Stationen

Mittwoch, 8. März 2017

Standhaft!

Zeus wütet. Der Sturm mit dem Namen des Göttervaters fuhr über Frankreich, knickte Strommasten wie Streichhölzer. Fast eine Million Haushalte waren zwei Tage ohne Strom, sozusagen abgeschaltet. Zeus ist wie ein Symbol für die politische Situation. Frankreich steht vor einem stürmischen Frühling. Am wütendsten tobt es im Lager der Konservativen. Dort scheinen auch einige politische Hirne ausgeschaltet worden zu sein. Beeindruckt von Umfrage-Instituten, die schon in jüngster Vergangenheit völlig danebengelegen hatten, haben einige führende Politiker des konservativen Lagers ihren mit großer Mehrheit gewählten Kandidaten François Fillon im Stich gelassen und auf den Verlierer der Vorwahlen, Alain Juppé, Liebling der linksliberalen Medien, gesetzt.

Sie, die selbst mit kleineren Skandalen zu tun haben, empörten sich: Fillon habe sein Wort gebrochen, denn er habe versprochen, seine Kandidatur niederzulegen, sollte er angeklagt werden. Diese Anklage wird vermutlich am 15. März erfolgen. Im vorauseilenden Gehorsam zu den Trends in Medien und Umfragen eilten sie nun in das imaginäre Lager des Verlierers, der ihnen einen Sieg und damit Mandate, Ministerposten und Scheinwerferlicht verhieß. Ihr Vorbild ist Talleyrand, der sechs Regime überlebte und dessen Devise lautete: Da geht mein Volk, ich muß ihm hinterher, ich bin sein Führer.
Aber der Führer ohne Volk, Juppé, wollte lieber Verlierer und bei seinem kommunalen Volk in Bordeaux bleiben. In gekränkter Eitelkeit über die Ablehnung der konservativen Wählerschaft, wo doch die Medien und Umfragen ihn schon lange zum Sieger erkoren hatten, verharrte er nun in der Schmollecke und sagte definitiv ab, für Fillon als Kandidat anzutreten. Natürlich hatte er mit diesem Gedanken gespielt und seine Entourage laut und medial spekulieren lassen. Seine Voraussetzung war, daß Fillon seine Kandidatur niederlegen würde. Denn sonst stünde er als Prinzenmörder da und die Wähler würden ihm die Gefolgschaft verweigern.

Fillon aber blieb standhaft. In bonapartistischer Manier, der Mann der Vorsehung allein vor dem Volk,  rief er das Volk auf dem Trocadero zusammen und das jubelte ihm zu, im strömenden Regen, den Vorboten von Zeus. Der Jubel beeindruckte die nacheilenden Führer der Partei. Das Präsidium kam am Montag abend zusammen, Zeus wütete schon vor den Toren von Paris. Einstimmig stellten sie sich hinter „unseren Kandidaten“. Fillon-Bonaparte hatte wieder eine Schlacht gewonnen.

Der Krieg ist damit keineswegs beendet. Im Gegenteil, er geht erst richtig los. Am Dienstag abend rief Fillon in Orleans, der Stadt der Jungfrau, die sich nie unterwarf, wieder Tausenden jubelnden Anhängern zu: Diese Stadt ist ein Symbol des Widerstands, es war das Volk, das Jeanne d’Arc zum Sieg führte, auch wir werden uns nicht unterwerfen. Alle verstanden: Dies ist ein politischer Krieg gegen das Establishment, gegen die „Federhutträger“ und Barone im eigenen Lager, gegen die meisten Medien.
Im fernen Bordeaux und aus anderen Rathäusern flogen einige Giftpfeile Richtung Orleans, die vergeblich vorausgeeilten Barone wollen den Kandidaten nicht unterstützen. Ein geplantes Dreier-Treffen zwischen Fillon, Juppé und dem früheren Präsidenten Sarkozy fand nicht statt. Juppé sagte ab. Das konservative Lager ist de facto gespalten. Zumindest auf Parteiebene.
Der Gegner dagegen sammelt Truppen. Der heimliche Kandidat des Elysee und frühere Wirtschaftsminister, Emmanuel Macron, erhält Zuspruch aus der Sozialistischen Partei und aus der Regierung. Die Schwergewichte der Partei, die mit der Wahl des linken Rebellen Benoit Hamon nicht einverstanden waren, haben sich jetzt für Macron ausgesprochen. Premier Bernard Cazeneuve, die Minister Stephane Le Folle, Jean-Yves Le Drian und Ségolène Royal wollen ihn im Wahlkampf unterstützen.
Das ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für den gewählten Kandidaten Hamon, sondern auch für das Wahlvolk. Und es zeigt, noch deutlicher als im konservativen Lager, daß die Parteibarone längst nicht mehr auf das Wahlvolk, sondern auf das Volk der Journalisten und Demoskopen hören. Insofern wird diese Wahl eine über Frankreich hinausgehende symbolische Bedeutung haben: Wer ist der Souverän, die Beziehungs-Oligarchien in Medien und Parteien oder das Volk?
Unerwartet erhält in dieser Situation Fillon Schützenhilfe aus dem linken Lager.

Der frühere Verteidigungsminister unter Mitterrand und Innenminister unter Chirac, Jean Pierre Chevenement, kritisiert den Zeitplan der Justiz, mithin die Einmischung der Richter in den Wahlkampf. Er teile nicht die politischen Ansichten des konservativen Kandidaten, aber seine wehrhafte Standhaftigkeit gegenüber der Komplizenschaft zwischen Richtern und Journalisten.
Dieses „Konkubinat“ gefährde nicht nur die Unschuldsvermutung und führe zu medialen Vorverurteilungen, es gefährde vor allem die Demokratie. „Die Republik“, so der angesehene elder statesman, „das ist zuerst die allgemeine,  freie, unbeeinflußte Wahl der Bürger“. Es bleibt stürmisch und spannend in Frankreich. Und Marine Le Pen schaut zu. Die Stürme wehen für sie in die richtige Richtung. Jürgen Liminski

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