Stationen

Montag, 25. April 2016

Fesch

„Österreicher wählten die Veränderung“ titelte die Kronen-Zeitung vom 25. 4. diplomatisch über das Ergebnis der österreichischen Bundespräsidentenwahl. Zum ersten Mal in der Geschichte der 2. Republik ist die übliche Schwarz-Rot-Konstellation außer Kraft gesetzt: an der Spitze lag der blaue Kandidat Norbert Hofer (36,4%), gefolgt von dem quasi-grünen Konkurrenten Alexander van der Bellen (20,4%).
Dagegen erlangten die Kandidaten der SPÖ und der ÖVP, Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer nur jeweils 11,2% der abgegebenen Stimmen. Sogar die eher farblose unabhängige Kandidatin Irmgard Griss (18%) lag weit vor den beiden Rennpferden der ehemaligen Alpha-Parteien (letztere wurde aus allen möglichen Gründen gewählt; vor allem diejenigen, die von der Aufmischung des politischen Koordinatensystems desorientiert sind, haben sich einiges von ihr versprochen.)
Deutlicher kann sich wohl kaum ausdrücken, wie wenig Lust das Gros der Österreicher noch auf die üblichen Verdächtigen hat, jenen Typus, der sich die Macht im Land Jahrzehnte lang aufgeteilt hat. Van der Bellen ist in dieser Hinsicht eine Mittel- oder Kompromißfigur. Im Gegensatz zu dem vergleichsweise jungen Hofer (Jg. 1971) ist der ehemalige Chef der Grünen ein allseits bekannter Veteran der österreichischen Politik, verkörpert also eine gewisse Kontinuität im Wandel.
Seine Wahlkampagne setzte ulkigerweise noch stärker als jene des blauen Kandidaten auf „bürgerliche“, „heimatliche und „patriotische“ Werte und Sentiments mit Slogans wie „An Österreich glauben“ (V.d.B. mit Wauzi auf der sommerlichen Alm), „Heimat braucht Zusammenhalt“ (V.d.B. vor idyllischer Waldhütte mit Holzzaun (!)) oder „Wir alle gemeinsam“ (V.d.B. staatstragend ernst, strictly business). Für eine ähnliche Ästhetik, insbesondere wegen der Präsenz von Hunden, wurde Strache von grüner Seite mit – Na, wem wohl??? – verglichen.
Das hat natürlich einen aparten Beigeschmack: hier wurde für einen Mann geworben, der zwar als „unabhängiger“ Kandidat antrat, aber zu den Oberhäuptlingen der Grünen zählt, die mit „Heimat“ und Patriotismus bekanntlich bisher wenig am Hut hatten. Demokratie unterscheidet sich eben nur graduell von einem Bordell, und auch Präsidentschaftskandidaten müssen auf den Strich gehen und anbieten, was eben gefragt ist.
Van der Bellen hat kapiert, was das Thema der Stunde ist, und versucht nun, die FPÖ auf der patriotischen Spur zu überholen; das alles ist natürlich eine Verarschung dreistester Sorte. Über „Obergrenzen“ in der Flüchtlingskrise will er nicht diskutieren, und auch, was etwa TTIP angeht, hat er sich als äußerst biegsam erwiesen (was ihm auch von der Grünjugend irrigerweise als „rechts“ angekreidet wurde.)
Auf den ersten Blick mag es so aussehen, daß die bevorstehende Stichwahl Blau vs. Grün die Polarisierung des Landes im Zuge der „Flüchtlingskrise“ widerspiegelt: im Laufe des letzten Jahres sind viele, die es bislang nicht für möglich gehalten hätten, zu den Blauen übergelaufen, während sich die anderen umso verbissener in linksgrüne Dogmatik verschanzt haben. Das hat sich teilweise zu einem Grad verschärft, daß es zwischen Blau und Grün kaum mehr ein „dazwischen“ zu geben scheint.
Womöglich sind aber beide Kandidaten Symptome, daß eine Österreich eine „orbanistische“ Wende bevorsteht. Van der Bellen bot sich gezielt als Alternative für jene Schichten an, die sich wieder nach dem Schutz der Heimat und einem spezifisch österreichischen „Wir“-Gefühl sehnen, die aber einen eingefleischten inneren Widerwillen gegen die FPÖ verspüren, diejenigen, die sich wohl fragen: „Warum müssen Begriffe wie ‚Heimat‘ und ‚Österreich‘ immer ‚rechts‘ sein?“ Daß er sich als Bildungsbürger und Kandidat der „gescheiten“ Österreicher  inszeniert, soll wohl ebenfalls bestimmten bürgerlichen, vorwiegend akademischen Schichten schmeicheln. Jedenfalls war sein Appeal um einiges höher als jener des honorigen schwarzen Kandidaten Andreas Khol.
Norbert Hofer auf der anderen Seite hat der FPÖ ein sympathisches, „nettes“ Gesicht gegeben. Er wirkt gelassen, seriös und „normal“ und vermittelt vielen den Eindruck, daß sich die Zeiten und die FPÖ geändert haben, und nun auch für Schichten wählbar geworden ist, die bisher vor Kontakt mit den Blauen zurückgeschreckt sind. Derselbe Trend zeigte sich auch im sensationellen Überlaufen der respektierten und populären „schwarzen“ Bildungsbürgerin Ursula Stenzel  zur FPÖ im letzten Sommer.
Claus Pándi schrieb in der Krone:
Rechts sind mit Ausnahme der Grünen die anderen Parteien auch schon. Die FPÖ ist nicht mehr das Schmuddelkind der Politik. Das ist ein Verdienst von Norbert Hofer. Der Blaue aus dem Burgenland hat den Freiheitlichen ein freundliches Gesicht gegeben. Sein Wahlergebnis bedeutet mehr als Protest gegen die rot-schwarze Dauerregierung.
Pándi deutet hier an, daß sich das „Overton-Window“ in Österreich wesentlich nach rechts verschoben hat, wie sich auch Van der Bellen „rechts“ weit aus dem Fenster gelehnt hat. Ein Indiz hierfür ist auch das klägliche Scheitern der linken Propagandawelle gegen die Audimax-Performance der Identitären Bewegung. Kein Geringerer als Strache selbst hat sich öffentlich auf die Seite der IBÖ geschlagen.
Wenn nun die mehr oder weniger „identitären“ Appelle Van der Bellens ausschlaggebend waren, dann tun die Wähler, die sich davon angesprochen fühlten, gut daran, sie als opportunistische Täuschungsmanöver zu durchschauen.
Unterdessen füllen sich die Facebook-Seiten Österreichs mit allerlei Gejammer und hysterischen Ausbrüchen; besonders im grünen Lager zeigt man sich ziemlich „butthurt“. Man könnte richtig schadenfreudesüchtig werden. Die Stichwahl am 22. Mai wird noch spannend werden!

Patriotischewuffis 

Grüne Wuffis einst (2007) und jetzt (2016)

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