Stationen

Montag, 25. April 2016

Die Wegwerfgeneration wirft sich weg


Mittelspäter 14. April 2014

Nachtrag: Jede Fahrt durch dieses Land, im Grunde jeder Schritt in die Öffentlichkeit führt einem vor Augen, wie alt die Deutschen geworden sind. Diese entsetzliche Ansammlung von In-die-Jahre-Gekommenen allerorten, dieser Kindermangel, diese selbstbezogene, mäklige Gesamtstimmung, dieser kollektive Greisenleib, in den hineinzustoßen so leicht ist... Daneben die fruchtbaren, vor Kindern wimmelnden Länder Asiens und Afrikas. Ein Vietnam-Besuch genügt, um zu sehen, was, glücklichenfalls, Zukunft ist. Gott ist Biologist.





14. April 2016

Als ich zum ersten Mal die inzwischen dank unserer Medienvertreter nahezu geflügelten Worte „Regretting Motherhood“ las, dachte ich, es handele sich um eine Selbsthilfegruppe der Eltern von Mitgliedern der Grünen Jugend.

Mittlerweile weiß ich, dass hinter diesem „Claim“ die Studie der israelischen Soziologin Orna Donath steckt, die immerhin 23 Frauen aufgetrieben hat, die von sich sagen, sie hätten besser abgetrieben beziehungsweise jedenfalls ihr Kind, so sie noch einmal vor die Wahl gestellt würden, nicht noch einmal bekommen haben wollen. „Ein Gespräch über gesellschaftliche Ächtung und Rebellion gegen Tabus“, überschreibt heute die taz ein Interview mit Frau Donath. Wie die Bücher „Die Mutterglück-Lüge“ von Sarah Fischer und „Die falsche Wahl“ von Esther Göbel zeigen, bläht sich das Thema derzeit zum veritablen Trendlein auf. Was sagt uns das?

Sich, seinen Sprösslingen und letztlich irgendwie auch „aller Welt“ einzugestehen, dass man lieber kinderlos geblieben wäre, rührt, anders als Päderastie, Holocaustleugnung oder ein Junge-Freiheit-Abo, an den Grundfesten des Lebens und ist in der Tat ein Tabu... – Ist es natürlich nicht. In einem Kulturkreis, in dem Abtreiben so normal ist wie Sporttreiben, darf der Letzte Mensch als letzte Konsequenz seiner alltäglichen Ich! Ich! Ich!-Brüllerei und existentiellen Vordrängelei selbstverständlich seinen Blagen mitteilen, dass sie einem schon mit ihrer Anwesenheit den ganzen Lebensgenuss kaputtmachen. Es war also zu erwarten, dass irgendwann auch dieses Scheintabu „gebrochen“ und die Monströsität des westlichen Hedonismus noch auf eine weitere Spitze getrieben wird, jenes Hedonismus, an dessen Wiege ja nicht zufällig der Spitzenlump Rousseau stand, der seine eigenen Kinder ins Waisenhaus gab, damit sie ihm nicht bei der Selbstverwirklichung als Menschheitserzieher zur Last fielen. Unsere wackeren Tabubrecher werden vermutlich als nächste Eskalation ihrer Selbstbefreiung von jeder Art Anstand als Therapie für Regretting-Motherhood-Kandidatinnen vorschlagen, sie sollen ihren Kindern möglichst früh mitteilen, welche Last und Plage ihre Existenz eigentlich für die arme Mutti bedeute.

Das Gegenmodell der Sitte statuiert bekanntlich, dass man über gewisse unangenehme Dinge nicht spricht, sie zumindest nicht öffentlich ausspricht. Keiner möge mich falsch verstehen, Kinder können einem durchaus das Leben zur Hölle machen. Aber wie kam die närrische Idee in die Welt, sie möge ein Paradies sein? Wie konnte ein dermaßen verächtlicher Menschenschlag entstehen, der sich nicht für ein Zwischenglied der Generationenkette, sondern für das Endziel der Evolution hält? Wie können Frauen es ihren ja offenbar nicht durch eine Vergewaltigung entstandenen Kindern antun, sie nachträglich für unerwünschte Störenfriede zu erklären? Wer hat sie denn bekommen? Wer hat sie erzeugt? Kann man einen solchen Gedanken nicht mit ins Grab nehmen? Müssen diese sittenverwahrlosten Figuren wirklich jedes ihrer Laster, jedes ihrer Wehwehchen in die Welt hinausplärren?

An dieser Stelle ist ein Einschub nötig. Wir hören und lesen mit ermüdender Regelmäßigkeit, dass Frauen es schwer hätten, „Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen“. Davon abgesehen, dass kaum eine der Holden noch einen Hut trägt, was durchaus bedauerlich ist, wenngleich ein Kopftuch auch recht schön sein kann, speziell wenn es auf arabische Art gebunden ist, davon abgesehen, sage ich, steckt in dieser Formulierung eine der größten Flunkereien unseres ausklingenden Epöchleins. Wie viele von 1000 berufstätigen Frauen oder auch gern Menschen „machen“ denn „Karriere“? Und wäre unter diesen businessfrommen Schwestern, wenn sie auf all den Tinneff schauen, dem sie sich in ihrer biologisch fruchtbaren Zeit gewidmet haben, wenn sie die Monate addieren, die sie auf „Meetings“ und vor Flip-charts verbracht haben, nicht längst eine Kampagne namens „Regretting Childlessness“ fällig?
Im taz-Interview sagt Orna Donath: „Wir haben oft nur ein Szenario vor Augen: Die Familie sitzt am Tisch, und die Mutter schreit: Du hast mein Leben ruiniert! Aber so ein Gespräch kann auch eine sehr feministische Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter sein, die darauf abzielt, nicht die selben traditionellen Vorstellungen von Mutterschaft zu reproduzieren.“ Also von mir aus, meine Damen, können Sie gar nicht schnell genug diesen schönen Planeten räumen.    MK 14. 4. 2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.