„Österreicher wählten die Veränderung“ titelte die
Kronen-Zeitung
vom 25. 4. diplomatisch über das Ergebnis der österreichischen
Bundespräsidentenwahl. Zum ersten Mal in der Geschichte der 2. Republik
ist die übliche Schwarz-Rot-Konstellation außer Kraft gesetzt: an der
Spitze lag der blaue Kandidat Norbert Hofer (36,4%), gefolgt von dem
quasi-grünen Konkurrenten Alexander van der Bellen (20,4%).
Dagegen erlangten die Kandidaten der SPÖ und der ÖVP, Andreas Khol
und Rudolf Hundstorfer nur jeweils 11,2% der abgegebenen Stimmen. Sogar
die eher farblose unabhängige Kandidatin Irmgard Griss (18%) lag weit
vor den beiden Rennpferden der ehemaligen Alpha-Parteien (letztere wurde
aus allen möglichen Gründen gewählt; vor allem diejenigen, die von der
Aufmischung des politischen Koordinatensystems desorientiert sind, haben
sich einiges von ihr versprochen.)
Deutlicher kann sich wohl kaum ausdrücken, wie wenig Lust das Gros
der Österreicher noch auf die üblichen Verdächtigen hat, jenen Typus,
der sich die Macht im Land Jahrzehnte lang aufgeteilt hat. Van der
Bellen ist in dieser Hinsicht eine Mittel- oder Kompromißfigur. Im
Gegensatz zu dem vergleichsweise jungen Hofer (Jg. 1971) ist der
ehemalige Chef der Grünen ein allseits bekannter Veteran der
österreichischen Politik, verkörpert also eine gewisse Kontinuität im
Wandel.
Seine Wahlkampagne setzte ulkigerweise noch stärker als jene des
blauen Kandidaten auf „bürgerliche“, „heimatliche und „patriotische“
Werte und Sentiments mit Slogans wie
„An Österreich glauben“ (V.d.B. mit Wauzi auf der sommerlichen Alm),
„Heimat braucht Zusammenhalt“ (V.d.B. vor idyllischer Waldhütte mit Holzzaun (!)) oder
„Wir alle gemeinsam“
(V.d.B. staatstragend ernst, strictly business). Für eine ähnliche
Ästhetik, insbesondere wegen der Präsenz von Hunden, wurde Strache
von grüner Seite mit – Na, wem wohl??? – verglichen.
Das hat natürlich einen aparten Beigeschmack: hier wurde für einen
Mann geworben, der zwar als „unabhängiger“ Kandidat antrat, aber zu den
Oberhäuptlingen der Grünen zählt, die mit „Heimat“ und Patriotismus
bekanntlich bisher wenig am Hut hatten.
Demokratie unterscheidet sich eben nur graduell von einem Bordell, und
auch Präsidentschaftskandidaten müssen auf den Strich gehen und
anbieten, was eben gefragt ist.
Van der Bellen hat kapiert, was das Thema der Stunde ist, und
versucht nun, die FPÖ auf der patriotischen Spur zu überholen; das alles
ist natürlich eine Verarschung dreistester Sorte. Über „Obergrenzen“ in
der Flüchtlingskrise
will er nicht diskutieren, und auch, was etwa TTIP angeht, hat er sich als äußerst
biegsam erwiesen (was ihm auch von der Grünjugend irrigerweise als „rechts“ angekreidet wurde.)
Auf den ersten Blick mag es so aussehen, daß die bevorstehende
Stichwahl Blau vs. Grün die Polarisierung des Landes im Zuge der
„Flüchtlingskrise“ widerspiegelt: im Laufe des letzten Jahres sind
viele, die es bislang nicht für möglich gehalten hätten, zu den Blauen
übergelaufen, während sich die anderen umso verbissener in linksgrüne
Dogmatik verschanzt haben. Das hat sich teilweise zu einem Grad
verschärft, daß es zwischen Blau und Grün kaum mehr ein „dazwischen“ zu
geben scheint.
Womöglich sind aber
beide Kandidaten Symptome, daß eine
Österreich eine „orbanistische“ Wende bevorsteht. Van der Bellen bot
sich gezielt als Alternative für jene Schichten an, die sich wieder nach
dem Schutz der Heimat und einem spezifisch österreichischen
„Wir“-Gefühl sehnen, die aber einen eingefleischten inneren Widerwillen
gegen die FPÖ verspüren, diejenigen, die sich wohl fragen: „Warum müssen
Begriffe wie ‚Heimat‘ und ‚Österreich‘ immer ‚rechts‘ sein?“ Daß er
sich als Bildungsbürger und Kandidat der
„gescheiten“ Österreicher inszeniert,
soll wohl ebenfalls bestimmten bürgerlichen, vorwiegend akademischen
Schichten schmeicheln. Jedenfalls war sein Appeal um einiges höher als
jener des honorigen schwarzen Kandidaten Andreas Khol.
Norbert Hofer auf der anderen Seite hat der FPÖ ein sympathisches, „nettes“ Gesicht gegeben. Er wirkt
gelassen, seriös und „normal“ und
vermittelt vielen den Eindruck, daß sich die Zeiten und die FPÖ
geändert haben, und nun auch für Schichten wählbar geworden ist, die
bisher vor Kontakt mit den Blauen zurückgeschreckt sind. Derselbe Trend
zeigte sich auch im sensationellen Überlaufen der respektierten und
populären „schwarzen“ Bildungsbürgerin
Ursula Stenzel zur FPÖ im letzten Sommer.
Claus Pándi schrieb in der
Krone:
Rechts sind mit Ausnahme der Grünen die anderen Parteien
auch schon. Die FPÖ ist nicht mehr das Schmuddelkind der Politik. Das
ist ein Verdienst von Norbert Hofer. Der Blaue aus dem Burgenland hat
den Freiheitlichen ein freundliches Gesicht gegeben. Sein Wahlergebnis
bedeutet mehr als Protest gegen die rot-schwarze Dauerregierung.
Pándi deutet hier an, daß sich das
„Overton-Window“
in Österreich wesentlich nach rechts verschoben hat, wie sich auch Van
der Bellen „rechts“ weit aus dem Fenster gelehnt hat. Ein Indiz hierfür
ist auch das
klägliche Scheitern der
linken Propagandawelle gegen die
Audimax-Performance der Identitären Bewegung. Kein Geringerer als Strache selbst hat sich öffentlich
auf die Seite der IBÖ geschlagen.
Wenn nun die mehr oder weniger „identitären“ Appelle Van der Bellens
ausschlaggebend waren, dann tun die Wähler, die sich davon angesprochen
fühlten, gut daran, sie als opportunistische Täuschungsmanöver zu
durchschauen.
Unterdessen füllen sich die Facebook-Seiten Österreichs mit allerlei Gejammer und hysterischen Ausbrüchen;
besonders im grünen Lager zeigt man sich ziemlich „butthurt“. Man könnte richtig schadenfreudesüchtig werden. Die Stichwahl am 22. Mai wird noch spannend werden!