 1961. Der Historiker lud darin dem Reich „den entscheidenden Teil der historischen Verantwortung“ am Kriegsausbruch auf. Später spitzte er zu, dass „im Juli 1914 ein Kriegswille einzig und allein auf deutscher Seite bestand“. Fischers Bezichtigungseifer mochte damit zu tun haben, dass er als ehemaliges SA- und NSDAP-Mitglied viel gutzumachen hatte. Er durfte die bis dahin unter Verschluss der Alliierten gehaltenen Akten des Auswärtigen Amtes und der Reichskanzlei auswerten. Den Alliierten konnte dabei nur an der Bestätigung der Alleinkriegsschuldthese gelegen sein; wenn die ins Wanken geriet, wurde Versailles zu einer der Ursachen für den Zweiten Weltkrieg, was wiederum die moralische Rechtfertigung der Nachkriegsordnung nach 1945 ramponiert hätte. Dass die „Encyclopedia of Historians and Historical Writing“ (London 1999) Fischer zum wichtigsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts erhob, dürfte eine späte Danksagung der Alliierten an ihren deutschen Helfer sein.

Fortan reklamierten immer mehr deutsche Wissenschaftler und Intellektuelle wenigstens die Hauptschuld am Kriegsausbruch für ihre Vorfahren. Kanzlerin Angela Merkel nahm am 11. November 2009 in Paris an den Feiern zum Jahrestag des Kriegsendes teil (ihre Amtsvorgänger hatten es noch als taktlos empfunden, des Sieges über das eigene Land zu gedenken) und sagte dort: „Wir werden nie vergessen, wie sehr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Franzosen durch Deutsche zu leiden hatten.“ Damit war die deutsche Schuld auch am Ersten Weltkrieg regierungsoffiziell.

Gewissermaßen gegen seine Intentionen hat Fritz Fischer dargelegt, dass das Reich erst nach Beginn des Krieges anfing, Kriegsziele zu formulieren. Diese Ziele wurden immer kühner und grotesker, je deutlicher sich abzeichnete, dass er für Deutschland nicht zu gewinnen war; Sebastian Haffner verglich diese Rasereien auf der Landkarte mit „Schlemmerphantasien eines Hungernden“.
Tatsächlich dürfte Deutschland Frankreich angegriffen haben, um sich aus der russisch-französischen Umklammerung zu befreien. Bis heute staunen Geschichtsschüler darüber, dass ein russischösterreichischer Interessenskonflikt auf dem Balkan mit einem deutschen Großangriff auf Frankreich beantwortet wurde, aber die Tektonik der Bündnisse liefert die Erklärung. Deutschlands Umzingelungsphobien besaßen handfeste Ursachen. Die russischen und französischen Armeen erreichten 1913/14 eine Gesamtstärke von 2.170.000 Mann, Deutsche und Österreicher nur 1.242.000 Mann, bilanziert der britische Historiker Niall Ferguson. Im Kriegsfall verfügten die Mittelmächte über ungefähr 3,45 Millionen Mann, Russland, Frankreich, Serbien und Belgien über 5,6 Millionen.

Das russisch-französische Abkommen von 1891/92, „das aggressivste Bündnis auf dem europäischen Kontinent“ (Clark), richtete sich seit der Jahrhundertwende ausschließlich gegen das Kaiserreich. Henry Kissinger bezeichnete es als „die Wasserscheide auf Europas Weg in den Krieg“.

Englands Entschluss wiederum, in den Krieg einzutreten, richtete sich Fritz Fischer zufolge „gegen die Macht, die das europäische Gleichgewicht zerstören wollte“. Gewiss, aber wie funktionierte dieses Gleichgewicht? Es bedeutete, dass auf dem Kontinent keine Führungsmacht existierte, sondern ein den Engländern genehmes Patt waltete, während außerhalb Europas England herrschte. Bismarck hatte das akzeptiert, und das Kaiserreich hätte gut daran getan, es ebenfalls zu schlucken. England betrachtete den wirtschaftlichen Riesen im Zentrum Europas als unliebsame Konkurrenz, und gemeinsam mit Frankreich haben die Briten zudem ihren überseeischen Kolonialraub gegen einen potenziellen neuen Räuber verteidigt; ihr Raub gewinnt dadurch nicht an Ehrwürdigkeit.

Das alles ist Vergangenheit, spaltet aber den Kontinent bis heute. Die anderen halten es einstweilen für angezeigt, das eigene Land eher zu verteidigen als anzuschwärzen, nur bei den geschichtspolitischen Strebern hierzulande gilt absonderlicherweise das Gegenteil. Jedenfalls gibt es in der EU keine gemeinsame historische Erinnerung.

1992 nannte „Le Figaro“ den Maastricht-Vertrag „Versailles ohne Krieg“, und dieses „Versailles“ wurde noch überboten durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Wenn sich die Schuld an La Grande Guerre nachträglich in Europa gerechter verteilte, nähme die moralische Erpressbarkeit Deutschlands ab und die Möglichkeit rationaler Interessenspolitik zu. Das wäre doch eine gute Nachricht. Michael Klonovsky am 13. 1. 2014