Stationen

Freitag, 18. November 2016

Es hat sich nicht ergeben sollen

Vorgestern Abend geriet ich auf 3sat in den deutschen Spielfilm „Am Himmel der Tag“, der mir nicht aus dem Kopf gehen will. Ich zappte anfangs nur wegen des erfreulichen Anblicks der Hauptdarstellerin Aylin Tezel nicht weiter, aber wirklich zu interessieren begann mich der Film von jenem Augenblick an, als die Hauptfigur, eine Architektur-Studentin, nachdem sie von einem Spontanfick auf der Disco-Toilette schwanger geworden war, beschließt, das Kind nicht abzutreiben. Wie wir im Stahlbad des Feminismus und der deutschen Vergangenheitsbewältigung gelernt haben, ist eine Abtreibung kein existentieller Notfall, sondern nur ein „Eingriff“ – mit dem Euphemismus aller Euphemismen „Schwangerschaftsunterbrechung“ geheißen –, weil Mein-Bauch-gehört-mir und Wir-müssen-dem-Führer-kein-Kind-mehr-schenken und so, weshalb mich diese Volte des Films sacht überraschte, was sich fortsetzte, als die junge Frau in einer Szene bei der Schwangerschaftsberatung auf den „Abbruch“ eingestimmt wird und sie sich bei der älteren Angestellten erkundigt, ob die denn selber Kinder habe. „Nein“, lautet die schmallippige Antwort. „Darf ich fragen, warum nicht?“ „Es hat sich nicht ergeben.“

Dieser Satz ist hierzulande so oft ausgesprochen und gedacht worden, dass man ihn ergänzen muss: Es hat sich nicht ergeben sollen.

Die adventische Euphorie der werdenden Mutter schlägt um in eine handfeste Psychose, als irgendwann im sechsten oder siebten Monat die Herztöne in ihrem Bauch verstummen. Obwohl von ihrer Ärztin dringend ins Krankenhaus beordert, spielt die junge Studentin ihrer Umwelt weiter vor, sie sei „in Hoffnung“, bis sie schließlich zusammenbricht und notoperiert werden muss. Danach folgt eine Szene, die so herzzerknüllend ist, dass man sie kaum aushält, die sich aber so ähnlich offenbar regelmäßig in Krankenhäusern abspielt. Eine Ärztin fragt die Patientin, ob sie denn ihren Sohn noch einmal sehen möchte, nach ihrer Erfahrung wünschten das die meisten Frauen, denen ein solches Schicksal widerfahren ist, und es erleichtere ihnen den Abschied. Und dann bringt sie den kleinen Toten in einem Körbchen ans Bett ... –

Mit einer gewissen Zwanghaftigkeit musste ich nach dem Film an die Proteste gegen die Lebensschützer-Demonstrationen denken, an die wuttriefenden Gesichter und hasserfüllten Parolen der Embryonen-Entmenscher („Treib ab, es könnte ein Nazi werden“), die sich groteskerweise für Humanisten halten. Man verstehe mich nicht falsch, ich meine nicht, dass die Abtreibungsgegner im Recht sind, ich halte sie lediglich für menschenfreundlicher als die Gegenseite. Wie alle tatsächlichen Probleme ist auch dieses nicht nach einem Gut-Schlecht-Schema lösbar, eine ungewollte Schwangerschaft stellt die Frau vor eine tragische Entscheidung, aber ich empfinde Personen als widerwärtig, die für diese Tragik keinen Sinn haben.

Natürlich fielen die Totentänze unserer Abort-Progressisten sofort unter Rassismus, wenn sie einem anderen Kollektiv als den Weißen im Allgemeinen und den Biodeutschen im Speziellen gälten, natürlich wissen diese Wichte das genau, und wie alle Feiglinge suchen sie immer den Weg des geringsten Widerstands. Sollte beispielsweise einmal eine nennenswerte Zahl muslimischer Männer gegen die laxen deutschen Abtreibungsgepflogenheiten demonstrieren, hörten wir keinen queeren, grünjugendlichen oder feministischen Mucks dagegen. Aber warum sollten die Muslime an der geringen Lebenserwartung deutscher Embryos Anstoß nehmen? Lass die doch abtreiben, werde viele sich denken, desto mehr Platz bleibt später für uns...    MK am 18. 11. 2016

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