Stationen

Freitag, 11. November 2016

18. Brumaire

Mitunter sind Eigenzitate geboten. Am 22. Juli 2016 erinnerte ich an Napoleons Flucht aus seiner Verbannung auf Elba, den Beginn der hundert Tage, und zwar wegen der Kommentare der zeitgenössischen Presse. Als der Korse am 1. März 1815 in See stach, notierte eine französische Gazette: "Der Menschenfresser hat seine Höhle verlassen." 20 Tage später sollte Napoleon in Paris einziehen. In der Zwischenzeit produzierte die Pariser Presse unter anderem folgende Schlagzeilen: "Der korsische Werwolf ist bei Cap Juan gelandet." – "Der Tiger ist zu Gap angelangt." – "Das Ungeheuer ist nach Grenoble entkommen." – "Der Tyrann verweilte in Lyon." – "Der Usurpator hat sich Paris auf 60 Meilen genähert." – "Napoleon wird morgen unter unseren Mauern sein." – "Der Kaiser ist zu Fontainebleau angelangt." –  "Seine Kaiserliche Majestät hielten gestern Abend Ihren Einzug in Ihr Tuilerien-Schloss."

Meine Conclusio lautete damals: "An dieses drollige (De-)Crescendo musste ich denken bei der Überlegung, wie wohl die hiesige Presse auf die Nachricht reagieren würde, dass Donald Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wird." Das, meine Damen und Herren, werden Sie in den kommenden Tagen und Wochen genüsslich verfolgen dürfen, vor allem, wenn Trump mal auf einen Staatsbesuch bei Merkels Nachfolger vorbeischauen sollte. Ulf Poschardt, der wendige Oktopus unter den Chefredakteursdarstellern, hat gestern noch via Twitter den Untergang des Westens verkündet, um heute bereits sacht die Farbe zu wechseln und in einem glitschigen Kommentar die heilsame Wirkung des "Trump-Schocks" zu statuieren (hier). Und übermorgen dann wird er, bei paralleler fingierter Amnesie, in die Normalität wechseln und nie eine andere Farbe gezeigt haben. Bis zum nächsten Wechsel. In zwei, drei Jahren, wann es eben opportun ist, werden sie auch immer gegen Merkel gewesen sein. 

Apropos und übrigens: Nach Napoleon hat nun Trump ein Datum okkupiert, welches gemeinhin als der Verabredungstermin der Deutschen mit ihrem Schicksal gilt, den 9. November nämlich. Die – vielleicht oder wahrscheinlich – große amerikanische Schicksalswahl 2016 ist auf dieses Datum gefallen, und Napoleons Staatsstreich am 18. Brumaire VIII des französischen Revolutionskalenders fand nach traditioneller Rechnung, wie der Archivar Gottfried Kühl im Roman "Land der Wunder" feststellt, am 9. November 1799 statt.   MK am 10. 11. 2016


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