Stationen

Freitag, 30. September 2016

Eine Posse aus der Bundeshauptstadt

Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber ist dem gemeinen Publikum in erster Linie durch sein avanciertes Brillengestell und seine Fähigkeit bekannt, krachende Wahlniederlagen in eine Bestätigung der Politik Angela Merkels umzudeuten.

Seine politische Karriere begann Tauber im hessischen Wächtersbach, um dann zum CDU-Vorsitzenden in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) aufzuzsteigen. Danach wechselte er in die Großstadt und qualifizierte sich für die Rolle des führenden CDU-Polit-Hipsters in Berlin. Am morgigen Samstag steht der 42jährige zur Wiederwahl.
Ein schöner Tag also, um sich ein wenig Gedanken über Herrn Taubers unheimliche Talente zu machen. Das ist in diesen Tagen nichts ungewöhnliches. Von der Süddeutschen Zeitung über Die Welt bis zu Die Zeit berichten viele Medien über eine äußerst kreative Mobbing-Affäre, in die Tauber verstrickt ist. Sie führt zurück in die hessische Provinz und ist schon ein paar Jahre her. Insofern könnte man die Sache eigentlich abhaken, wenn es da nicht eine aktuelle Fortsetzung geben würde. Sie hängt mit den Sexismus-Vorwürfen des jungen Berliner CDU-Mitglieds Jenna Behrends zusammen, die Peter Tauber ausdrücklich begrüßte: „Wir brauchen eine größere Sensibilität in allen Bereichen der Gesellschaft, denn Sexismus ist nicht nur ein Problem in der Politik“, sprach der sensible General.
Sensibel ist für ihn allerdings ein neues Fach. Aber der Reihe nach. Zunächst einmal: Was ist damals im CDU-Kreisverband Gelnhausen vorgefallen? In seiner Zeit als Kreisvorsitzender sollte offenbar die ehemalige Geschäftsführerin Anne Höhne-Weigl aus ihrem Job gemobbt werden. In diesem Zusammenhang tauchte ein Papier auf, von dem Peter Tauber im für ihn besten Fall gewusst hat (das hat er inzwischen zugegeben) und an dem er im schlimmsten Fall mitgeschrieben hat (So die Vorwürfe aus dem Kreisverband). Das Papier trägt den sensiblen Titel: „Pflegehinweise für ein Kaninchen“. Darin sind detailierte Maßnahmen aufgelistet, wie man die Frau jenseits jeder gesetzlichen Möglichkeiten mürbe machen und hinausekeln könnte. Dazu zählte beispielsweise die Idee, der ebenfalls im Kreisverband tätigen Tochter zu kündigen, um die Mutter zu treffen.
Das Papier würde jedem Entmietungs-Hai zur Ehre gereichen. Noch schlimmer aber ist die historische Konotation des Begriffs Kaninchen in einem solchen Zusammenhang. Als Kaninchen bezeichneten Nazi-Ärzte die Frauen, die sie für ihre Experimente im Konzentrationslager Ravensbrück missbraucht haben. Tauber ist unter anderem  Lehrbeauftragter am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er muss um die zynische Bedeutung der „Pflegehinweise für ein Kaninchen“ gewusst haben - und hat dennoch nichts gegen das Papier unternommen. Das wirft die Frage nach der moralischen Integrität eines der engsten politischen Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf.
Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Sie geht erst richtig los. Exakt zu dem Zeitpunkt, als der Kaninchen-Skandal ruchbar wurde, ging am 23. September in Berlin eine andere Bombe hoch. Im militärischen Jargon würde man von einem klassischen Entlastungs-Angriff sprechen. Jenna Behrends, eine in der Berliner CDU engagierte junge Frau, ging mit Sexismus Vorwürfen innerhalb der Berliner CDU in die Öffentlichkeit. Die Medien stürzten sich darauf wie ein ausgehungerter Metzgerhund auf einen abgenagten Knochen. Tauber hatte erst mal Ruhe und konnte sich in Bild am Sonntag als moralischer Vorkämpfer gegen Sexismus profilieren.
Inzwischen ist Jenna Behrends krudes J’accuse („Liebe Partei, wir müssen reden“) zu einer Sexismus-Klamotte geschrumpft, die einfach nur noch peinlich ist. Der bislang einzig belegte Fakt in Behrends Erzählungen ist folgender: Auf dem Parteitag der Berliner CDU traf die junge Frau mit ihrem Töchterchen auf den Berliner CDU-Innensenator Frank Henkel  – und zwar auf dem Spielteppich für Kinder. Henkel hatte seine Lebensgefährtin und seinen  Sohn dabei. Er freute sich über das Töchterchen von Frau Behrends „eine süße kleine Maus“ und auch über die Mutter „eine süße große Maus“. Das war’s. Alle anderen Vorwürfe sind Kolportagen und Hörensagen, Gossip, Tratsch. Es mag in der CDU Sexismus geben, aber diesen Vorwurf sollte man anständig belegen. Alles andere ist üble Nachrede.

Die  traf nicht nur Frank Henkel. Auch der Berliner Abgeordnete Sven Rissmann wurde in die Vorwürfe hineingezogen. Frank Henkel hatte sich kurz zuvor beim Treffen der CDU-Innenminister als treibende Kraft für eine Obergrenze in der Flüchtlingsfrage ausgesprochen. Rissmann hatte im Juli einen Brandbrief an die Bundeskanzlerin initiiert: „Die gegenwärtig praktizierte ‚Politik der offenen Grenzen‘ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU.“
Über Jenna Behrends und Peter Tauber schreibt der Tagesspiegel, dass sich Behrends und Tauber „Mindestens gut kennen“. Die junge Frau berichtet, sie habe vor der Veröffentlichung mit einem „Parteifreund“ aus dem Bundesvorstand über ihre Absicht gesprochen. Ob dieser Parteifreund Peter Tauber war oder das Phamtom der Oper, weiß nur der Wind. Fest steht jedenfalls, dass Behrends Vorhaben im CDU Bundesvorstand bekannt war, bevor es zur Veröffentlichung kam.   Dirk Maxeiner

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