Stationen

Sonntag, 18. Dezember 2016

Sachsen und Afghanistan

Dunkeldeutscher 17. Dezember

Wie klingt es, wenn der Zynismus der Macht sich mit der Impertinenz trendkonformen Nichtwahrhabenwollens und dem Gemüt eines Fleischerhundes verschränkt, zugleich aber die Larve des Wohlmeinens trägt? So:

„Was ich verstehe: Der Afghane als solcher hat nicht selten ein so genanntes ‚archaisches Frauenbild’. Er kommt, sozusagen, vom Lande in die große Stadt, sieht dort Tabledance und Sexmesse, Silikon und Glitzernails, und all diesen Kram. Er ist geschockt. Aber wie? Freut er sich? Ekelt er sich? Oder will er auch so sein wie die neuen Anderen oder die anderen Neuen? Anders gefragt: Was ist das Afghanische am Afghanen in Germanistan?
Was ich nicht verstehe: Warum sollte der Afghane als solcher nun denken, die Frauen in diesem schockierenden Wunderland dürfe, müsse oder solle man vergewaltigen? Darf man das in Afghanistan? Ich glaube nicht. Welche ‚migrantische’ Kultur soll sich hier Bahn gebrochen haben? Springen jugendliche Afghanen in Kabul Radfahrerinnen an und finden nichts dabei, weil das dort üblich oder erlaubt ist? Gibt es, allgemeiner gefragt, irgendein Flüchtlings-Herkunftsland, in dem die Vergewaltigung oder Tötung von zufällig des Wegs einher gehenden Frauen kulturell verankert ist?
Ich weiß, diese Fragen klingen seltsam. Aber sie sollten doch vielleicht beantwortet werden können, wenn und bevor man behauptet, es könne sich etwas spezifisch Migrantisches spezifisch Afghanisches, in der Tat von Freiburg widerspiegeln.“

Also schreibt Thomas Fischer, Bundesrichter in Karlsruhe, in der Zeit (der ganze Seim hier).

Was spezifisch Afghanisch ist? Nun, zum Beispiel dies: "In spite of major achievements, women remain one of the most marginalized segments of the Afghan population. (...) Violence against women and girls is exceptionally high in Afghanistan and is almost at a pandemic level, with up to 87.2 percent of women having experienced some form of violence (Hervorhebung von mirM.K.) such as physical, psychological, sexual, economic violence, social abuse as well as forced and early marriage.“ So Phumzile Mlambo-Ngcuka, seit 2013 Präsidentin UN Woman (hier).

Mohammad Musa Mahmodi, geschäftsführender Direktor der Unabhängigen Menschenrechtskommission für Afghanistan: „Die schändliche Gewalt gegen Frauen in Afghanistan – Diskriminierung von Frauen und die Gewalt gegen sie sind seit Jahrhunderten in der afghanischen Gesellschaft verankert“ (hier).





Amnesty International: "Seit über einem Jahr werden vor allem aus den ländlichen Regionen Afghanistans wieder vermehrt Fälle gemeldet, in denen Frauen und Mädchen geschlagen, verstümmelt, entführt oder getötet werden" (hier).

Amnesty International: "Nach einer Statistik des afghanischen Gesundheitsministeriums wurden für das Jahr 2014 offiziell 4466 Selbstmordversuche durch Gifteinnahme und 2301 durch Selbstanzünden erfasst. (...) Als wichtigster Grund für die Selbstmordversuche bei Frauen galt geschlechtsspezifische Gewalt" (hier).

Für Detailfreunde: "15jährige Afghanin: Die Schwiegermuter hat meine Nägel ausgerissen" – weil sie nicht als Prostituierte anschaffen wollte (hier).

Meine online-Recherche hat ca. fünf Minuten gedauert.

Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.




Heller 17. Dezember

Wieder ein paar Tage im sächsischen Landesparlament hospitiert. An einem Vormittag treffen sich knapp zwanzig Abgeordnete im Foyer des Landtags zum Weihnachtssingen. Drei von ihnen rücken mit Instrumenten an: zwei Trompeter, ein Posaunist. Das Publikum sammelt sich auf den Emporen. Ein MDR-Team schneidet mit, und drei Journalisten der Jüdischen Rundschau, die gerade Frauke Petry interviewen, müssen das Gespräch unterbrechen, weil die sangesgeschulte AfD-Chefin – sie ist ausgebildete Chorleiterin und Organistin – ebenfalls mit von der Partie ist. Traulich vereint stehen die Abgeordneten und singen diverse Klassiker wie "Alle Jahre wieder" und "Es ist ein Ros entsprungen". Obwohl keinerlei Proben stattfanden, klingt der Chor passabel. Vor zwei Jahren, werde ich unterrichtet, habe es noch abwehrendes Gebrummel ausgelöst, als der sangestaugliche Teil der AfD-Fraktion zum Weihnachtsständchen vorstellig wurde. Auch heute noch stünden dort Landtagskollegen singend neben den AfDlern, die sich auf ein Gespräch nicht einlassen würden. Die verbindende Kraft der Musik – lässt sie sich besser illustrieren?

Einen Tag später schleppt mich ein freundschaftlich Bekannter unter Vortäuschung falscher Tatsachen ("halbe Stunde") zum abendlichen Weihnachtskonzert der Kreuzschule, wo zwei Schulorchester und der Schulchor ebenfalls unter anderem die besagten Klassiker intonieren. Die zahlreich anwesenden Familienangehörigen werden zum Mitsingen aufgefordert, verblüffend notenkundig und textsicher stimmt der gesamte Saal ein, zuweilen sogar zweistimmig. Wunderliches traditionsbewusstes Sachsen! In den meisten westlichen Bundesländern gälten solche Gesänge wohl längst als kulturunsensibel, weil sie irgendjemandes religiöse Gefühle beleidigen könnten.

Im Landtag bekundet ein Reporter seine Verwunderung darüber, dass manche linke und grüne Abgeordnete alles, was vom AfD-Flur kommt, nicht grüßen. Wie man sich mir gegenüber verhalte, erkundigt er sich, ob man mich kenne bzw. erkenne. Ich werde gegrüßt, wenn ich durch den Flur der Linkspartei laufe, erwidere ich; folglich kenne man mich dort wohl eher nicht.  MK am 17. 12. 2016

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