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Mittwoch, 14. Dezember 2016

Fassbarkeit

Wo der Staat versagt, ist der Markt zur Stelle. Besonders deutlich wird das, wenn Bürger bedroht werden. Ein aktueller Fall, über den ganz Deutschland spricht, ist die hinterhältige Attacke in einer Berliner U-Bahn-Station.

Ein unbekannter Mann hatte Ende Oktober einer 26 Jahre alten Frau von hinten auf einer Stein-Treppe in den Rücken getreten. Mit dem Gesicht nach vorne fiel sie mehrere Meter tief. Der Angreifer ging mit seinen Kumpels einfach weiter.
Seitdem wird nach dem Täter gesucht. Ein Fahndungsvideo, das die Polizei erst herausgab, nachdem Bild-Zeitung und B.Z. es veröffentlicht hatten, wurde millionenfach aufgerufen. Indes wurde Anzeige gegen die Person erstattet, die das Video geleakt und die Ermittlung in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat. Die Polizei geht mittlerweile zwar zehn Hinweisen aus der Bevölkerung nach und hat einen Verdächtigen identifiziert; für viele Berliner ist das aber alles andere als ein Erfolg. Einer von ihnen ist der prominente Personenschützer Michael Kuhr.


Er hat am Sonntag via Facebook ein Kopfgeld auf den Täter ausgelobt: „Da kommt mir beim Frühstück die Galle hoch, wenn ich das lese! Ich bezahle ein Kopfgeld in Höhe von 2.000,- € für den Namen und die Adresse von diesem Bastard! Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen oder email an info@kuhr-security.de.“
 
Die Nachricht verbreitete sich rasend schnell. Und nicht nur das: Zahlreiche Menschen aus ganz Deutschland solidarisierten sich mit Kuhr, kündigten ihre Unterstützung an. Nicht wenige fragten, wie sie spenden könnten, um das Kopfgeld aufzustocken und damit die Chance zu erhöhen, den feigen Täter zu fassen.
Das Sicherheitsempfinden in Deutschland ist in den vergangenen Monaten stark gesunken. Dafür stieg der Umsatz bei Pfeffersprays, Elektroschocker und Schreckschußwaffen. Und auch die Nachfrage bei Selbstverteidigungskursen ist in vielen Städten extrem angesprungen.

Das ist keine Überraschung. Monopolisten neigen dazu, träge zu werden und auf veränderte Nachfrage nicht mehr angemessen zu reagieren. Weil der Staat als Gewährleister der öffentlichen Sicherheit keine Konkurrenz fürchten muß, schwächelte er in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren immer mehr. Polizeistellen wurden gestrichen, Mittel für Sondereinheiten gekürzt. Das macht sich in der Kriminalstatistik bemerkbar.
Wo sich im Markt eine Lücke auftut, prescht früher oder später eine Konkurrenz hinein. Im Falle des U-Bahn-Treters waren es Private (Zeitungen), die die heimtückische Tat öffentlich machten. Und es waren wiederum Private (Bodyguard und Unterstützer), die den Fahndungsdruck erhöhten.
Wohlgemerkt, es geht nicht um Selbstjustiz oder Blutrache. Es geht um den Schutz von Eigentum und vor allem von Leben. Höchste Zeit, daß der Staat seiner Aufgabe gerecht wird und die Sicherheit seiner Bürger gewährleistet – oder diese Aufgabe auf den Markt überträgt.   Lukas Steinwandter


Michael Kuhr

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