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Montag, 27. März 2017

Nicolaus Fest protokolliert

Justizminister Heiko Maas hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Das heißt bei ihm nichts Gutes. Sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), gedacht zur Bekämpfung von „Hatespeech“ und „Fake News“, ist tatsächlich ein „Netzwerkzersetzungsgesetz“. Jedem Despoten würde es zur Ehre gereichen.

Denn worauf man auch schaut bei diesem Gesetz: Jeder Aspekt ist Ausdruck einer Gesinnung, die das Recht auf Meinungsfreiheit geringschätzt, die Verfassung mißachtet, dem Bürger mißtraut. Nicht nur der öffentliche Diskurs wird dramatisch beschnitten, auch der Rechtsstaat abgeschafft.

Das Gesetz verpflichtet soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, alle „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalte ihrer Nutzer innerhalb von 24 Stunden zu löschen; nicht ganz offensichtliche Fälle sind binnen sieben Tagen zu prüfen. Wird dann nicht gelöscht, drohen Privatpersonen Bußen von bis zu fünf Millionen Euro, Unternehmen der zehnfache Betrag.

Wohlgemerkt: Die Pflicht zur Löschung soll bereits dann bestehen, wenn der Inhalt rechtswidrig ist, nicht unbedingt strafbar. Das ist ein grundlegender Unterschied. Denn deutsche Strafgesetze verlangen häufig die vorsätzliche, also schuldhafte Verletzung der Norm; ein bloß rechtswidriges Verhalten, beispielsweise im guten Glauben, genügt nicht. Aber bei Heiko Maas soll Rechtswidrigkeit ausreichen.
Hinsichtlich der zu löschenden Inhalte verweist der Entwurf auf das Strafgesetzbuch – doch in einer Weise, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Zu löschen sind beispielsweise Beiträge, die den öffentlichen Frieden stören (§ 126), den Bundespräsidenten oder religiöse Bekenntnisse verunglimpfen (§ 90, 166), volksverhetzend sind (§ 130) oder allgemein den Ehrenschutz tangieren, also beleidigen, verleumden oder übel nachreden (§ 185–187).
Nicht genannt ist die Verunglimpfung von Regierungsvertretern (§ 90b), die wohl erst nach einem Wahlsieg Martin Schulzens in den Katalog aufgenommen wird. Ebenso ausgenommen von der Löschpflicht ist die Verbreitung kinderpornographischen Materials nach § 184d Strafgesetzbuch – aus welchen erratischen oder edathyschen Gründen auch immer. Seltsamerweise muß ausgerechnet die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203) nicht gelöscht werden.

So fragwürdig der Katalog, so fragwürdig die Fristenregelung. Alle Paragraphen, auf die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verweist, enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe. Während Richter oft tagelang über der Frage brüten, ob Äußerungen als Verleumdung, Volksverhetzung oder Bedrohung zu werten sind, sollen Privatunternehmen dies innerhalb von 24 Stunden beantworten. So werden sie schon aus Zeitdruck eher extensiv löschen. Anderenfalls drohen exzessive Bußen. Während vorsätzliche (!) Verstöße gegen Gerichtsbeschlüsse üblicherweise mit bis zu 250.000 Euro belegt sind, soll die fahrlässige Nichtlöschung mit bis zu 50 Millionen Euro geahndet werden.
Die Höhe der Buße enthüllt den Zweck des Gesetzes. Es geht nicht um Bestrafung verbotenen Handelns, sondern um Einschüchterung. Wie in China und anderen staatsterroristischen Ländern wird das Recht mißbraucht, um Meinung zu lenken, um jeder Opposition mit der Vernichtung ihrer bürgerlichen Existenz zu drohen. Während gewaltkriminelle Straftäter oft mit lachhaften Sanktionen davonkommen, will man diejenigen, die sich beispielsweise über solche Urteile empören, jenseits aller Verhältnismäßigkeit bestrafen.

Dazu paßt, daß nur gelöscht werden muß. Damit hat es sich. Daß die Strafverfolgungsbehörden die Fälle übernehmen, ist nicht vorgesehen – wohl weil sich oft herausstellen würde, daß gar keine Strafbarkeit vorliegt. Selbst in den Augen von Heiko Maas besteht also aus strafrechtlicher Sicht kein Handlungsbedarf. Es geht nur darum, die sozialen Netzwerke und ihre Nutzer gefügig zu machen – und beiden den kurzen Prozeß, wortwörtlich.

Denn über die Bußgelder sollen die Amtsgerichte entscheiden, ohne öffentliche Verhandlung, ohne Möglichkeit der Berufung. Angesichts der Besetzung der unteren Gerichte mit Angehörigen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen ist so die „Herrschaft durch Recht“ gesichert – und die Herrschaft des Rechts endgültig demontiert.
Fast selbstverständlich für ein SPD-Gesetz: Nur deutsche „Haßsprache“ wird sanktioniert, nicht aber gleiche Äußerungen in türkischer oder arabischer Sprache. Und die Grünen-Politikerin Renate Künast fordert schon weitere Verschärfungen: Sie will auch den „Graubereich zwischen grob unhöflichen und strafbaren Äußerungen“ erfassen, um den „sozialen Frieden“ zu schützen. Unter diesem Vorwand läßt sich dann endgültig jede Meinung verbieten. Selbst der linksliberale Berliner Tagesspiegel assoziierte den Gesetzentwurf mit der Meinungsdiktatur in George Orwells Roman „1984“.
Daß Heiko Maas die sozialdemokratische Reichsschrifttumskammer in private Hände legt, hat seine Gründe. Zunächst wird jede Gegenwehr faktisch unmöglich gemacht. Denn wer streitet schon mit fernen Unternehmen über irgendwelche Löschungen? Außerdem gilt der unschöne Vorwurf der Zensur nicht Maas und Merkel, sondern amerikanischen Firmen.

So folgt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz dem Schema anderer Zensurmaßnahmen: Statt selbst die Meinungsfreiheit einzuschränken, spannt der Staat private Unternehmungen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung oder Correctiv.org ein. Grundrechtsschutz und politische Verantwortung werden dadurch umgangen. Und medial behält er die volle Kontrolle. Denn ARD wie ZDF sind ohnehin in der Hand der Altparteien, und die freie Presse hat sich längst selbst gleichgeschaltet.
Der Fall des FAZ-Mitarbeiters Daniel Deckers, der in der regierungsnahen Einwanderungskommission von SPD-Staatssekretärin Özoğuz mitarbeitet, macht das überdeutlich.  Nicolaus Fest


Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer  Jurist(inn)en ist in Deutschland offenbar das, was in Italien Magistratura Democratica ist. Mit dem Unterschied, dass bei Magistratura Democratica die politische Militanz innerhalb der Justiz im Statut festgeschrieben ist und die Mitglieder keine Sozialdemokraten, sondern "Kommunisten mit menschlichem Antlitz" sind, wie sie bereits anlässlich des Russell-Tribunals zur Situation der Menschenrechte in der BRD in Erscheinung traten.

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