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Sonntag, 15. Januar 2017

Ein Märchen

"Volksverräter" ist als "Unwort des Jahres" ausgezeichnet und gepriesen worden. Tatsächlich muss es nämlich heißen: "Verräter derer, die schon länger hier leben".   MK am 13. 1. 2017


Wer erfahren will, wo den Tonangebern im Land der Schuh drückt, der muss abwarten, bis das „Unwort des Jahres“ gewählt wurde. Eine kleine Gruppe mit Sitz in Darmstadt, im Kern vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist, sucht das Wort aus, und die Medien verbreiten deren Wahl wie die Entscheidung eines Kronrates, der bestimmt, was wir künftig nicht mehr sagen sollen.

Sie geben vor, die Debatte versachlichen und von Unflätigkeiten reinigen zu wollen. Doch das ist ein Märchen für die geneigte Öffentlichkeit. Die Wahrheit dagegen ist alarmierend, und wir (wer sonst?) sind ihr auf die Schliche gekommen. Gucken Sie sich mal an, was wir herausgefunden haben. Sie werden staunen!

Das Unwort von 2013 lautete „Sozialtourismus“. Im Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Asylanten nicht wesentlich schlechter gestellt werden dürften als einheimische Hartz-IV-Empfänger. Das war ein unwiderstehliches Angebot an Millionen von Erdenbürgern. Ein Vergleich der deutschen Hartz-IV-Leistungen mit den Sozialhilfesätzen im Rest der Welt oder der Einkommenssituation von mindestens einem Drittel der Menschheit machte schon damals erwartbar, dass wir bald mit einem Massenansturm rechnen müssten. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das ärmste Drittel der Menschheit die Offerte entdecken und einlösen würde, fürchteten Skeptiker und warnten vor − genau: Sozialtourismus.
Was geschah? Seit 2014 überrollt uns die gewaltigste Welle von „Wirtschaftsflüchtlingen“, welche Deutschland je sah.

In jenem Jahr verunglimpften die Staats- und Konzernmedien alles und jeden als Nazi, der sich gegen die (mit der Welle einhergehende) Ausbreitung eines zunehmend aggressiven und fundamentalistischen Islam in Europa wendete. Der Vorwurf war in fast allen Fällen eine Lüge der Medien, denn die Bürger waren ernsthaft besorgt und keineswegs kleine Hitler-Anhänger − prompt wählten die Darmstädter die Parole „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014.
2015 jubelten Politiker, Manager und einfache Bürger über eine Million Menschen aus den gefährlichsten Regionen des Planeten, die unkontrolliert nach Deutschland fluteten. Die Jubler kamen sich dabei unbeschreiblich barmherzig vor und dachten gar nicht daran, die Gefahren in den Blick zu nehmen, welche der ungeprüfte Ansturm mit sich bringen könnte. Mehr noch: Wer auf Risiken hinzuweisen wagte, ward mit aller Schärfe geächtet als rechter Populist, der diffuse, unbegründete Ängste schüre und die Gesellschaft spalte.

Für die Gescholtenen waren diejenigen, die da besinnungslos jubelten und schönredeten, bloß selbstgerechte „Gutmenschen“. Damit ist nicht etwa ein guter Mensch gemeint, sondern einer, der sich aus Borniertheit oder Berechnung bloß als der „Bessere“ inszeniert, ohne die Folgen seiner scheinbar guten Taten verantworten zu wollen. Dieser Vorwurf saß recht gut, weshalb „Gutmensch“ zum Unwort des Jahres 2015 erhoben wurde.
Wir sehen also: Das „Unwort des Jahres“ trifft stets einen Sachverhalt, über den wir nicht reden sollen, weil dies den Mächtigen nicht in den Kram passt. Damit ist die Wahl vor allem eines: Ein zuverlässiger Kompass, der den Deutschen zielgenau anzeigt, aus welcher Richtung gerade Unheil auf sie zurollt. Die Darmstädter tun nur so, als prangerten sie ein „Unwort“ an. In Wahrheit wollen sie uns versteckt mitteilen, was die jeweils größte Ungeheuerlichkeit der Saison darstellt.

Was kommt als nächstes? Als Unwort des Jahres 2016 wurde diese Woche „Volksverräter“ bekannt gegeben, mit dem Politiker wie Merkel oder Gabriel belegt worden sind.
Das ist starker Tobak, fürwahr. Die Vokabel unterstellt schließlich, dass uns die Besagten nicht aus reiner Dummheit in diese, mittlerweile buchstäblich mörderische Lage gebracht haben, sondern mit Absicht. Ist es das, was uns die Jury mit ihrer düsteren Wahl zuraunen will?

Damit hätte ein Vorwurf das politische Festland erreicht, der bislang in den nebligen Sümpfen der Verschwörungstheorie gefangen war. Das kann ja heiter werden dieses Jahr. Wir hatten ohnehin kein gutes Gefühl, was uns 2017 auftischen würde. Nun aber heißt es: Anschnallen und Rückenlehne senkrecht stellen, wir werden hart landen in einer Realität, die sich möglicherweise selbst Pessimisten nicht ruppig genug vorgestellt haben. Man sieht bereits, wie die eben noch gut vertäuten politischen Positionen plötzlich herumwirbeln wie herausgerissene Gepäckstücke durch die Kabine eines heftig schlingernden Flugzeugs kurz vor dem Aufprall.
SPD-Chef Gabriel führt sich auf, als sei er neulich Nacht in die AfD-Zentrale eingebrochen. Wo sonst soll er die Forderung nach einem „Kulturkampf“ gegen den radikalen Islam gefunden haben? Nun stellt er die Beute provokant bei sich ins Fenster, damit die Leute bis zur Bundestagwahl im September vergessen mögen, was sie da kürzlich noch für einen Multikulti-Kitsch erblicken mussten.

Schlägt sich da einer in die Büsche, der nicht will, dass sich die Deutschen an das erinnern, was uns die Darmstädter Jury durch die Blume als „Volksverrat“ enthüllt haben will?
Die Grünen können angesichts solcher Turbulenzen kaum noch ausmachen, wo oben und unten ist und greifen verständlicherweise zur Brechtüte. Für die Avantgarde der Einwanderungs-Verherrlicher sind dies anstrengende Tage. Und es sieht nicht danach aus, dass bald bessere kommen.

Einen Trost gibt es. Wenigstens auf ihre heimliche Ehrenvorsitzende können sich die Grünen nämlich noch verlassen: Angela Merkel behält einen kühlen Kopf, was wir daran sehen, dass sie tut, was sie immer tut: Reden, reden, reden und fast nichts sagen. Der schreckliche Anschlag von Berlin mahne uns, so die Kanzlerin bei einer Rede diese Woche vor dem Beamtenbund, „hier schnell zu handeln, hier richtig zu handeln, nicht nur in Ankündigungen steckenzubleiben, sondern auch wirklich Flagge zu zeigen“. Es bedürfe einer „nationalen Kraftanstrengung“, „gemeinsamer Lösungen in der Großen Koalition“ und so weiter.
Klingt gut, nicht wahr? Was aber hat sie damit konkret gesagt? Eben: Nichts − wie üblich. Das heißt, an einer Stelle wurde Merkel beinahe greifbar, um uns dann jedoch gleich wieder zu entgleiten. Das macht sie so: Wer keinen Schutzstatus habe, der müsse „unser Land wieder verlassen“. Das sei in der Vergangenheit „nicht so ernsthaft verfolgt“ worden, räumt sie ein, um listig anzufügen: Dies zu ändern, sei eine „Aufgabe für alle“.
Für alle? Also für Sie und mich ebenso wie für die Regierung und deren Organe? Das ist natürlich Käse, wie auch Merkel weiß. Sie operiert hier nach der alten Weisheit: Wo alle zusammen die Verantwortung tragen, da trägt sie in Wahrheit keiner.

Wenn sich in ein paar Monaten − sagen wir: so einige Wochen vor der Wahl − herausstellen sollte, dass es mit der Abschiebung immer noch nicht vorangeht, und böse Zungen die Kanzlerin dafür zur Verantwortung ziehen wollen, dann wird Merkel mit Unschuldsmine erwidern: „Ich habe ja schon im Januar gesagt, und ich sage das hier noch einmal ganz deutlich: Dies ist eine Aufgabe für alle!“ Ergo sind „alle“ − sprich: keiner, und schon gar nicht ich! − dafür verantwortlich, dass wieder nichts geklappt hat.

Einen kurzen Moment erlaubt uns Merkel einen Blick auf das, was sie hinter dem Gewölk ihrer Reden wirklich betreibt. „Wir wollen einen offenen Staat“, ließ sie wissen. Zur Erinnerung: Merkel hatte die Balkanstaaten wegen deren Grenzschließung öffentlich angeprangert und postuliert, dass man „nicht kontrollieren“ könne, „wer zu uns kommt“. Was sie da mit „offenem Staat“ meint, muss nicht erst geraten werden. Vermutlich will die CDU-Chefin nur Zeit gewinnen, bis sie nach der Wahl weitermachen kann wie bisher.   Hans Heckel

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