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Sonntag, 16. Oktober 2016

So FIFA wie UNO

Der Streit um die heiligen Stätten in Jerusalem erreicht einen neuen Höhepunkt. Nachdem die Unesco-Programmkommission einen entschieden israelkritischen Resolutionsentwurf mehrerer arabischer Staaten positiv beschieden hatte, suspendierte die Regierung in Tel Aviv jede Zusammenarbeit mit der UN-Kulturorganisation.

Im Zentrum des Entwurfs steht die Kritik an der gegenwärtigen Zugangsregelung für palästinensische Muslime zu dem Ort, der den Juden als zentrales Heiligtum und dem Islam als drittheiligste Stätte nach Mekka und Medina gilt, nach dem Glauben der Muslime Ort der Himmelfahrt des Propheten Mohammed.
Jerusalem als zentraler Bezugspunkt der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam ist wohl der religiös höchstgespannte Ort der Welt.

Am Tempelberg treffen vor allem jüdische und muslimische Interessen aufeinander. Bis zur Zerstörung der Stadt durch die Römer vor fast 2.000 Jahren standen dort der erste und der zweite Tempel der Juden. Danach in zeitlicher Folge ein römischer Jupitertempel, eine christliche Kirche und schließlich die rund 1.300 Jahre alten muslimischen Gotteshäuser Felsendom und al-Aqsa-Moschee.
Im Kern geht es bei dem Streit zwischen der Kulturorganisation und der israelischen Regierung um Namen; Worte sind das A und O der Schriftreligionen. So bezeichnen die Initiatoren der Resolution - sieben arabische Staaten - den Tempelberg in ihrem Entwurf durchgängig als al-Aqsa-Moschee / al-Haram al-Scharif (deutsch: nobles Heiligtum). Die jüdische Bezeichnung Tempelberg kommt kein einziges Mal vor. Der den Juden überaus heilige Platz vor der Klagemauer wird in der Resolution als al-Buraq-Platz / „Klagemauerplatz“ bezeichnet – die Anführungszeichen lösen in Israel Empörung aus.

Unterrichtsminister Naftali Bennett warf den Befürwortern der Resolution vor, „tausend Jahre jüdischer Geschichte zu leugnen und den Terror zu ermutigen“. Die arabischen Staaten wiederum betonen, ihnen sei am Erhalt des palästinensischen Kulturerbes und am spezifischen Charakter von Ostjerusalem gelegen. Der jetzt verabschiedete Text kritisiert vor allem die Zugangsrestriktionen für muslimische Palästinenser, aber auch die archäologischen Arbeiten in Bereichen, die der Islam als heilig erachtet.

Der Resolutionstext wurde in der Unesco-Programmkommission mit 24 zu sechs Stimmen bei 26 Enthaltungen abgesegnet. Die deutsche Delegation stimmte dagegen. Befürwortet wurde der Text von China und Rußland. Als nächstes muss der Unesco-Exekutivrat endgültig über die Resolution entscheiden.
Die bulgarische Unesco-Chefin Irina Bokowa kritisierte die Wortwahl und forderte alle Seiten zur Anerkennung und zum Respekt der jeweiligen Benennungen auf. Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu schrieb auf Facebook, die Unesco sei inzwischen nur noch „absurdes Theater“; die Resolution nannte er eine „wahnwitzige Entscheidung“. Die Aussage, Israel habe keine Beziehung zum Tempelberg und zur Klagemauer, sei so gut wie die Behauptung, China habe nichts mit der chinesischen Mauer und Ägypten nichts mit den Pyramiden zu tun. Mit dieser Entscheidung habe die Unesco, so Netanyahu, ihr letztes bißchen Legitimation verloren.

Die Autorität der Kulturorganisation ist in der Tat angeschlagen. Seit Jahren zahlen Israel und die USA keine Mitgliedsbeiträge mehr. Hintergrund: 2011 war Palästina als Vollmitglied in die Organisation aufgenommen worden. Inzwischen werden auch in deutschen Medien Forderungen laut, die Mitgliedschaft westlicher Staaten zu überdenken. Was Pessimisten allen internationalen Institutionen vorhersagen, egal ob UN, Olympia oder Fußball-WM, könnte sich im Falle der Unesco schon bald bewahrheiten. Wenn es mit Sanktionen, Boykotten und Austritten so weitergeht, gibt es für globale Institutionen in einer post-globalisierten Welt keinen Platz mehr.  Thomas Fasbender

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