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Samstag, 28. Januar 2017

Von FAZ bis BILD

Deutschlands Medien-Establishment steckt in der Krise. Die vierteljährlich von der Branche festgestellten Auflageneinbrüche etablierter Zeitungen sind dafür ein zuverlässiger Indikator. Die Reaktionen reichen von blanker Panik über trotziges Augenverschließen bis zum hilflosen Ruf nach staatlichen Subventions- und Repressionsmaßnahmen, um schwindende behagliche Meinungsmonopole abzudichten und wiederaufzurichten.

Das Klagelied vom bösen Internet, das den alteingesessenen analogen und linearen Medien das Geschäft kaputtmache, ist so alt wie falsch. Schon klar: Wo Nachrichtenmaterial und Informationen im Netz jederzeit und überall verfügbar sind, geraten Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen als reine Vermittler von Aktuellem und Wissenswertem unter Druck.
Das Rezept der Auflagensteigerung durch Skandalisierung funktioniert ebenfalls nicht mehr: Der erste, der „Feurio“ schreit, hat keinen Vorteil mehr vor den anderen, die den vermeintlichen oder tatsächlichen Skandal aufgreifen, vertiefen und weiterverbreiten, wenn ein „Wutsturm“ in den sozialen Medien und Netzwerken nicht mehr Tage und Wochen braucht, um sich aufzubauen, sondern binnen Minuten und Stunden übers Land läuft und nicht selten so schnell abebbt, wie er gekommen ist.
Und an der vielbeklagten „Gratis-Mentalität“ im Internet haben die Verlage selbst eifrig mitgewirkt, die ihre Inhalte lange genug umsonst zur Verfügung gestellt haben in der meist vergeblichen Hoffnung, damit Käufer und Abonnenten für ihre traditionellen Produkte zu finden, und sich jetzt schwertun, in der Eigendynamik der selbständig gewordenen neuen Medien nachträglich Bezahlschranken aufzurichten.
Denn wer Geld verlangen will, braucht für sein Angebot ein Alleinstellungsmerkmal. Im Journalismus heißt die Währung dafür: Qualität, Exklusivität, Nonkonformismus. Das ist der eigentliche Knackpunkt der Medienkrise, die im wesentlichen eine Vertrauenskrise ist und keineswegs alle betrifft, sondern vor allem die etablierten Medien. Dafür reicht es nicht, sich selbst zum „Qualitätsjournalismus“ zu erklären und auf andere herunterzublicken, die nicht zum Club gehören.
Denn die Zeiten sind vorbei, da einem Gerhard Schröder „Bild, BamS und Glotze“ zum Regieren reichten, weil ein exklusiver Zirkel etablierter Medien sich als Torwächter und Filterinstanz fühlen konnte, die darüber entschied, was in den Augen der Öffentlichkeit stattfindet und was nicht. Internet und soziale Medien haben die Mauern zwischen den Toren eingerissen, die die selbsternannten „Qualitätsmedien“ weiter gern bewachen möchten. Die vermeintliche Medienkrise ist in Wahrheit eine Krise des bevormundenden Gouvernantenjournalismus.
Für ein überwiegend linksgestricktes Pressekorps, in dem so mancher gerade deshalb zum Journalismus kam, weil der Beruf dem linken Drang zur Volkspädagogik, zur Weltverbesserung und zur ideologischen Korrektur der Realität besonders entgegenkommt, ist das schwer einzusehen: Wenn alle dasselbe schreiben und meinen, Fakten und Interpretation kaum noch auseinanderhalten können und man mehr auf das Urteil der Zunftkollegen als auf das achtet, was die Leser interessiert und umtreibt, dann wird man irgendwann schlicht ignoriert.

Die bis zu zweistelligen Auflageverluste von Stern und Springer-Medien, deren Flaggschiff Bild gerade wieder einmal 200.000 Leser in nur einem Vierteljahr verloren hat, sind die Quittung, wenn man mit „Refugees welcome“-Kampagnen und devotem Kanzlerinnen-Dauerjubel beharrlich und verbohrt am Publikum vorbeischreibt.
Der „Lügenpresse“-Vorwurf, in dem der Vertrauensentzug gegenüber den bevormundenden Filtermedien kulminiert, mag überzogen sein, aber er hat die Mediengouvernanten tiefer getroffen, als sie zugeben wollen. Die Konsequenzen, die viele Medienhäuser aus der ökonomischen Krise ziehen, in die sie medialer Strukturwandel und selbstverschuldete Leservergraulung gestürzt haben, verschärft das Leiden noch: Zusammengelegte und kannibalisierte Redaktionen, die Einheitsbrei von der Stange liefern, verstärken den Verdruß über pseudo-eigenständige Zeitungen, die sich oft nur noch im Titelschriftzug vom Nachbarblatt unterscheiden.

Andere schielen neidisch auf den zwangsgebührengehätschelten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dort hat das Mißtrauen der Bürger gegenüber dem regierungsfrommen Sofa-Journalismus keine unmittelbaren ökonomischen Konsequenzen, denn die per De-facto-Rundfunksteuer eingetriebenen Gebührenmilliarden fließen unabhängig davon, ob da noch einer zuschaut oder glaubt, was er dort vorgesetzt bekommt.
Da kann man denn auch vom Geld der Gebührenzahler eine Studie nach der anderen bestellen, mit der man sich versichern läßt, man sei noch immer die Krone der „Qualitätsmedien“, und von Vertrauenskrise könne gar keine Rede sein. Während mancher noch von GEZ-artigen Subventionen für Stromlinienzeitungen träumt, die keiner mehr lesen will, greifen andere schon zu und suchen, wie die Süddeutsche Zeitung, die als „Rechercheverbund“ beschönigte Kollaboration mit finanzstarken ARD-Sendern.
Und wenn alle Stricke reißen, bleibt ja noch der Ruf nach dem Zensor. Selbst die einst renommierte FAZ sang jüngst ein Loblied auf die Kampagnen der Politik zum Kampf gegen „Fake News“. Im Staatsauftrag unliebsame Konkurrenz zu diffamieren, ist zweifellos die kläglichste Schwundstufe des kriselnden Gouvernantenjournalismus.
Vertrauen gewinnt man so erst recht nicht zurück. Denn auch im Internetzeitalter läßt sich mit gutem Journalismus Geld verdienen – gedruckt so gut wie online. Voraussetzung dafür ist echter Wettbewerb: ohne antiquierte Meinungsmonopole, Gesinnungskontrollen und politische oder halbstaatliche Subventionen und Beschränkungen.  Michael Paulwitz

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