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Mittwoch, 15. Juni 2016

Kontrast

TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat sich nach dem Besuch einer Asylunterkunft skeptisch über die Integrationschancen von Flüchtlingen gezeigt. „Es fällt mir ungeheuer schwer, mir vorzustellen, wie wir diese Menschen in unsere Gesellschaft, unser Bildungssystem, unseren Arbeitsmarkt integrieren sollen. Wenn das gelingen soll, dann ist das eine Riesenanstrengung über ein Jahrzehnt und überhaupt nur denkbar, wenn die Zahl weiterer Neuankömmlinge begrenzt bleibt“, schrieb Palmer auf Facebook.
Der Grünen-Politiker hatte am Dienstag eine Stadthalle in Tübingen besichtigt, in der seit einem halben Jahr mehr als hundert Asylsuchende untergebracht sind. Die Verhältnisse beschreibt Palmer als „nicht schön“, aber „annehmbar“. Zwar gebe es die typischen Nachteile einer Hallenunterkunft, wie mangelnde Privatsphäre, dennoch sei mehr Platz pro Person verfügbar und die sanitären Anlangen seien neu.
Kritisch äußert sich Palmer zu der Anspruchshaltung der überwiegend syrischen und afghanischen Asylsuchenden. „In der Halle erwartet mich eine Demonstration ausschließlich von Kindern. Sie alle halten Schilder hoch, die menschenunwürdige Zustände beklagen. Die Frauen sind so weit im Hintergrund und alle verschleiert, daß sich kein Kontakt ergibt.“

Mit Hilfe zweier Dolmetscher kommt er mit einer Gruppe Männer ins Gespräch: „Der Tonfall ist empört, fordernd, fast schon aggressiv. Ich erkläre, daß ich verstehe, daß niemand so auf Dauer leben möchte und wir nur um eines bitten: Zeit, die wir für die Lösung brauchen.“ Als eine Helferin entgegnet, sie verstehe die Kritik der Asylsuchenden nicht, die Halle sei schließlich gut, erwidert ihr einer der Männer, lieber lebe er mit den Bomben als in dieser Halle.
Palmer schreibt weiter: „Die Gruppe, die etwa ein Viertel der Flüchtlinge in der Halle ausmacht, stammt größtenteils aus Syrien und Afghanistan. Die Erwartungen sind offensichtlich fürchterlich enttäuscht, die Stimmung ist beängstigend bis depressiv.“
Helfer der Unterkunft berichten dem Grünenpolitiker, drei Viertel der Asylsuchenden seien zufrieden und dankbar, eine Demonstration wie die der Kinder, habe es in der Vergangenheit nicht gegeben. Statt dessen habe „eine dubiose Gruppe von Linksautonomen“ die Asylsuchenden aufgewiegelt und ihnen wohl den Eindruck vermittelt, durch öffentlichen Druck könnten sie die Halle schneller verlassen.
Doch die Hausmeister widersprechen dieser Version. „Die haben sich vorgestellt, sie bekommen hier sofort ein Haus und alles läuft von selbst. Die Erwartungshaltung ist maßlos. Dankbarkeit gibt es nicht“, erzählt einer von ihnen. Auch müsse wegen Streitigkeiten immer wieder die Polizei gerufen werden.
Gegen Ende seines Berichts, verteidigt sich Palmer gegen drohende Kritik, daß er seine Eindrücke und Befürchtungen öffentlich gemacht habe. „Darf man so ein Erlebnis zur Diskussion stellen? Ich meine nach wie vor, es nutzt niemandem, die Situation anders zu beschreiben, als man sie sieht. Daß sie so ernst sein kann, bedrückt mich.“   JF


Wer aus der Reihe tanzt und die Wahrheit verbreitet, wird sofort von der FAZ verleumdet.

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