Stationen

Samstag, 11. Juni 2016

Konstrukte und Dekonstrukte

In seiner "Gegenaufklärungs"-Kolumne macht Karlheinz Weißmann darauf aufmerksam, dass der FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube im Rahmen seines bislang schon von hoher Elastizität zeugenden zeitgeistkonformen Stretchingprogramms nunmehr nach der "Identität" auch das "Volk" unter der Kategorie "Konstrukt" und damit in jenen von semantischen Taliban errichteten Zellentrakt einsortiere, wo ja viel elementarere Entitäten wie Männlichkeit und Weiblichkeit bereits bedröppelt einsitzen.
Weißmann stellt die Frage, warum Kaube nicht auffalle, dass lange vor einer recht handfesten Sache wie dem Volk doch eher wachsweiche Postulate wie der "Universalismus" und die "Menschenrechte" als "Konstrukte" überführt und dem Abgeräumtwerden preisgegeben werden müssten.

Aber natürlich ist Weißmann klar, dass in diesen Kreisen gilt: Was Konstrukt ist, bestimmen wir! (Ob Kaube, am Rande und apropos, auch die Juden für ein Konstrukt hält? 3000 Jahre Konstrukt, nun langt's aber allmählich? Und erklärt er den Islam ebenfalls zum sozialen Konstrukt, ich meine: coram publico? Was immerhin insofern anschlussfähig wäre, als sich dann die Drohfähigkeit als letzte und ultimative Differenz zwischen all den sozialen Konstrukten festmachen ließe.)

Merke denn also: Die Würde des Menschen ist nicht unantastbar, sondern ein soziales Konstrukt. Gerade in Zeiten, da importierte soziale Konstrukte eingesessenen sozialen Konstrukten seriell an die höchst reale Wäsche gehen, scheint dieser konstruktivistische, jedenfalls konstruktive Hinweis geboten. Und ist es nicht phänomenal, wenn importierte soziale Konstrukte autochtone soziale Konstrukte vergleichbar seriell bestehlen, berauben oder ihnen auf den Kopf treten, getreulich entlang der gottlob nur konstruierten Fremdheitslinien? Ob unser soziales Konstrukt irgendwann dagegen, hui, aufsteht und seine Dingens schließt? Oder lässt es sich am Ende von Parolen der semantischen Selbstmordattentäter mürbe machen?   MK am 10. Juni 2016

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