Stationen

Samstag, 13. Mai 2017

Fauna invertebrata Germaniae

Die Marionetten wappnen sich zum Geplänkel: Am Montag lud Mannheims Oberbürgermeister die "Söhne Mannheims" um den Sänger Xavier Naidoo, Mitautor des "umstrittenen" (= feindlich-negativen = auf den Index gehörende) Lieds "Marionetten", zu einem allen Ernstes so genannten "Krisentreffen" mehr vor denn ein und verlangte Aufklärung über die "antistaatlichen Aussagen" in dem Titel. Drei Stunden habe das Gespräch gedauert, teilte ein Behördensprecher später mit. Die Kommune, hieß es weiter, wolle trotz des Streits nicht vergessen, was die Mannheimer Stadtmusikanten für die schnuckelige Metropole an Rhein und Neckar geleistet hätten. Soll heißen: Über Selbstkritik und Abbitte führt ein Weg zurück in die Herde der Anständigen und an die städtischen Zitzen.

Spiegel online meldete: "Der Song hat den Söhnen Mannheims weitreichende Missbilligung eingebracht. Kritiker geißeln das Lied als mindestens rechtspopulistisch. Die Gruppe hatte die schweren Anschuldigungen zurückgewiesen."

Mindestens (!) rechtspopulistisch, das gilt als eine schwere, des Feigenblattes der künstlerischen Freiheit unwürdige Schuld in der DDR 2.0, in welcher bekanntlich jeder Analphabet und Strauchdieb willkommen ist, der Rechtspopulist aber keineswegs. Deswegen kann sich eine Claudia Roth über Naidoo mokieren – "plumper, gewaltverherrlichender Pegida-Sprech"; auch diese welke Maid weiß anscheinend nicht, was ein Pleonasmus ist –, dieselbe C. Roth, die ehedem als sogenannte Managerin der Band "Ton Steine Scherben" dem Herrn die Zeit stahl, welche wiederum, also die Band, nicht die Roth, im Lied "Keine Macht für Niemand" Folgendes ins Land tirilierte:

"Ich bin nicht frei und kann nur wählen
Welche Diebe mich bestehlen, welche Mörder mir befehlen
(...)
In Augsburg, in München, Frankfurt, Saarbrücken
Es sind überall dieselben, die uns unterdrücken
In jeder Stadt und in jedem Land
Mach ne Faust aus deiner Hand
Keine Macht für Niemand".

Während der sogenannte Justizminister Heiko Maas vor nicht allzu langer Zeit via Twitter eine Combo für ihr Engagement gegen "rechts" pries, die nicht nur SPD-Folklore wie "Deutschland verrecke" singt (im allerweitesten Sinne "singt", ich höre gerade Carlo Bergonzi), sondern auch, ohne je eine Ladung von den Wismarer, Rostocker oder Greifswalder Stadtvögten erhalten zu haben, Texte darbietet wie diesen:

"Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen
Und schicken den Mob dann auf euch rauf
Die Bullenhelme - sie sollen fliegen
Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein
Und danach schicken wir euch nach Bayern
denn die Ostsee soll frei von Bullen sein."
("Feine Sahne Fischfilet": "Staatsgewalt").

Mehrere Leser haben mich zudem auf einen Song des Bob Dylan aufmerksam gemacht, der unlängst aufgrund einer weiteren launigen Entscheidung des "Stockholmer Elferrates" (Eckhard Henscheid) den Literaturnobelpreis erringen durfte.

Dylan sang 1936, quatsch 1963:

"And I hope that you die
And your death will come soon
I’ll follow your casket
On a pale afternoon
I’ll watch while you’re lowered
Down to your deathbed
And I’ll stand over your grave
‚Til I’m sure that you’re dead"
("Masters of War")

Das ging aber nicht gegen Frau Merkel und Herrn Gauck, die sangen weiland noch die originalen DDR-Lieder, sondern gegen den Kalten Krieg, also gegen Chruschtschow und Kennedy gleichermaßen, und Letzerer bekam ja wenige Monate darauf die Quittung in den Hinterkopf. Dass der Präsident den Nobelpreisträger in statu nascendi damals zu einem klärenden Gespräch eingeladen hat, ist nicht überliefert, gilt aber als unwahrscheinlich.  


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Jemand sagte: "Die Umwandlung des Bundestags in die neue Volkskammer ist eine geniale Operation gewesen. Ich erinnere mich noch an die großen Auseinandersetzungen im Bundestag, etwa die Redeschlachten um die Ostpolitik. Und heute? Völlig geräuschlos hat man hinter einer parlamentarischen Fassade die Gleichschaltung vollzogen. In der Ostzone brauchte man dafür noch die SMAD (Sowjetische Militäradministration – M.K.) mit ihren Folterkellern und Schweigelagern. Eine bewundernswerte Aktion, durchgeführt wie ein perfekter Bankraub."


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Jetzt, endlich, sind es drei verdächtige Rechtsextremisten in der Bundeswehr geworden, und das Establishment darf, endlich, verzückt eine "Terrorzelle" vermelden. Daraus folge, meint Kamerad ***, dass es sich bei den unlängst enttarnten ca. 20 islamischen Radikalen in der Bundeswehr um sechs bis sieben Terrorzellen gehandelt habe.


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Ein Wort in die Runde: Nach meiner Kenntnis lesen auch viele Anwälte diese Seite. Ich habe eine Frage zur Anwendbarkeit eines steuerrechtlichen EuGH-Urteils auf die Bundesrepublik. Wer sich dazu befähigt und bemüßigt fühlt, sende bitte eine kurze Mail an: info@michael-klonovsky.de


Als Appendix zu meinen Einträgen über den neuen Volks- und Staatsfeind Nr. 2, Xavier Naidoo, macht mich Leser *** auf den Song "Kill the white man" aufmerksam, "den die amerikanische Punkrockband NOFX auf dem 'Chiemsee-Summer'-Festival 2016 zum Besten gab und der soeben im Nachtprogramm des Bayerischen Fernsehens, wohl wegen des unbestreitbar hohen künstlerischen Werts, wiederholt wird". Und der geht so:

The white man call himself civilized
Cause he know how to take over
The white man come to pillage my village
Now he tell me I have to bend over

Oh yeah, kill all the white man

No I don't like the white man up in me
He rape all my people as he rape my country
Everything I love and cherish, he try to take away
We will be rid of him, soon come the day

Oh yeah, kill all the white man
Oh yeah, kill all the white man
Oh yeah, kill all the white man
Oh yeah, kill all the white man

Bemerkenswert, fährt *** fort, sei die "Selbstachtung des ausschließlich weißen Publikums: Der Kameraschwenk zeigt schon länger hier weilende Menschen, die den Refrain begeistert mitgrölen", und empfiehlt: "Vielleicht können Sie ja im Diarium eine feste Rubrik mit nicht-staatsgefährdenden Songtexten einrichten."

Ein Anfang ist ja schon gemacht, vielleicht wohnt ihm gar ein Zauber inne.


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Je älter Zeitungen werden, desto interessanter werden sie zugleich. Parallelen treten zutage, die dem Zeitzeugen naturgemäß verborgen blieben, und auf manches sinistere Gelichter fällt in der Rückschau ein überdeutlich grelles Licht.

"Links von der Mitte des politischen Spektrums der Bundesrepublik machen sich seit Wochen Aversionen gegen die Zuzügler breit", meldete der Spiegel am 23. Oktober 1989. "Die Front der Flüchtlingsfeinde reicht von kommunistischen Sektierern über alternative Abgeordnete bis hin zu strammen SPD-Linken. Am feindseligsten gebärden sich Radikale, etwa aus dem Kommunistischen Bund (KB). DDR-Übersiedler, heißt es im KB-Sprachrohr Arbeiterkampf, seien 'Spießerschrott', dem es nur um die schnelle Westmark gehe. Den 'Zoni-Zombies' wurden zur Abschreckung Schläge angedroht: 'Euch hätten wir gleich auf dem Bahnsteig gern die Fresse poliert.'
(...)
Die Ressentiments gegen Übersiedler erhalten beinahe täglich Nahrung durch neue Reizbilder in den Medien. Wenn die Ankömmlinge im Westfernsehen aufgekratzt Deutschland-Fähnchen schwenken, ihre DDR-Kennzeichen am Wartburg bis aufs bloße 'D' durchstreichen und die neuerworbenen Bundespässe voller Nationalstolz in die Kamera halten, graust es vielen Grünen, die sich auf ihre internationalistische Gesinnung viel zugute halten. 'Die Zonis küssen ja den BRD-Boden wie der Papst', beobachtete entgeistert ein Mitglied der Hamburger Grün-Alternativen Liste.

Weil Zehntausende von DDR-Bürgern ganz offensichtlich das kapitalistische System einem sozialistischen vorziehen, flüchten sich viele Westlinke in Sarkasmus. So feierte die alternative Tageszeitung die Mauer kürzlich als 'Berlins nützlichstes Bauwerk' (...)

Schwierigkeiten im Umgang mit den SED-Flüchtlingen haben westdeutsche Linke auch deshalb, weil der Massenansturm Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot weiter verschärft. Heimische Zukurzgekommene fühlen sich durch die Neubürger zusätzlich benachteiligt.

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Hermann Heinemann (SPD) sah sich letzte Woche genötigt, vor einer 'Verhätschelung' der DDR-Übersiedler zu warnen: Hiesige Arbeitslose müßten 'mit Bitterkeit' registrieren, daß den Zuwanderern Arbeitsplätze 'auf dem goldenen Tablett' serviert würden. In West-Berlin, wo das Gerangel um Arbeitsplätze und Wohnungen besonders heftig ist, haben grüne Politiker bereits eine Zuzugsbegrenzung für DDR-Übersiedler ins Gespräch gebracht.
(...)
Einzelnen SPD-Politikern kommt die Massenflucht mittlerweile ebenfalls ungelegen. Mit Hinweis darauf, daß die DDR nicht ausbluten dürfe, forderte der West-Berliner Abgeordnete Ehrhart Körting, die Übersiedlung per Gesetz zu erschweren, etwa durch eine Abschaffung der Rentenberechtigung. Wer die DDR verändern wolle, müsse sicherstellen, argumentiert Körting, daß die kritischen Bürger auch dortblieben."

Der komplette Text findet sich hier. (Ich danke Leser *** für den Hinweis.)


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Eine CDU-Landtagsabgeordnete erzählt in kleiner Runde, Unions-Fraktionschef Kauder habe auf einer Strategie-Versammlung seiner Partei die Direktive ausgegeben, man müsse dafür sorgen, dass Migration und Kriminalität in der öffentlichen Wahrnehmung voneinander getrennt werden.

Die Idee, der Bevölkerung vorzuschreiben, was sie auf welche Weise und in welchen Zusammenhängen wahrzunehmen habe, erinnert an Vorgaben des Reichspropagandaministeriums oder der Agitationskommission der SED und erfreut all diejenigen, die auf Konstanten im deutschen Nationalcharakter vertrauen. Auch die dahinterstehende Gewissheit, die Medien so weit unter Kontrolle zu haben, dass man dergleichen ganz unbefangen anweisen könne – es geht immerhin gegen die Alltagserfahrung von mittlerweile Hunderttausenden wenn nicht bereits Millionen Staatsbürgern –, atmet den noblen Geist großer deutscher Volkserzieher aus noch größeren Zeiten.


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Von 2015 auf 2016 gab es nach Angaben des BKA bei den Vergewaltigungen durch Gruppen ("Männer") gemäß §§ 177 /2 StGB eine Zunahme um 106,3 Prozent von 254 auf 524 Fälle resp. Einzelfälle. Dieses klassische Haushaltsdelikt der deutschen Leitkultur – Vater und seine Kumpels gehen nach dem Volksfestbesuch bierselig Mutter an die Wäsche – entfaltet nunmehr seine integrative Kraft. Auf, Brüder, ins Land of Rape and Honey!


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Im Gespräch sagt Jörg Friedrich einen Satz von so weiser Bescheidenheit und großer Einsicht, dass man ihn, vielleicht etwas ins Allgemeinverständliche modifiziert, über die Portale sämtlicher sozialen Schwätzwerke einmeißeln sollte, den Daumenhebern und vor allem -senkern zur Rechtleitung. Nämlich: "Unter den Komponisten, mit denen ich nichts anzufangen weiß, steht Max Reger ganz an der Spitze. Das hat mit Reger allerdings nicht das Geringste zu tun und liegt ausschließlich an mir."    MK am 11.


Zu Claudia Roths aktuellstem Triumphzug siehe auch dieses Interview

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