Stationen

Donnerstag, 3. März 2016

Rezension

Seit dem Erscheinen seines letzten Buches Die große Verschwulung im November 2015 ist es um den zum „Krawallautor“ mutierten Katzenkrimimeister Akif Pirinçci eher still geworden. Still wie nach einem Atombombenabwurf, denn unterdessen hat das Imperium mit aller Wucht zurückgeschlagen und Pirinçcis schriftstellerische Existenz mehr oder weniger vernichtet:

Random House kündigte seinen langjährigen Erfolgsautor und nahm dessen Titel aus seinem Programm, während sich Buchhändler, Grossisten und Amazon dem Boykott anschlossen; als Vorwand dienten ein paar verfälschte Zitate aus einer in Dresden gehaltenen Radaurede.

Während sein Vorgänger Deutschland von Sinnen 2014 die Feuilletons in einen Hühnerstall verwandelt hatte, wurde Die große Verschwulung weitgehend totgeschwiegen. Allenfalls war noch zu vernehmen, es handele sich hierbei um ein „homophobes und menschenverachtendes“ Machwerk (queer.de).

In Wahrheit hat das Buch, das sich die Geschlechter- und Familienpolitik der BRD vorknöpft, so gut wie nichts mit Homosexualität oder Homosexuellen zu tun, die nur am Rande vorkommen und den Autor auch nicht sonderlich interessieren.
Natürlich mit Ausnahme von aggressiven Interessensgruppen, deren Zielsetzung, nicht nur Mann und Frau „gleichzustellen“, sondern überhaupt das „binäre“ Geschlechtermodell abzuschaffen und durch ein fluktuierendes Spektrum an „Gender“-Identitäten zu ersetzen, längst kein Randgruppenphänomen mehr ist. So widmet sich Pirinçci ausgiebig der berüchtigten „Bildungsplanreform 2015“ für Baden-Württemberg, die vorsah, detailierten Unterricht über „sexuelle Vielfalt“ in die Lehrpläne einzuführen. Die einschlägige Agenda dient in diesem Zusammenhang vor allem der Dekonstruktion der „Heterosexualität“ und der „klassischen“ Familie.

Während Frauen in diesem Prozeß insofern „vermännlicht“ werden, als ihnen die biologische und soziale Aufgabe der Mutterschaft madig gemacht wird, so sind doch Jungen und Männer, wie die Männlichkeit überhaupt, die eigentlichen Zielscheiben dieser Politik.

Mit „Verschwulung“ meint Pirinçci die „Verweiblichung“ des Mannes; das Thema seines Buches läßt sich mit einem pirinçciesken Spruch von Michael Klonovsky auf den Punkt bringen: „Wer sich allzu sehr feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich nicht wundern, wenn er schließlich auch gefickt wird.“ Man könnte an dieser Stelle auch einen berühmten Satz von Carl Schmitt variieren: „Dadurch, daß Männer nicht mehr die Kraft oder den Willen haben, sich in der Sphäre des Männlichen zu halten, verschwindet das Männliche nicht aus der Welt. Es verschwinden nur ein paar schwache Männer.“

Die 270 Seiten der Großen Verschwulung sind ein ausufernder, sarkasmusgetränkter Versuch, diese jahrtausendealte Binsenweisheit wieder ins Gedächtnis eines dekadent und realitätsfremd gewordenen Landes zu hämmern. Damit wäre die Diskussion um das „Gender-Mainstreaming“ um eine verschärfende Dimension erweitert.
Bislang lag die Kritik an dieser Ideologie und ihrer Umsetzung vor allem in den Händen konservativer Frauen wie Birgit Kelle, Barbara Rosenkranz oder Gabriele Kuby; was aus der Ecke der „Männerrechtler“ à la Arne Hoffmann zu vernehmen war, klang allzuoft nur wie eine Imitation feministischer Opferrhetorik.
Pirinçcis Polemik attackiert dagegen das Ungetüm aus einer dezidiert männlichen Sicht und für ein wohl vor allem männliches Publikum.

Dabei verabscheut der Autor jegliches „akademisch“ getarnte Gerede, wie es gerade für die Literatur der Genderdoktrin typisch ist. Eher noch scheint er sich an Vorbildern wie Charles Bukowski zu orientieren, hinter dessen rüder Sprache und abgefuckter Pose sich eine vergleichsweise unbeugsame und im Grunde romantische Seele verbarg.

Pirinçci liebt das Geheimnis, den funkenschlagenden Konflikt, den Unterschied, die Anziehung und Abstoßung zwischen Mann und Frau; die Vorstellung, die Geschlechter ihrer Polarität zu berauben, ist ihm ein unsagbarer Horror. Zwischen den Zeilen werden auch Trauer, Schmerz und Ekel spürbar.

Pirinçci schreibt über den Geschlechterkrieg als Veteran und Kombattant, nicht als distanzierter Beobachter. Er will, daß ihn auch der Mann auf der Straße und an der Bar verstehen, der junge Kerl, der seine wichtigsten Schlachten vor sich hat, ebenso wie der geschiedene, vom Staat geschröpfte Familienvater, der sich voller Narben in den Ruhestand zurückzieht.

Seine Schlußfolgerungen werden für manchen Luftschloßlinken provozierend simpel klingen: „Entweder wird eine Frau von ihrem Mann versorgt oder von einem männlichen Steuerstaat, auch wenn auf dessen erhabenen Balkonen als Reklame lauter Frauen sitzen, von denen nicht wenige ebenfalls irgendwelche Geisteswissenschaften studiert haben.“ Und den Geschlechtsgenossen schreibt er ins Stammbuch: „Ein Mann, der die Fortpflanzungschancen, die Versorgung seiner Lieben und den damit verbundenen Kampf einer Organisation namens Staat überantwortet, bei dem es sich auch Versager, Heuchler, Perverse, Faule, Schmarotzer und Geschwätzwissenschaftler gut gehen lassen, ist kein richtiger Mann.“

Jedenfalls steht für Pirinçci fest, daß sozialpolitische Experimente fundamentale biologische Gegebenheiten nicht aus der Welt schaffen können. Im als „Prophetie“ gekennzeichneten Schlußkapitel läßt er alle Zügel schießen: mit grimmigen Humor schildert er den Untergang Deutschlands und des deutschen Volkes „wie wir es kennen“ als grausames Szenario, in dem, wie in der Geschichte üblich, die Frauen die Beute der männlicheren Männer werden.
Akif Pirinçci: Die große Verschwulung. Wie aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer, Waltrop u. Leipzig: Manuscriptum 2015. 272 S., 17.80 € Martin Lichtmesz 1. 3. 2016

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