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Sonntag, 13. November 2016

Irgendwann ist genug

Die hochkarätigen Sammlungen der Berliner Museen und die Räumlichkeiten des wiederaufgebauten Stadtschlosses sind die Zutaten, die das Humboldtforum auf Augenhöhe mit Museen in London oder Paris bringen könnten. Stattdessen droht aber eine weniger glanzvolle Entwicklung.

Gut drei Jahre vor der geplanten Eröffnung des Humboldtforums im Berliner Schloss sind der britische Museumsmann Neil MacGregor, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und der Kunsthistoriker Horst Bredekamp jetzt vor die Öffentlichkeit getreten, um ihre Pläne für das Haus vorzustellen. Bekannt gemacht haben die drei Gründungsintendanten zunächst einmal eine Planungsänderung. 

Anstelle einer ursprünglich vorgesehenen völkerkundlichen Fachbibliothek in der ersten Etage soll eine „Humboldt Akademie“ entstehen. Anders, als dies die Bezeichnung nahelegt, ist mit einem Besucherzentrum zu rechnen, in dem über das Werk der Gebrüder Humboldt informiert wird. Aus dem Rahmen des Herkömmlichen fällt, was sich das Intendanten-Trio zum Gesamtcharakter des Humboldtforums überlegt hat.
Zwar wird das Haus vor allem erst einmal dazu dienen, die bislang in Dahlem beheimateten außereuropäischen Sammlungen der Berliner Museen aufzunehmen. Entstehen soll aber kein Museum im klassischen Sinn. Aufzeigen will man vielmehr Querverbindungen, indem in Ausstellungen Objekte aus verschiedenen Sammlungen fächerübergreifend zusammengebracht werden. Hermann Parzinger beschreibt das Konzept des Forums zudem als einen „Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart“.
„Der Mensch, der heute in ein Museum geht, will wissen: Was hat das mit mir zu tun?“, glaubt Parzinger. Um nicht nur Touristen, sondern vor allem die Berliner ins Museum zu locken, wollen sich die Intendanten auch für einen  kostenlosen Eintritt einsetzen. Erwartet werden kann damit in jedem Fall ein außergewöhnliches Museum. Allerdings nicht nur das. 

So wie es von der Finanzierung und von der Konzeption als „Weltkulturmuseum“ mit starkem Bezug zur Gegenwart angelegt ist, droht dem Projekt, dass es früher oder später von der Politik gekapert wird. So rechnet die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit einem jährlichen Budget „in der Größenordnung eines komfortablen Opernhauses“, das ab 2019 regelmäßig vom Bundestag abgenickt werden muss. Es braucht nicht viel Phantasie, sondern nur etwas Realitätssinn, um vor diesem Hintergrund die langfristige Entwicklung zu prognostizieren: Die Politik wird es nicht dabei belassen, beim Humboldtforum nur den Geldgeber zu spielen, sie wird auch die Stichworte zur Ausrichtung des Hauses geben wollen.
Bereits die Rede, die Grütters anlässlich der Präsentation des Konzepts zum Humboldtforum gehalten hat, lässt ahnen, dass dieser Prozess in subtiler Form längst in Gang gekommen ist. Angesprochen hat die Politikerin unter anderem die „Überarbeitung einiger Sammlungsmodule mit Blick auf die kolonialen Kontexte der Sammlungsgeschichte“, mit der das Humboldtforum „Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der moralischen und völkerrechtlichen Dimension der eigenen Sammlungsgeschichte“ setze. Sie lobte ausdrücklich die „zukunftsweisende Entscheidung der Gründungsintendanz“, dem Thema „Religion“ oder „Religionen“ einen breiteren als den bisher vorgesehenen Raum zu geben.
Einem Akteur wie dem international renommierten MacGregor mag es noch gelingen, Erwartungshaltungen vonseiten der Politik abzuwehren. Ob dies künftig auch den Nachfolgern MacGregors gelingt, bleibt abzuwarten. Angesichts der permanenten finanziellen Abhängigkeit des Projekts ist für die Zukunft noch etwas anderes zu befürchten: Beim Humboldtforum selbst könnte künftig die Neigung wachsen, zu „liefern“, was der Politik gefällt. Ohnehin scheint schon bei der Konzeption der ersten drei Ausstellungen eine reichliche Portion des offiziell propagierten Zeitgeists eingeflossen zu sein. 

Obwohl in der deutschen Geschichte die Problematik einer kolonialen Überseeexpansion quasi nur eine Fußnote ist, werden die Ausstellungen des Humboldtforums vermutlich von einer intensiven Kolonialismusdebatte begleitet sein. Einen Vorgeschmack gibt die mit „Extreme! Natur und Kultur am Humboldtstrom“ betitelte Musterausstellung, die nun in der Info-Box neben der Schlossbaustelle zu sehen ist.
Neben der Botanik und der Alltagskultur am Humboldtstrom geht es dabei um Themen wie Globalisierung, Umweltverschmutzung und Kolonialismus. Als nächstes geplant ist eine Ausstellung zum Thema „Schutz der Kinder“. Hierbei sollen die Geschichte Berliner Kinder und ein aktueller Bezug zu den Themen Flucht und Immigration eine Rolle spielen.
Der propagandistische Appell zu gegenwärtigen Zwecken quillt hier bereits durch alle Ritzen.
Die dritte angekündigte Ausstellung soll sich um das Thema Gold drehen. Einbezogen werden soll wiederum der Aspekt „kolonialer Ausbeutung“.      Norman Hanert

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