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Samstag, 28. Mai 2016

Merkel hat ein Alibi

Was ist Demokratie? Spötter sagen gern den alten zynischen Spruch auf: Wenn zwei Wölfe und ein Schaf mehrheitlich darüber abstimmen, wer heute Abend gefressen wird. Stimmt das? Nein, eben nicht. Demokratie heißt in unserem heutigen Verständnis, dass auch die Schwächeren und Unterlegenen weiter dazugehören, mit allen Rechten und ohne Gefahr, von den Mächtigeren und Siegreichen plattgemacht zu werden.
Nach der österreichischen Präsidentenwahl atmeten die Mächtigen in Europa hörbar auf. Gerade nochmal gutgegangen für uns, so die erleichterten Kommentare. Außenminister Steinmeier frohlockte: „Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen.“
„Ganz Europa?“ – ein denkwürdiger Ausspruch. Nachdem wir gelernt haben, wer und was alles „zu Deutschland“, also auch zu Europa, gehört, nämlich „der Islam“ und irgendwie jeder noch so zufällig hereingeschneite Zuwanderer, erfahren wir nun auch, wer nicht „zu Europa“ gehört.

Nämlich beispielsweise rund die Hälfte der österreichischen Wähler und alle anderen Bewohner dieses Kontinents, die in den Augen von Steinmeier und seiner Gesinnungs- und Regierungsgenossen mit dem Wort „rechtspopulistisch“ zu etikettieren sind.
Hier bekommt der bislang etwas schwammige Begriff von der „Umvolkung“ endlich messerscharfe Konturen. Während Millionen Orientalen und Afrikanern ein euphorisches „Willkommen!“ entgegen geschmettert wird, schmeißen sie auf der anderen Seite Millionen von angestammten (Ex?-) Europäern raus aus ihrer Heimat, zumindest im Geiste. Die sind nicht mehr bloß verfemte Falschwähler, sie gehören überhaupt nicht mehr dazu, denn „ganz Europa“ steht gegen sie, basta.

Verblüffend, wie tief jene, die sich selbst so inbrünstig „Demokraten“ nennen, schon heruntergekommen sind. Allerdings wird das mit der Unterscheidung zwischen „uns Demokraten“ und „den Rechtspopulisten“ zunehmend zum Problem für einige der  Selbstbeweihräucherer. Die Linkspartei hatte in dieser Kollektivabgrenzung zur AfD zunächst die große Chance gewittert, trotz des Makels der 45 Jahre SED-Diktatur endgültig in den Reihen der Guten und Braven untertauchen zu können.
Leider gebar der Schachzug einen unangenehmen Nebeneffekt, der sich bei den jüngsten Wahlen zeigte. Die „Protestwähler“, einst treue Kundschaft bei den Dunkelroten, liefen scharenweise zu den Blauen über, weil sie „wir Demokraten“ mit „wir Mächtigen und Etablierten“ übersetzt haben und die Linkspartei nun in der Reihe der Herrschenden sahen, denen man doch einen Denkzettel verpassen wollte.
Da kann man nichts machen. So ungerecht das auch sein mag: Wenn ein Wort allzu oft missbräuchlich verwendet wird, bekommt es eines Tages diesen muffigen Beigeschmack. Bei erschreckend vielen Leuten liegt bereits eine feine Süffisanz im Ton, wenn sie von „den Demokraten“ sprechen. Wenn Steinmeier und Co. sich ordentlich Mühe geben, werden wir bald auch das Wort „Europäer“ kaum noch aussprechen können, ohne mit den Mundwinkeln zu zucken. Und dass sie sich Mühe geben werden, daran dürfte kein Zweifel bestehen.
Unsere Sprache ist einem steten Wandel unterworfen. Während die (eigentlich so schönen) Vokabeln „Demokratie“ und „Europa“ gerade ihren Vergewaltigern zum Opfer fallen, verschwinden andere Lieblingswörter über Nacht aus dem Gebrauch.

Statt von „arm“ und „wohlhabend“ zu sprechen, haben linke Gesellschafts-Ingenieure bislang viel lieber zwischen „sozial benachteiligt“ und „privilegiert“ unterschieden. Das hatte seinen Grund: Arm oder wohlhabend kann man auch aus eigener Schuld respektive persönlichem Verdienst werden. Privilegiert oder benachteiligt wird man dagegen immer von anderen. Die Benachteiligten sind die Opfer, wohingegen sich die Privilegierten schuldig fühlen sollen. So gesehen ist Sozialismus die einzig moralische Antwort, und genau darauf soll diese Unterscheidung ja auch hinauslaufen.

Österreichs Präsidentschaftswahl hat die roten Sprachoffiziere allerdings vor ein Dilemma gestellt. Die „Benachteiligten“ (also die Opfer, die Guten) haben dort nämlich überwiegend den Rechten gewählt, die „Privilegierten“ (also die sozial Schuldigen) den Linken. So was Blödes. Und jetzt? Ach, die Lösung war rasch gefunden: Man sprach einfach von den „höher Gebildeten“ die links abgebogen waren und den „geringer Gebildeten“, die falsch abgestimmt hatten. Klingt doch schon viel gefälliger, fast wie „die Doofen sind rechts und die Klugen links“.
Ist der „sozial Benachteiligte“ damit für immer aus dem korrekten Wortschatz gestrichen? Aber nicht doch! Spätestens, wenn ein Immigrant wegen eines Überfalls im Polizeibericht landet, werden Sie wieder von ihm hören.
 
Diese Österreich-Wahl ist den Mächtigen in Europa trotz ihres glimpflichen Ausgangs ziemlich in die Glieder gefahren. Greift das jetzt um sich? Nein, nein, beruhigt CDU-Vize Armin Laschet die nervöse Gefolgschaft; es kämen ja kaum noch „Flüchtlinge“, damit habe sich das Aufregerthema Nummer eins bald erledigt und damit auch die Gefahr, dass die Opposition von rechts noch stärker wird.
Wenn er sich da mal nicht irrt. Es geht nämlich gerade wieder los, allein am vergangenen Montag landeten 2600 Leute aus Afrika in Italien an. Auf einem regelrechten Gipfeltreffen in Kabul hatten sich zuvor 28 Bosse der weltweit größten Schlepperorganisationen versammelt, um ihre Arbeit besser abzustimmen und zu optimieren.

Laut Geheimdiensten wollen sie wegen der Schließung der Balkanroute, die in Kabul sehr bedauert worden sei, neue Wege von Afghanistan über Georgien, Russland, die Ukraine und Ungarn „erkunden und ausbauen“. Die Reisezeit nach Europa solle auf drei Wochen verkürzt werden. Außerdem sollen vermehrt auch Frauen geschleust werden, weil sich in Europa angekommene männliche „Kunden“ beschwert hätten. Mindestens 300 Afghanen sollen am Tag auf die Reise gehen.
Die „Rechtspopulisten“ geben ja Angela Merkel eine Mitschuld an der Asylflut, manche beschimpfen sie gar als Schleuserin. Immerhin hatte die Kanzlerin die Schließung der Balkanroute scharf kritisiert und befindet sich damit in peinlicher Übereinstimmung mit den Teilnehmern des Ganoven-Gipfels. Doch um Verdächtigungen vorzubeugen: Merkel war in Kabul selbst nicht dabei. In den an bundesdeutsche und österreichische Zeitungen durchgereichten Agentenberichten wird die deutsche Regierungschefin jedenfalls nicht als Teilnehmerin vermerkt.
Außerdem wurde sie zu der Zeit in Berlin gesehen und kurz darauf in der Türkei, hat also ein Alibi. Am Bosporus traf sie zum x-ten Mal auf den türkischen Präsidenten Erdogan, der auch diese Gelegenheit nicht verstreichen ließ, seine deutsche Gesprächspartnerin hämisch vorzuführen.

Gleichzeitig mit Merkels Türkei-Besuch rutschte die Nachricht durch, dass türkische Behörden besonders gern „schwere medizinische Fälle oder Flüchtlinge mit sehr niedriger Bildung“ in die EU weiterleiten. Akademikern dagegen werde die Ausreise nach Westen verweigert. Warum kommt das ausgerechnet zum Merkel-Besuch heraus? Wie steht die Kanzlerin denn jetzt da?
Wer der CDU-Chefin in die Augen schaut, kann jedenfalls deutliche Anzeichen dafür entdecken, dass ihr die Freude an den Treffen mit ihrem osmanischen Folterknecht vergangen ist. Allerdings ist der vielleicht schon bald gar nicht mehr so wichtig. Wenn die neue Schleuserroute über den Kaukasus in Schwung kommt und auch der Italien-Transfer wieder Fahrt aufnimmt, wiederholt sich der vergangene Sommer auch ohne die Türkei-Strecke. Freuen wir uns auf spannende Monate und viele neue Sofort-Dazugehörer aus fernen Ländern.   Hans Heckel

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