Nun ist die Erkenntnis dank einer Buchrezension der
Süddeutschen Zeitung auch offiziell im Mainstream angekommen: der
„Große Austausch“ ist, wie Renaud Camus schrieb, „keine Hypothese, kein Konzept, keine Theorie, sondern die simple Feststellung einer Tatsache“.
Allerdings eine, die nach den Autoren des frisch erschienenen Buches
„generation mix“
(sic) ebenso „unumstößlich wie wünschenswert“ sein soll. Wer hätte das
gedacht? Wer wundert sich darüber? Wohl nur diejenigen, die immer noch
nicht verstanden haben, auf welches Ziel das Ideal des „bunten“
Deutschland hinsteuert.
Doch nach der Reihe. Im Vorwort zu dem Band
„Revolte gegen den Großen Austausch“ von Renaud Camus habe ich drei Haltungen zu dem Phänomen des laufenden Bevölkerungsaustausches skizziert:
Auf Stufe 1 wird seine Realität schlichtweg geleugnet. Derlei –
natürlich „kruden“ – Unfug denken sich demnach nur ein paar rechtsradikale, rassistische Spinner und Verschwörungstheoretiker aus (so die
französische Wikipedia,
die wie ihre deutsche Schwester von einschlägig motivierten
Kettenhunden bewacht wird, was bestimmte politische Themen betrifft). Ein Beispiel wären die Äußerungen unserer feingeistigen Groupies auf
„Starke Meinungen“ und die von ihnen nur durch Nuancen unterschiedenen Linksextremisten
wie diese hier (Achtung, Leckerbissen):
Die Halluzination vom “Großen Austausch”… Der
tatsächliche Inhalt des aktuellen Flyers ist schnell zusammengefasst und
klingt entweder nach einer rassistisch motivierten Science Fiction
Story oder aber nach einer nicht weniger menschenverachtenden
Verschwörungstheorie. (…) Dahinter steht die krude Idee von einem
angeblichen Bevölkerungsaustausch.
Auf der zweiten Stufe befinden sich die schlauen
Pseudologiefabrikanten, die zwar in der Regel mehr oder weniger zugeben,
daß der Bevölkerungsaustausch stattfindet (etwa indem sie anerkennen,
daß Deutschland immer „bunter“ oder auch in der Highbrow-Version:
„pluralistischer“ oder „komplexer“ werde), daß er aber eine unerhebliche
Sache sei, da Völker, Rassen und ethnische Identitäten ohnehin nur
„Konstrukte“ seien, also keine eigentliche Existenz hätten oder in
Zeiten der Globalisierung keine Rolle mehr spielen würden.
Wer
Gegenteiliges behauptet, sei aber ein „Rassist“ oder schlimmeres. Auf
dieser Stufe sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, und beliebige
Kombinationen aus Begriffsdichtung, gedanklichen Kurzschlüssen,
taktischen Kehrtwendungen und emotionalisierenden Vernebelungen möglich.
Der Übergang zur letzten Stufe, auf der sich grüne Politiker oder
antifantische Demonstranten offen über und auf den „Volkstod“ freuen,
ist fließend. Hier finden sich auch Prominente wie eine Anetta Kahane,
die allen Ernstes erklärte, es sei „die größte Bankrotterklärung der
deutschen Politik nach der Wende“ gewesen, daß sie zugelassen habe, „daß
ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb“ und
quasi ein Update des „Generalplans Ost“ vorschlug. Oder, um im Genre der alten Genossen aus der volksfreundlichen DDR zu bleiben, ein
Gregor Gysi, der sich unverhohlen darüber freute, daß die Deutschen „zum Glück“ aussterben.
Ganz so garstig drücken sich die Autoren der Eloge auf „die
superdiverse Zukunft unserer Städte“ Jens Schneider, Maurice Crul und
Frans Lelie zwar nicht aus, aber sie befinden sich wohl schon eher auf
der dritten als auf der zweiten Stufe.
Was die SZ über das Buch dieser
„Identitätsforscher“ zu berichten weiß, klingt wie ein seitenverkehrt
gelesener Renaud Camus:
Schon lange geben in New York nicht mehr weiße
Angelsachsen den Ton an. Die Stadt ist, genau wie Los Angeles und Miami,
eine „Majority-Minority-City“. Auch Amsterdam, London, Brüssel und Genf
sind zu solchen „Mehrheitlich-Minderheiten-Städten“ geworden.
Und genau so, darauf weisen der Migrations- und Identitätsforscher
Jens Schneider und seine Mitautoren Maurice Crul und Frans Lelie in
ihrem Buch hin, wird es bald Frankfurt am Main, Augsburg und Stuttgart
ergehen: Sie werden ihre deutsche „Mehrheitsgesellschaft“ verlieren.
Anders gesagt: Die ethnisch deutsche Bevölkerung wird zu einer von
mehreren Minderheiten werden.
Wie gesagt, lassen die Autoren „keinen Zweifel daran, dass sie diese
Entwicklung für eben
so unumstößlich wie wünschenswert halten“, und zwar
deshalb, weil sie große „Chancen“ (uff) für mehr „gesellschaftliche
Gerechtigkeit“ wittern. Darunter stellen sie sich etwa folgendes vor:
Wenn nämlich die bisherige Mehrheitsgesellschaft ihre
dominanten Positionen verliert und damit – ein Beispiel – vielleicht das
Gymnasium in Deutschland seine Rolle als Statussymbol, das manche
Eltern nicht mit Fremden, noch dazu aus anderen Schichten, teilen
wollen.
Bildung und soziale Herkunft, der alte deutsche Zusammenhang, könnte
sich ebenso auflösen wie die Gewissheit vieler Einheimischer, sie
blieben auch in einer rasch alternden Gesellschaft noch in der Mehrheit
und damit gewissermaßen Eigentümer des Landes.
Frappant ist, was man hier unter „gesellschaftlicher Gerechtigkeit“
versteht, und wie hier das Positive und Wünschenswerte einer solchen
Entwicklung begründet wird: nämlich weniger mit dem Wohl der Zuwanderer,
als mit der Aussicht, die „Ur-Deutschen“ (so die SZ) zu erniedrigen,
indem man sie entmachtet, ihren sozialen Status senkt, ihren „alten
deutschen Zusammenhang“ und ihre „Gewißheit“ auflöst (also: ihre
Identität), ihnen systematisch ihre Rückzugsräume nimmt und sie von dem
dünkelhaften Irrglauben befreit, sie wären noch in irgendeiner Weise
„Eigentümer“ ihres Landes (so auch der vielsagende Titel des Artikels in
der Netzadressleiste: „Die neuen Eigentümer“).
Enteignung, Entmachtung, Statusverlust, Identitätsschwächung,
„Auflösung der Mehrheitsgesellschaft“, also des deutschen Volkes (und
aller Völker) in seiner historischen Form: damit ist klar, wohin der
Hase läuft, und nichts anderes habe ich schon 2011 in dem Büchlein
„Die Verteidigung des Eigenen“
beschrieben. Aber weil ich dieses Vorhaben nicht nur für fahrlässig,
sondern für infam halte und diese Dinge als gezielt eingesetzte
politische, gewissermaßen „kolonialistische“ Waffen betrachte (man
schlage nach bei Frantz Fanon) werde ich mit einem anderem Maßstab
gemessen als die
Apologeten der „Superdiversität“.
Es ist schon witzig, in der Süddeutschen Zeitung ohne kritische Kommentierung einen Satz zu lesen, der wörtlich aus einem identitären Flugblatt stammen könnte:
Die ethnisch deutsche Bevölkerung wird zu einer von mehreren Minderheiten werden.
Wenn unsereiner einen solchen Begriff wie „ethnisch deutsche
Bevölkerung“ benutzt, wird er schnell mit allerlei aggressiv
vorgebrachten Einwürfen beschossen: „Was soll denn das heißen: ethnisch
deutsch?“ „Was soll denn das heißen: deutsch?“ „Was soll denn das
heißen: ethnisch?“ Und so weiter, und flugs ist man wieder ein „Rassist“
mit „Reinheitsphantasien“ und so weiter.
Ich habe auf diesem Blog schon vor zwei Wochen festgehalten, daß ich die überstrapazierte Diskussion um die
„ethnische Homogenität“
für Nebelwerferei halte. Da ich ihr Buch nicht gelese haben, weiß ich
nicht, ob sich das Autorentrio Schneider/Crul/Lelie lange mit
elaborierten Definitionen aufhält, wer denn nun ein „ethnisch deutscher“
Bevölkerer ist und wer nicht. Aber das ist eigentlich nicht nötig, denn
in Wahrheit versteht jedermann, welche Bevölkerungsschichten, die „zu
einer von mehreren Minderheiten werden“, gemeint sind. Das wissen jene,
die ihnen angehören, und erst recht jene, die deren Identität
„dekonstruieren“ wollen, um sie über ihre Interessen zu täuschen und
wehrlos zu machen.
Wenn nun etwa
Meister Nassehi
als derzeitiges rechtes Hauptprojekt die Bewahrung der ethnokulturellen
„Homogenität“ ansieht (wie man nicht oft genug wiederholen kann, die
Grundvoraussetzung des noch bestehenden deutschen Nationalstaats, seiner
Grenzen und seiner Verfassung), und als linkes den „Umbau der
Gesellschaft“, dann sollte er nicht vergessen, daß dieser linke Umbau zu
der rechten, vorwiegend reaktiven Position komplementär ist und heute
überwiegend genauso aussieht wie in
„generation mix“ gepriesen:
das Ziel ist ein symbolisch-kultureller wie handfest
demographisch-biologischer Abbau der real vorhandenen ethnischen
Mehrheit (vulgo des sog. „homogenen“ Volkes) zugunsten einer Umwandlung
der „Gesellschaft“ in eine Art Vielvölkerstaat oder
Vielvölkergemischstaat, den dann Menschenrechte, Sozialleistungen und
Konsum irgendwie zusammenhalten sollen.
Man kann nun vielleicht wie Nassehi behaupten, daß beide Projekte
„keine Alternativen“ sind, aber das besagte Schlachtfeld ist alles
andere als illusorisch, und einen dritten Weg kann ich im Moment nicht
erkennen, auch keine Möglichkeit, das Schlachtfeld semantisch
umzudeuten.
Jedenfalls: die handfesten Beispiele für Metropolen oder
Stadtviertel, in denen die Stammbevölkerung zur Minderheit geworden ist,
laden bekanntlich kaum zur Nachahmung ein, um es gelinde zu sagen. Die
Lebensqualität von London, Paris, Frankfurt, Berlin, Stockholm, Malmö,
Rotterdam, Brüssel etc. ist insgesamt nicht gerade gestiegen; eher ist
sie aus Gründen, die auf diesem Blog wohl nicht wiederholt werden
müssen, drastisch gesunken. Bald wird man die Länder und Menschen, die
man in diesen Städten sucht, nicht mehr wiederfinden. Und wer noch
freiwillig wählen kann, an einem Ort zu leben, in dem seine Gruppe in
der Mehrheit ist, wird das mit Sicherheit tun, aus Gründen, die man
ebenfalls kaum erläutern muß.
Hinzu kommt, daß sich die erwartete fröhlich-bunte Mischung trotz
jahrzehntelanger Einwanderungsströme und „Integrationsbemühungen“
nirgendwo wirklich eingestellt hat; vielmehr sind Raumnahme,
Identitätsverlust (auf beiden Seiten), Orientalisierung, Afrikanisierung
und Islamisierung der europäischen Städte zu beobachten, wobei die
besonders belasteten Stadtteile in der Regel durch Kriminalität,
Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung und Verfall gekennzeichnet sind. Und daß
sich gerade in nahezu komplett „ausgetauschten“ Stadtteilen wie St.
Denis oder Molenbeek Hochburgen des islamischen Terrorismus gebildet
haben, ist wohl auch nicht gerade ein Zufall.
Insofern hat es schon eine gewisse Komik, wenn nach den letzten
Attentaten in Paris und Brüssel ein Buch erscheint, das derart
dreiste
Märchen verkaufen will, wie sie der Autor der
Süddeutschen zusammenfaßt:
Integration funktioniert, das macht der lesenswerte Band
deutlich, wenn ein Land Anspruch auf seine Einwanderer erhebt. Ein
richtiges Einwanderungsland akzeptiert die Menschen, es sorgt für
umfassende Bildungsangebote, durch die neu Hinzukommende leichter Arbeit
finden und die Einwandererkinder von klein auf prägen.
Was auf Samtpfötchen und mit den üblichen bunten „Diversity“-Männchen
auf den Cover daherkommt, ist natürlich eine grenzenlose Perfidie. Es
ist allerdings gut, wenn das Anliegen so deutlich ausgesprochen wird.
Wird man hinhören oder sich einlullen lassen?
Mit Renaud Camus kann ich nur sagen:
Revoltiert! In seinem Buch kann man nachlesen, was der „Große Austausch“
wirklich bedeutet.
Martin Lichtmesz