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Sonntag, 21. Februar 2016

De scriptis typis editis lacunosis

Lange genoß der Berufsstand der Journalisten nicht einen so schlechten Ruf wie heute. „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen“ – dies beschleicht so manchen Redakteur mit Blick auf kontinuierlich fallende Auflagenzahlen bei den großen Zeitungen. Die Meinungsmonopolisten von früher, sie sehen die Fundamente ihrer einst stattlichen Verlagshäuser unterspült durch das freie Spiel der Kräfte im Internet, die Infragestellung in Echtzeit in Blogs und sozialen Medien.
Der Spiegel brachte in seiner jüngsten Ausgabe eine siebenseitige Geschichte über „Die Vertrauenskrise“ der Branche. Dort kommt das Magazin der wachsenden „Forderung nach intensivem Dialog mit dem oft lästigen Leser“ (Heribert Seifert in der NZZ)  nach und läßt einen Blick in den Seelenzustand etablierter Medien zu:


Erschüttert stellen die Autoren fest, wie zerrüttet das Verhältnis zu eigenen Stammlesern ist: „Viele Deutsche mißtrauen den Medien … wie konnte es so weit kommen?“ 40 Prozent der Bürger hielten Medien in Umfragen für „unglaubwürdig“. Der Protestruf von der „Lügenpresse“ und seine Anhänger hätten „in den letzten Wochen an Stärke gewonnen“.

Zum 70. Geburtstag der Wochenzeitung Die Zeit räumt Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in einem Editorial zum Thema „Journalismus“ vorsichtig Fehleinschätzungen seines Berufsstandes ein, die häufig dann aufträten, „wenn man sich im Urteil besonders sicher wähnt“. Zweifellos. Vielleicht beschäftigt er sich einmal mit dem von der Zeit geförderten Internetportal „Netz gegen Nazis“, das mit Linksextremisten kooperiert und das Konservative, darunter die JUNGE FREIHEIT und ihre Autoren, in die Nähe von Rechtsextremisten rückt.

Der Fall des Welt-Redakteurs Günther Lachmann, der jetzt Schlagzeilen macht, wird als besonders drastischer Beleg angesehen, wie die Grenzen zwischen Journalismus und PR verwischen. Lachmann war zuständig für die AfD-Berichterstattung der Welt. Er war stets auffallend gut in Interna der Partei eingeweiht. Seine Beiträge spielten keine unwesentliche Rolle im Zuge der Eskalation des Führungsstreites und der Spaltung der Partei im Jahr 2015.

Lachmann-Texte lasen sich für einen Springer-Journalisten nicht nur gut informiert, sondern oft sogar erstaunlich AfD-freundlich. Manchmal aber auch fast wie bestellt. Für andere Beobachter war dies lange ein Rätsel. Bis in den vergangenen Wochen durch den AfD-Politiker Marcus Pretzell an die Öffentlichkeit gebrachte Details zeigten, daß sich Lachmann auf eine immer engere Zusammenarbeit mit der Partei eingelassen hatte. Aus dem professionellen Kontakt zwischen Berichterstatter und Politiker wuchs die Versuchung, PR-Beratung anzubieten, und das mutmaßliche Angebot, sich für diese Arbeit von der Partei bezahlen zu lassen.

Eine 2013 veröffentlichte Studie zu „Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption“ des Vereins „Netzwerk Recherche“ beschäftigte sich mit der Frage der Bestechlichkeit des Berufsstandes. Journalisten sollten nach dem Bild des Hollywoodfilms zur Watergate-Affäre „Die Unbestechlichen“ von 1976 eigentlich sein: „hartnäckig, überparteilich und frei von allen Vorteilen, die ihre Unabhängigkeit  beeinflussen  könnten“.  Sie sollen  „aufklären, entschieden und furchtlos“ sein, dabei „immer im Dienst ihrer Leser oder Zuschauer“.
Das sei „ein reizendes Ideal“, vermerkt die Studie sarkastisch angesichts der Fülle von Korruptionsfällen. Auch der Kodex des Deutschen Presserates schreibt Journalisten vor, mit ihrer Arbeit sei unvereinbar „die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit  (…)  zu  beeinträchtigen“.

Die JF machte am vergangenen Samstag den „Fall Lachmann“ exklusiv publik. Welt-Chefredakteur Stefan Aust erklärte daraufhin Stunden später die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Redakteur. In seiner Zeitung versichert er jetzt, für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit die Affäre „lückenlos aufzuklären“.

Die Aufregung beim Fall Lachmann ist unter Journalisten auch deshalb groß, weil ein etablierter Journalist es wagte, sich ausgerechnet der AfD anzudienen. Der Übertritt von Journalisten in Partei- oder Regierungsdienste gehört ansonsten zur Tagesordnung.

Miriam Meckel beispielsweise, heute Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, arbeitete ursprünglich für Fernsehsender, wechselte dann 2001 den Schreibtisch und wurde unter anderem Regierungssprecherin des NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, um dann später in den Journalismus zurückzuwechseln. Oder Bela Anda: Von der Bild-Zeitung zum Regierungssprecher Gerhard Schröder und zurück zu Bild. Für sich genommen nicht anstößig.

Es existiert ein gut geöltes System von Netzwerken, ja Filz, Grauzonen von Interessen, die in Befangenheit von Journalisten führen können und die einen politisch-medialen Komplex haben entstehen lassen.

In seinem Werk „Die Unbelangbaren“ beschreibt der Politikwissenschaftler Thomas Meyer als Problem für Politikjournalisten den „Spin, also den spezifischen Dreh, den sie den Dingen geben“ und „in dem sie sich verdeckt oder offen für bestimmte Personen und Anliegen einsetzen“. Hiervor ist wohl kaum ein Journalist mit politischer Leidenschaft gefeit.
Es ist richtig, daß Leser Journalisten jetzt noch kritischer auf die Finger sehen und auf unabhängige Berichterstattung pochen. Der Fall Lachmann sollte dem Berufsstand eine Lehre sein.

F 07/16

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