Stationen

Dienstag, 20. September 2016

Schilda unter Merkel

Unser aller Domina und Geiselnehmerin hat angeblich Selbstkritik geübt. Weil sich das Stockholm-Syndrom bei vielen ihrer Geiseln in Missfallen aufzulösen droht? In einer Umfrage hatten 82 Prozent der befragten Bundesbürger einen Kurswechsel in der sogenannten Flüchtlingspolitik gefordert, was sogar A. Merkel zu registrieren sich genötigt fühlte. Vor die Presse tretend, sprach sie: "Wenn ich dieser schieren Zahl präzise entnehmen könnte, welche Kursänderung sich die Menschen wünschen, dann würde ich darüber gerne in eine Diskussion eintreten." Wenn damit aber gemeint sei, setzte unsere Fremdenführerin keck hinzu, dass die Menschen schlichtweg keine Fremden und speziell keine Fremden islamischen Glaubens in Deutschland wollten, dann könne sie als Kanzlerin dem nicht folgen, weil das Grundgesetz und das „ethische Fundament" der CDU (nicht das ethnische!) dem widersprächen. "Wenn die 82 Prozent mir aber sagen wollen, die Situation aus dem vergangenen Jahr soll sich nicht noch einmal wiederholen, dann kämpfe ich genau dafür. Diesem Ziel dienen alle Maßnahmen der letzten Monate."
Im Klartext: Schnauze! Entweder ihr seid Fremdenfeinde, mit denen man nicht reden muss, oder ich mache sowieso alles richtig (also nochmals und erst recht: Schnauze!). Dazwischen gibt es nichts. Fremdenfeinde seid ihr übrigens auch dann, wenn ihr meint, nachdem ich euch anderthalb oder knapp zwei Millionen – wer weiß das schon genau? – Fremde islamischen Glaubens in die Vorstädte und -gärten gewuchtet habe, sei allmählich Schluss. Es wird obergrenzenlos immer so weitergehen. Alles andere widerspräche nämlich dem Grundgesetz. Warum? Nun, die Alliierten in ihrer weisen Voraussicht haben den regelmäßig brav zum Rapport anschlappenden Vätern und Müttern desselben einige hinreichend teigige Paragraphen diktiert, notfalls lässt sich aus dem GG auch die Pflicht der Deutschen zur Selbstabschaffung lesen (wegen der Menschenwürde bzw. -rechte auf der Welt und so), wenngleich orthodoxe und hierorts bereits zitierte Rechtsgelehrte durchaus der Meinung sind, das GG gelte speziell für die Deutschen. Um diese Herrschaften kümmern wir uns noch. Außerdem gebietet das "ethische Fundament" der CDU, dass sich Deutschland unter anderem eben auch für Christenverfolger und Antisemiten öffnet. Hat irgendwer was Fremdenfeindliches dazu zu sagen?

"Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser komplizierten Phase besser hinausgehen werden, als wir hineingegangen sind", versicherte die Kanzlerin schließlich, die deutsche Sprache und Semantik einmal mehr verhöhnend und meiner Merkeliana-Sammlung ein weiteres Exempel autoritären Sprachmülls hinzufügend. Und ich werde jetzt besser aus diesem Text hinausgehen und mich, ehe ich sie vergesse, in meine gute Kinderstube zurückziehen, um dort all jene Worte zu verschlucken, die mir angesichts dieser obszönen Person auf der Zunge liegen.

Nachtrag: Ich habe mich zu früh absentiert, so physiologisch verständlich meine Gründe gewesen sein mögen. Es muss aber noch einmal in aller Seelenruhe auf das Merkel'sche Statement eingegangen werden. Die Kanzlerin hat nämlich 
1. im Grunde zugegeben, dass sie mit ihrem politischen Latein am Ende ist und gern "die Menschen da draußen im Land" (so nennt Merkel gemeinhin die Deutschen) fragen würde, wie es weitergehen soll;
2. die für eine Regierungschefin fatale Bemerkung gemacht, sie würde noch lieber die Zeit zurückdrehen, also indirekt eingestanden, von den Geschehnissen überrollt worden zu sein (und also keineswegs, wie der Professor Münkler beharrlich nachzureichen beliebt, einen über die persönliche Machterhaltung samt moralischer Heiligenscheinpolitur hinausgehenden Plan verfolgt);
3. in halbwegs schizophrenem Kontrast dazu bekanntgegeben, dass Obergrenzen gleichwohl nicht in Frage kommen und sie inzwischen schon wieder weiß, wo es langgeht, nämlich sacht tempogedrosselt in dieselbe Richtung;
4. unterstellt, dass 82 Prozent der Deutschen (bzw. Menschen da draußen im Lande) womöglich Fremdenfeinde seien bzw. nicht wollten, dass Fremde hier einwandern, und beteuert, in diesem Fall könne sie leider nicht mit ihnen in einen Dialog treten.

Was Punkt 4 angeht: Außer ein paar Harthirnen ist in diesem Land kein Mensch der Ansicht, es sollte hier niemand einwandern, aber ich habe "das absolut sichere Gefühl", ca. 82 Prozent meinen, dass ein Staat kontrollieren und sogar steuern sollte, wer einwandert, zum Beispiel hilfsbedürftige Flüchtlinge und qualifizierte Arbeitskräfte, und dass er diejenigen des Landes verweisen sollte, die illegal eingereist sind, ihre Rechnungen nicht selber bezahlen wollen oder kriminell werden. Und um noch auf Punkt 3 – die angeblich nicht funktionierende Obergrenze – zu kommen: Artikel 16a Grundgesetz schreibt bekanntlich vor, dass derjenige keinen Anspruch auf Asyl genießt, der aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland (bzw. zu den Menschen da draußen im Land) einreist. Das dürften dermaßen viele sein, dass Obergrenzen uns wie Untergrenzen vorkämen, gälte hierzulande tatsächlich das Grundgesetz. Sollte es zu einer europäischen Kontingentlösung kommen, werden die anderen Europäer clever genug sein zu verhindern, dass auch dann noch z.B. Afghanen mit japanischen Pässen europäischen Boden betreten; Schilda unter Merkel – und vermutlich nicht nur unter Merkel – muss von einem Kordon aus Zurechnungsfähigen geschützt werden.

PS: "Sehr geehrter Herr Klonovsky, erlauben Sie mir eine Anmerkung zu Ihrem heutigen Beitrag", schreibt Leser ***. "Hartnäckig – und auch leider bei Ihnen – wird der Artikel 16 Grundgesetz ständig im Rahmen der Flüchtlingsdebatte angeführt. Natürlich kann so gut wie niemand diesen Schutz in Anspruch nehmen, da nur die wenigsten Asylanfrager per Flugzeug oder per Boot in bzw. an Deutschland landen. 

Die große Masse der Syrier bekommt in Deutschland subsidiären Schutz nach §4 Asylgesetz. Dieses Gesetz ist eine rechtliche Konkretisierung der GFK (Genfer Flüchtlingskonvention) von 1951.
Deutlich weniger bekommen Flüchtlingsschutz nach §3 AsylG (Das ist quasi Artikel 16 für Zugfahrer). Der Aufenthalt wird in beiden Fällen nach 3 Jahren wieder überprüft. Bei Anerkennung nach §4 ist bis 2018 der Familiennachzug ausgesetzt. Deshalb klagen viele Anerkannte auf ein Upgrade nach §3.
Zusätzlich erhalten viele Flüchtlinge einen Aufenthaltstitel nach §60 Abs. 5 und 7 AufenthaltsGesetz, werden also aus humanitären Gründen (Europäischen Menschenrechtskonvention) bzw. gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben.

Die 2. sehr große Gruppe sind Flüchtlinge aus Afghanistan. Davon werden 44% als Flüchtlinge anerkannt, der Rest wird aus humanitären Gründen trotz Ablehnung nicht  in das gebeutelte Land abgeschoben. Auch wenn Fr. Merkel den Staubsauger unverantwortlich angeworfen hat: es geht hier überhaupt nicht um Artikel 16!"

Auf meine Frage, warum das Asylgesetz das GG "bricht", erwiderte ***:

"Artikel 16 wurde ja 1993 im Rahmen der damaligen Flüchtlingwelle beim sog. Asylkompromiss nach Artikel 16a Abs. 1 'ausgelagert' und in den folgenden Absätzen restriktiv beschränkt. Dieses 'Große Asyl' bekommt deshalb heutzutage kaum noch ein Antragsteller. Das Asylgesetz konkretisiert Artikel 16a und regelt das Asylverfahren. Es 'bricht' also kein Grundgesetz. Zur Veranschaulichung füge ich §1 AsylG. ein:

§ 1: Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:
1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes....

Wir reden also eigentlich vom Flüchtlingsschutz nach §3 Asylgesetz, wo die politische Verfolgung nur 1 von 5 möglichen Verfolgungsarten ist. Leider wird das nie ordentlich getrennt, da beides unter dem Label 'Asylgesetz' läuft. Die große Anzahl der Antragssteller beantragt also quasi das 'Kleine Asyl', das nicht auf Artikel 16a gründet. Das BAMF prüft zuerst die Flüchtlingseigenschaft und erst nach positiver Prüfung die 'wahre' Asylberechtigung, die allerdings so gut wie nie vorliegt.
Es ist allerdings wahrhaft traurig, dass sämtliche Leit- (hier wohl eher Light-) Medien und zusätzlich fast alle Politiker diesen Sachverhalt grundsätzlich falsch darstellen."   MK am 20. 8. 2016

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