Stationen

Samstag, 15. Oktober 2016

Das falsche Wort, das Relativieren und das Verschweigen

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und alle Dinge sind daraus gemacht. So steht es in der Bibel. Aber wenn das Wort falsch, irreführend ist? Irgendwann im Frühjahr 2015 tauchte das Wort „Flüchtling“ auf, verbreitete sich und setzte sich fest. Es fühlt sich warm und menschlich an, und ist doch vergiftet.
Denn es überdeckte alle Gründe, warum Menschen den Ort wechseln: Asylbewerber wurden zum Flüchtling, Wirtschaftsflüchtlinge auch. Auswanderer, Einwanderer, reisende IS-Terroristen, syrische Bombenopfer und syrische Schergen, Legale, Illegale, Gastarbeiter, woher immer sie kommen. Es werden Klimaflüchtlinge erfunden und schließlich die Auflösung aller Grenzen propagiert: Kein Mensch ist illegal.

Nun soll man Flüchtlingen helfen, sie aufnehmen, unterstützen. Aber die Unterschiedslosigkeit ist das Problem. Wer Motive und Fluchtursachen begrifflich auflöst, löst jede Differenzierungsmöglichkeit, jede spezielle Notwendigkeit, Verpflichtung und Verantwortung in der Salzsäure des Willkürlichen auf.
Das F-Wort war die Falle, in die zunächst viele Medien und schließlich die sonst so kühl kalkulierende Angela Merkel im Sommer 2015 tappten:
Die Unterschiedslosigkeit der Begrifflichkeit führte zur Hilflosigkeit und Aufgabe jeder eigenen Handlungsmöglichkeit. Weil alle Zuwanderer Flüchtlinge genannt wurden und werden und damit alle Anspruch zumindest auf Überprüfung ihres Anspruchs auf Asyl haben, entstand eine Welle von Flüchtlingen, der nicht standzuhalten war. Im Sommer 2015 gab Deutschland die Kontrolle über seine Außengrenzen auf, und wer wollte, konnte anschließend frei einreisen, sich um Asyl bewerben, untertauchen oder wieder zurückkehren, seine Identität verschleiern und neu erfinden. Das falsche Wort verwirrte ein ganzes Land.

Seither perfektioniert die Regierung Merkel die Verwendung falscher Begriffe, statt durch richtige Benennung die Voraussetzung für Handeln zu schaffen: 3600 Kilometer deutsche Grenze lassen sich nicht kontrollieren? Es soll ja Länder geben, die schaffen das Zehnfache. Und dabei geht es nur um ein kurzes Stück entlang Österreichs; dass Flüchtlinge aus Polen, Tschechien, Holland oder Frankreich und der Schweiz nach Deutschland kommen, war ja nicht die Bedrohung.
Seither die anhaltende Debatte über „Obergrenzen“. Was spricht dagegen, eine Grenze des Machbaren zu definieren? Niemand verlangt eine punktgenaue Einhaltung einer politisch definierten Größe. Das Asylgesetz ist änderbar, zumal von einer Großen Koalition mit noch nie dagewesener Mehrheit. Es sind Wortgirlanden einer Regierung, die Handlungsunwilligkeit vertuschen will. Dass sich neuerdings SPD-Chef Gabriel aus der Verantwortung zu stehlen versucht, ist peinlich.

Die organisierte Tatenlosigkeit gipfelte in dieser fatalen Twittermeldung vom 25. August 2015 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, neudeutsch zu BAMF verkürzt: "#Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt.“
Das ist der eigentliche Wendepunkt der Masseneinwanderung: Von dem Tag an weigerten sich Migranten, die im Bahnhof von Budapest angekommen waren, sich kontrollieren und registrieren zu lassen. Ab diesem Tag begann die große Wegwerfe der Pässe: Seither haben sich Nenn-Syrer sehr schnell vermehrt. An diesem Tag und mit diesem Tweet, der sich in kürzester Zeit unter den mit Smartphones bewaffneten Wanderungsbereiten in Afrika ausbreitete, begann der riesige Treck nach Deutschland.

Hier beginnt die Veränderung Deutschlands und der Riss innerhalb Europas, der zum Brexit beitrug und nicht nur die osteuropäischen Staaten zur Opposition gegen die einsamen Entscheidungen Deutschlands führte. Der Auslöser ist die Erkenntnis der sogenannten Flüchtlinge, dass Deutschland die Grenzen bereits an jenem 25.  August per Twitter bedingungslos geöffnet hatte – nicht nur für 3000 in Ungarn Gestrandete, sondern für alle. Woher auch immer.
Der BAMF-Tweet ist die Kapitulationsurkunde der Regierung Merkel, die seither nur noch eine amtierende „Regierung Ratlos“ ist. Seither leben Hunderttausende ohne Kontrolle in einem Land, in dem sonst Kehrwoche, Mülltrennung und jedes Knöllchen penibel verfolgt werden.

Der Rechtsstaat gilt nur noch für Einheimische, für Zuwanderer gelten Sonderrechte. Für unantastbar gehaltene Säulen der Rechtsordnung fallen: Sex mit Kindern? Kein Problem für Zuwanderer, die ihre elf oder 12, 13 Jahre alten Kind-Frauen nach Deutschland holen; 2200 Fälle sind bekannt. Justizminister Heiko Maas in praller Unfähigkeit richtet eine Arbeitsgruppe ein; Frauenministerin Manuela Schwesig eröffnet eine Kampagne gegen „Herrenwitze“. Die Realität überholt den schmutzigst-denkbaren Herrenwitz, die Regierung handelt nicht. Sie akzeptiert diese rechtsfreien Räume; im Schlafzimmer wie auf den Straßen.
Der Kontrollaufgabe an den Grenzen folgte der Kontrollverlust im Innern: Die Kölner Silvesternacht, die Attentate von Würzburg und Ansbach, Übergriffe in Freibädern, explodierende Gewalt und Kriminalität, eine Lawine von Kosten – menschlicher, wirtschaftlicher und politischer – überrollt Deutschland und schwächt das bisherige wirtschaftliche Kraftwerk des Kontinents. Die Merkel-Flüchtlinge nutzten das Scheunentor des falschen Worts; welche Enttäuschungen auf sie warten, hatte ihnen niemand gesagt.

Regierung, Opposition und viele Medien verwandelten ein Land zum Narrenschiff. Statt die Regierung zu kontrollieren, applaudierte die Opposition. Unvergessen Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen, die davon schwärmte, dass Deutschland „Menschen geschenkt“ bekomme. Die Eliten des Landes torkelten im Rausch, selbst so kühle Manager wie Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkten, als sprächen sie in einem Zustand der kompletten Verkehrsuntüchtigkeit: Zetsche sah in den weitgehend unausgebildeten, schwer integrierbaren und kaum integrationsbereiten Migranten ein neues Wirtschaftswunder.

Forschungsinstitute wie das regierungsnahe DIW rechneten flugs neue Wachstumsraten aus. Die akademischen Milchmädchen müssten sich heute schon schämen für ihren bedingungslosen Applaus. Kurz vor der Pension macht sich der BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise kurz ehrlich und gesteht ein, dass ohne Lohnsubventionen die meist komplett unqualifizierten Zuwanderer keine Arbeitsplatzchancen haben. Die Mindestlöhne werden formal für Einheimische beibehalten – für Zuwanderer wird der Weg bereitet, sie staatlich zu subventionieren.
Die reichweitenstarken Medien hätten sich das Motto der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das“ – unkritisch und völlig undifferenziert zu eigen gemacht, kritisiert im Sommer 2016 der Medienforscher Michael Haller nach Auswertung von über 34 000 Artikeln und TV-Beiträgen. 82 Prozent der Berichterstattung zum Flüchtlingsthema seien im Fach Jubelmeldung abzulegen; sachlich oder gar kritisch war nur der verschwindende Rest. Die Wörter werden falsch. Die Bürger spürten es schon früher. Seither spukt das Wort von der „Lügenpresse“ herum.

Klar war, dass die anderen Mitgliedsstaaten der EU der deutschen Grenzöffnung nicht folgen würden. Trotzdem hält die Bundesregierung an der Behauptung fest, dass es zu einer europaweiten Verteilung kommen werde – nichts davon ist wahr, das Narrenschiff schlingert allein durch die rauen Wogen. Vielmehr spaltet die Verteilungsforderung Europa: Deutschland ist isoliert. Aber natürlich sind die anderen die Europa-Feinde; die falschen Wörter überschlagen sich.

Dass in Großbritannien eine Mehrheit für den Ausstieg aus der EU gestimmt hat, ist auch eine Folge der Kontrollaufgabe und des Kontrollverlusts der Regierung Merkel: Großbritannien ist eines der einwanderungsfreundlichsten Länder – aber legt doch Wert auf Kontrolle. Ungarn legte mit einem Referendum Anfang Oktober nach. Merkel hat das gemeinsame Haus Europa in ein einsturzgefährdetes Gebäude verwandelt.

Was früher undenkbar war, gilt nun als möglich: ein Sieg des Front National bei den französischen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr.
Die Augen wurden geschlossen, um die Wahrheit nicht sehen zu müssen. Mittlerweile führt die Rückverfolgung der Attentäter von Paris und Brüssel in deutsche Flüchtlingslager. Alles Verschweigen und Relativieren führt nicht zur Beruhigung, sondern bringt ganz im Gegenteil die Zuwanderer insgesamt in Verdacht. Mit der Einwanderungswelle kamen „Tausende hoch gefährliche Salafisten und andere religiöse Eiferer, die nicht kontrolliert wurden, deren Identität verschleiert ist“, schreibt Rainer Wendt, immerhin Vorsitzender der Polizeigewerkschaft. Es sind Zuwanderer, die die Sicherheitsbehörden „nicht sehen und beobachten, nicht abhören oder überwachen können, und von denen wir vor allem nicht wissen, wann und wo sie mit fürchterlichen Terroranschlägen in Erscheinung treten werden“.
Und jetzt sind „Hunderttausende Menschen ins Land gekommen, von denen wir nicht wissen, wer sie sind. Woher sie kommen. Mit welcher Absicht sie hier sind. Bei etlichen ist nicht einmal klar, wo sie sich aufhalten. Vielleicht sind es eine Million, vielleicht anderthalb. Wer genau weiß das? Kontrolle bei der Einreise? Tut uns leid, das ging jetzt gerade nicht. Wo sie geblieben sind? Keine Ahnung“. Damit zerstört Wendt die Behauptung, die Kriminalität habe durch die Merkel-Flüchtlinge nicht zugenommen. Tatsache ist, dass die Herkunft von Tätern seit 2009 nicht mehr eigens erfasst wird.
Um die eigene Position der vermeintlichen moralischen Überlegenheit durchzusetzen, wird die Keule des Rechtsradikalismus, der Fremdenfeindlichkeit eingesetzt, werden immer weitere Teile einer unruhigen Bevölkerung moralisch, politisch und rechtlich diskriminiert.

Das falsche Wort wird zur Waffe gegen Andersdenkende, die Gesellschaft gespalten in Gut und Böse.
Mittlerweile ist unbestritten, was im besoffenen Jahr 2015 bestritten wurde – dass mindestens 70 Prozent der Merkel-Flüchtlinge junge Männer sind. Ändern wird sich das erst mit der zweiten Welle der Massenmigration – dem erlaubten Nachzug von Familienangehörigen. Dass oftmals verschleierte, des Lesens und Schreibens und der deutschen Sprache nicht mächtige Frauen niemals eine Chance auf einen Arbeitsplatz in Deutschland haben, ist selbstredend.

Es ist, als ob die Einwohner Deutschlands, egal ob alteingesessene Einheimische oder Hinzugekommene der vielen Nachkriegsjahrzehnte, in den Dienst einer neuen Klasse, der Merkel-Flüchtlinge, genommen werden.

Während einerseits Renten und Sozialleistungen streng reglementiert bleiben, werden unbegleitete Jugendliche, die sich meist jünger machen, mit Sozialleistungen von rund 60 000 Euro im Jahr überschüttet – nach fünf Jahren werden sie 300 000 Euro gekostet haben. Vier von fünf Städten erhöhen die kommunalen Abgaben für ihre Bürger und schließen gleichzeitig die Freizeiteinrichtungen. Der entgrenzte Sozialstaat beginnt leerzulaufen. Jeder Flüchtling verursacht Gesundheitskosten von 142 Euro im Monat. Deutschland kann Sozialstaat bleiben oder Einwanderungsland werden – beides zusammen geht nicht.
Es mögen trotzdem wunderbare Menschen sein, die kommen, großartige Ärzte darunter, zukünftige Künstler, vielleicht sogar der eine oder andere Nobelpreisträger. Ein Geschäft für Deutschland sind sie nicht, wie die neuen Zyniker der Migrationsindustrie weismachen wollen, die dabei auch – oder mehr – an ihre eigenen Geschäfte denken. Die allermeisten werden in einem der neuen migrantischen Armenviertel stecken bleiben, zwischen den Wasserpfeifen-Cafés und den Telefonläden, die dort sind, weil die Sehnsucht groß und das Leben in der Parallelgesellschaft frustrierend ist.

Nicht nur um eine Gefährdung des Wohlstands geht es, wenn Deutschland das Millionenheer von Merkel-Flüchtlingen nach den Maßstäben des deutschen Sozialstaats versorgen will und große Casablancas am Rhein entstehen. Es geht auch um die schleichende Veränderung der Zivilgesellschaft. Deutschland diskutiert über ein Burka-Verbot. Dazu Bilkay Öney, SPD, Tochter weltlich orientierter alevitischer Einwanderer, und frühere Integrationsministerin Baden-Württembergs in der grün-roten Landesregierung: „Diese neuzeitliche Erfindung männlicher Beduinen gegen Sandstürme mag ihren Zweck in der Wüste erfüllen. Auf den Straßen Europas weckt diese Vollverhüllung nicht nur Unmut und Unbehagen, sie erschwert auch die Kommunikation und die Integration. Sie zeugt von einem Weltbild aus dem Mittelalter, und genau das bereitet vielen Menschen, auch aufgeklärten Muslimen, Sorge.“
Die „Zeit“ (34/2016) entdeckt plötzlich im Auftritt der vollbekleideten ägyptischen Beachvolleyball-Mannschaft „im Bedecktsein etwas Befreiendes. Im Kontrast zu den Höschen tragenden Deutschen wirkten die verhüllten weiblichen Körper wohltuend entspannend … Mit der Schwere des Stoffes brachten die Ägypterinnen auch die Leichtigkeit des Seins“.
Die Leichtigkeit des Seins unter schweren Stoffbahnen? Es ist eine vorauseilende Selbstaufgabe von Werten, die man für unantastbar hielt.

Wenn in Frankfurter Kitas kein Schweinefleisch mehr angeboten wird, weil sich Muslime darüber erregen könnten – nur eine Kleinigkeit, die nur rückständige Menschen stört, die sich der neuen Buntheit widersetzen? Oder werden den hier lebenden Menschen neue Grenzen aufgezwungen? Ist das schon der Beginn der „Unterwerfung“ unter ein islamisches Regime, wie sie Houellebecq beschrieben hat? Übrigens: Das Burka-Verbot kommt nicht. Es würde ja eine Regierung voraussetzen, die tätig wird.
Deutschland verteidigt seine Werte nicht mehr. Es werden neue Sicherheitsgesetze im Dutzend vorgeschlagen. Aber sie sind wieder nur Wortgirlanden, die keine Wirkung entfalten. Zum Teil, weil durch die immer ausgedehntere „Duldung“ von Zuzüglern Abschiebung nicht mehr greift; zum Teil, weil vor Ort Abschiebungen von Landesregierungen, Kirchen und Ärzten und der Flüchtlingslobby hintertrieben werden.

Nicht einmal Kriminelle werden abgeschoben – das setzt eine Gefängnisstrafe von mindestens zwei Jahren voraus. Das milde Strafmaß für kulturfremde Zuwanderer, die auch noch fast immer auf Bewährung ausgesprochen wird – das ist der Preis, den die Grünen für die Zustimmung im Bundesrat durchgesetzt haben. Es ist nicht die Union allein, die Verantwortung trägt: Die von ihr geforderte Einrichtung von Transitzonen, um Flüchtlinge zu kontrollieren, wurde von der SPD als „Konzentrationslager“ diffamiert; Abschiebung wird von den Grünen blockiert. Auf dem Weg über Große Koalition in den Bundesrat scheitert jede entschiedene Maßnahme an den Einsprüchen einer rot-grün herbeifantasierten Multikulti-Welt, in der Einheimische, Bio-Deutsche wie Gastarbeiter nicht mehr gehört werden.

Am Anfang stand ein falsches Wort. Am Ende steht eine große Umwälzung, die Deutschland und Europa verändert und die die Regierung nicht beherrscht. Deutschland ist darüber zu einer verwirrten Gesellschaft geworden. Die Kluft zwischen den Bürgern und dem medial-politischen Komplex scheint unüberwindbar. Noch läuft der Laden, weil niedrige Zinsen einen künstlichen Boom erzeugen. Doch die wirtschaftlichen Lasten wachsen, die politische Unsicherheit nimmt zu, für notwendige Reformen fehlt die Energie. Innerhalb eines Jahres ist Deutschland ein fremdes Land geworden für die, die hier schon vorher lebten.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf  Tichys Einblick hier

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