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Donnerstag, 16. Juni 2016

Die AfD zerstört sich selbst

Vollkommen daneben lag ich in der vergangenen Woche mit der Behauptung, die AfD gehe im Falle der Affäre Gedeon und dessen antisemitischen Veröffentlichungen geschlossen vor. Das Gegenteil ist der Fall. Es tritt stattdessen ein Machtkampf hervor, der an Schärfe an den Konflikt heranreicht, den die junge Partei Anfang des vergangenen Jahres um ihren Frontmann Lucke durchlebt hat.
Von kollegialer Zusammenarbeit im Bundesvorstand kann schon lange keine Rede mehr sein. Mehr als zwei Fraktionen an der Spitze belauern sich gegenseitig, warten auf passende Gelegenheiten, um die jeweils andere unschädlich zu machen.
An erster Stelle sind dies die beiden Bundessprecher Frauke Petry und Jörg Meuthen. Petry ist das bundesweit bekannteste Gesicht der Partei, sie mußte aber auf dem Stuttgarter Parteitag wahrnehmen, daß ihr Meuthen an Statur und Zustimmung inzwischen ebenbürtig geworden ist. Das konnte schon Lucke bei Petry nicht ertragen, und das erträgt Petry offenbar nun bei Meuthen nicht. Wer beide befragt, wird zwei entgegengesetzte Versionen hören, wer wann mit welchen Zurücksetzungen angefangen haben soll.
Wahrscheinlich ist das alles allzumenschlich und gruppendynamisch vorhersehbar: Aber, das sei aus dem Publikum hinaufgerufen, es ist ein erbärmliches Affentheater, das Personen an der Spitze der AfD bieten, die angetreten sind, Deutschland zu erneuern und die ihre eigene Person eigentlich diszipliniert den Herausforderungen des Landes unterordnen müßten.
Wenn in der kommenden Woche Meuthen beim Versuch, den untragbar gewordenen Abgeordneten Gedeon loszuwerden, scheitern sollte, dann dürften auch Emissäre von Petry ihre Hände im Spiel gehabt haben – sagen Gerüchte aus dem Meuthen-Umfeld. Umgekehrt beobachtet die Petry-Fraktion mit Empörung, daß sich Meuthen gemeinsam mit Alexander Gauland ausgerechnet auf ein Bündnis mit dem Rechtsaußenflügel um den für seine unfreiwillig komischen Volksreden berühmten Björn Höcke einläßt – nur um Petry, die eine Gegnerin Höckes ist, auszubremsen.
Ist das Tischtuch erst einmal zerschnitten, der Kopf vom Kampf um die Macht vernebelt, operieren manche nach der Devise: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Ob dabei die charakterliche Integrität und inhaltliche Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt, wird dann nachrangig. Lachender Dritter dieses überflüssigen Machtkampfes werden im Zweifel andere sein, die übrigens das ihre tun, um den Konflikt zu befeuern. Ein Mittler scheint nicht in Sicht.
Der Fall Gedeon wäre für die AfD eigentlich ein Glücksfall, zu klären, wofür sie moralisch, geschichtspolitisch, inhaltlich steht. Diese Chance wird, das steht leider zu befürchten, einem absurden Machtkampf geopfert.  Dieter Stein

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