Stationen

Mittwoch, 14. Juni 2017

Vielsagend, sehr viel

Zu vermelden ist ein Skandal. Auf Platz neun der "Sachbücher des Monats Juni", ausgeschrieben von NDR und Süddeutscher Zeitung, steht, mokiert sich Letztere, "das Pamphlet 'Finis Germania' des 2016 verstorbenen Historikers Rolf Peter Sieferle. Warum?"

Lässt man die Petitesse beiseite, dass es sich bei dem vorgeblichen Pamphlet keineswegs um ein solches handelt, sondern eine göttlich boshafte, beinahe unerträglich scharfe, aber äußert luzide Analyse (siehe meinen Eintrag vom 14. Mai), ist die Antwort simpel: weil irgendeiner der Juroren – oder gar mehrere? – das Buch empfohlen hat.

Im Gegensatz zu Preisrichterkollegien, die in gemeinsamen Sitzungen über einen Buchpreis entscheiden, „senden für die 'Sachbücher des Monats' die Juroren Listen mit Punkten für einzelne Bücher ohne gemeinsame Aussprache ein. So wenig wie für das Publikum ist für die Juroren am Ende kenntlich, wer welchem Buch wie viele Punkte gegeben hat, ja, warum ein Buch überhaupt Eingang auf die Liste fand", beschreibt die Süddeutsche den Modus vivendi. Offenkundig kam auf diese Weise bislang verlässlich eine Ligatabelle des Nichtanstößigen zustande. Die meisten Verlage achten ja ohnehin darauf, dass anstößige Titel gar nicht erst erscheinen.

Im Grunde lief es auch diesmal so. Auf den ersten und zweiten Platz der Juni-Liste wählten die Juroren in schläfriger Routine die Bücher "Der neue Bürgerkrieg. Das offene Europa und seine Feinde" und "Trump! POPulismus als Politik" (wobei sie angesichts der baumschulenhaften Ähnlichkeit der Titel, Thesen und Autorentemperamente natürlich schon aufpassen müssen, dass sie nicht versehentlich ein Buch empfehlen, welches schon im vergangenen Monat auf der Liste stand). Auf Platz 3 landete Dieter Borchmeyers achtbar-fleißige Collation "Was ist deutsch?" Ein "Atlas der Umweltmigration" auf Platz vier stellte sogleich wieder Kontinuität her und gab auf Borchmeyers Frage die gültige Antwort: Deutsch ist, in der Schraubzwinge zwischen den Agenten des offenen Europa und den Umweltmigranten eingequetscht so lange gegen den Populismus zu kämpfen, bis eintritt, was das versehentlich auf Platz neun gelandete Buch beschreibt, welches also gewissermaßen die Pointe verrät. Und das macht man doch nicht.

"Wer innerhalb der NDR/SZ-Jury für 'Finis Germania' votiert hat, ist unklar", notiert die SZ. Die Ermittlungen laufen aber auf Hochtouren.
Aufschlussreich ist die Stellungname von Andreas Wang, Mitglied der Jury und ihr verantwortlicher Redakteur, welcher der SZ anvertraute: "Die Jury der Sachbuchbestenliste ist ganz und gar nicht glücklich über die Platzierung des Buches von Sieferle auf unserer Liste." – Wie mag es dann dorthingekommen sein, wenn "die" ganze Jury unglücklich ist? – "Einstimmigkeit herrscht darüber, dass jedes Jurymitglied frei ist, seine Meinung durch die Vergabe von Punkten kundzutun, und niemand ist bereit, einen Eingriff hinzunehmen." – Niemand hat die Absicht, einen Eingriff anzukündigen! – "Wir akzeptieren jedoch keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung." – Gezielte Platzierungen? Wird sonst um die Reihenfolge gewürfelt? Oder naheliegenderweise gleich ein Automat bemüht? – "In diesem Fall fühlen wir uns verpflichtet, den Juror oder die Jurorin, von dem die Platzierung stammt, zum Rücktritt aufzufordern beziehungsweise ihm seine weitere Mitarbeit zu versagen." – Wir erinnern uns: Jedes Jurymitglied ist frei, und niemand ist bereit, einen Eingriff hinzunehmen. – "Im Übrigen werden wir das Verfahren der listenmäßigen Platzierung derart erneuern, dass keine Platzierung eines einzelnen Mitglieds der Jury möglich ist."

Verstanden? Jeder Juror ist frei in seiner Entscheidung, welche Bücher er auswählt, aber wenn er ein falsches Buch empfiehlt, schmeißen wir ihn raus. Damit das künftig gar nicht erst passieren kann, ändern wir jetzt das Verfahren. Es sei nämlich "Zeit, über die Entgrenzung nach rechts im Feuilleton zu reden", empfahl ein wachsamer Grenzposten der taz – und meinte keineswegs: reden. "Ich gebe zu", sagte Juryvorsteher Wang dem knuffigsten aller oppositionsfeindlichen Blätter, "dass das Buch die Liste nicht gerade ziert."

Der Hüter der Listenreinheit mag beruhigt sein: Die restlichen Posten seines Rankings, all diese Saison-Autoren, werden rasch vergessen sein. Dann funkelt "Finis Germania" so allein für sich, wie es einem solchen Kleinod geziemt. Der eigentliche Skandal ist ja der neunte Platz.


PS: Der NDR teilt mit, dass man sich von dem in diesem Monat auf Platz neun der "Sachbücher des Monats" gelisteten Werk "entschieden distanziert". Der Sender werde die Liste nicht länger veröffentlichen und mit der Jury nicht mehr zusammenarbeiten. Wahrscheinlich aber nur, bis der Schuldige gefunden und in Schanden aus der Volksgemeinschaft, wenigstens aber aus dem Preiskomitee gejagt worden ist.

PPS: Wenn Sie ein Exemplar von "Finis Germania" erwerben wollen – und sei es auch nur, um es auf dem Berliner Opernplatz den Flammen zu übergeben – dann klicken Sie hier.


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Ich bin mehrfach gefragt worden, warum der Titel von Sieferles Buch nicht, wie zu erwarten, "Finis Germaniae" heißt. Ein Freund des Verblichenen schrieb dazu: "RPS war ein Liebhaber der lateinischen Sprache. Der Titel  ist ganz sicher mit Bedacht gewählt. Heinsohn hat seine Reflexionen zu Deutschland mit 'Finis Germaniae' betitelt. RPS wollte sich vermutlich mit 'finis germania [est]' davon absetzen. Finis + Nomen im Nominativ gibt es häufiger, z.B. auch bei 'avaro est finis pecunia'."  MK am 12. 6. 2017

 Die Causa Sieferle geht, wie gesagt wird, in die nächste Runde. Beginnen wir diesmal gleich mit dem vorläufigen Zwischenresultat: "Als ich vorhin 'Finis Germania' bestellen wollte", schreibt Leserin ***, "hieß es in beiden Buchhandlungen 'nicht lieferbar'. Seltsam, oder?" Ich würde eher sagen: folgerichtig. Aber – gepriesen sei die Restmarktwirtschaft – im Verlag kann man das eminente Bändchen nach wie vor ordern. Die Zwischenhändler freilich sind derzeit blank. Auf amazon kletterte "Finis Germania", obwohl es dort nur second hand angeboten werden darf, auf Platz 1. Und wer Sinn für Komik besitzt angesichts der Tatsache, welche Bücher hier und heute außerhalb des Samisdats nicht mehr verlegt oder auf dem üblichen Wege gekauft werden können, wird sich daran erfreuen, dass die Süddeutsche in derselben Ausgabe, in welcher sie zur Hatz auf das Sieferle-Buch und dessen Empfehler in der Sachbuch-Jury blies, unter der Spitzmarke "Zensur" einen Artikel veröffentlichte, in dem der "Parthenon of Books", ein "Tempel aus verbotenen Büchern", zu einem "Mahnmal für die globale Meinungsfreiheit" und einem "Höhepunkt" der Kasseler Documenta erklärt wird (hier). Das nennt man, glaube ich, kognitive Dissonanz. Und das erklärt auch einen guten Teil der – natürlich bloß rein verbalen – Aggressivität, mit welcher deutsche Journalisten inzwischen agieren.

In der Jury für das "Sachbuch des Monats" konnte man indes aufatmen: Der Maulwurf, der Unhold, jener Journalist, der Sieferles Buch zu empfehlen wagte, hat sich dank des wachsenden Nachstellungsdrucks zu erkennen gegeben und seinen Rückzug aus dem Gremium erklärt. "Redakteur des Spiegel gab rechtsextreme Leseempfehlung", verkündete nicht ohne Triumph die FAZ. "Es ist Johannes Saltzwedel vom Spiegel, der auch schon Bücher über die Germanen veröffentlicht hat", steuerte die Welt ihren Teil zur Aufklärung bei, um sodann einzuräumen: "Keiner der Juroren kann erfreut darüber sein, einer Jury anzugehören, von deren Arbeit sich öffentlich-rechtliche Stellen in Deutschland distanzieren müssen." Aber ein Komitee, das sich so schnell zu säubern versteht, bekommt gewiss eine zweite Chance. Kollektive Selbstverpflichtungen und strenge Verfahrenskontrollen werden dafür sorgen, dass eine weitere nicht erforderlich sein wird.

Nun kommt der FAZ-Journalist Jan Grossarth ins Spiel, der sich um das Renommee Sieferles schon erhebliche Verdienste erworben hat, denn der Kitzel der subversiven, gegen die Dekrete der Partei- und Staatsführung gerichteten, die Staatsicherheit auf den Plan rufenden Lektüre ist in weiten Teilen des Volkes plötzlich wieder en vogue. Grossarth sieht seine Weltsekunde des Wahrgenommenwerdens gekommen, weshalb er sich mit der Maximalforderung bläht: "Womöglich enthält das Buch strafbare Inhalte. Die begriffliche Verbindung von Auschwitz und 'Mythos' weist eine Nähe zum strafbaren Ausdruck der 'Auschwitz-Lüge' auf" (hier). Strafverfolgung! Da beginnt doch die Cowpersche Drüse jedes Denunzianten vorfreudig zu nässen!

Allerdings ist zunächst einmal ein "Ausdruck" namens "Auschwitz-Lüge" nicht strafbar, sonst wäre unser journalistischer Ermittler ja selber dran. Sodann ist der Begriff "Mythos" vom Terminus "Lüge" ungefähr so weit entfernt wie der Kosename "Grossarth" von einer unbegreiflich ungerecht verteilten Gottesgabe namens "Geist" (aber, liebe Kinder, die FAZ war tatsächlich mal ein Intelligenzblatt). Und wie war das gleich mit dem "Gründungsmythos der Bundesrepublik", den ein Joschka "Jockel" Fischer... – egal. Gehen wir lieber nochmals in medias res, damit Sie, geneigter Leser, entscheiden können, ob es sich im Falle dieses FAZ-Autors um einen bedauernswerten Dummkopf handelt, der nicht imstande ist, Sieferles Texte zu verstehen und angemessen wiederzugeben, oder bloß um einen Lumpen.

Was hat es also mit der so lüstern präsentierten Verbindung von "Mythos" und "Auschwitz" bei Sieferle auf sich? Der Historiker hat geschrieben:

"Jede Geschichtskonstruktion ist das Werk einer Gegenwart, die damit bestimmte ideologische Ziele verfolgt, nach Sinn sucht oder konkrete Freund-Feind-Verhältnisse feststellen möchte. Bei dem heute so populären Auschwitz-Komplex handelt es sich offenbar um den Versuch, innerhalb einer vollständig relativistischen Welt ein negatives Absolutum zu installieren, von dem neue Gewißheiten ausgehen können. 'Auschwitz' bildet insofern einen Mythos, als es sich um eine Wahrheit handelt, die der Diskussion entzogen werden soll. Dieser Mythos hat allerdings einen wesentlich negativen Charakter, da dasjenige als Singularität fixiert werden soll, was nicht sein soll. Daher trägt die sich auf diesen Komplex stützende politische Bewegung auch einen negativen Namen: Antifaschismus."

Und: "Der Nationalsozialismus, genauer Auschwitz, ist zum letzten Mythos einer durch und durch rationalisierten Welt geworden. Ein Mythos ist eine Wahrheit, die jenseits der Diskussion steht. Er braucht sich nicht zu rechtfertigen, im Gegenteil: Bereits die Spur des Zweifels, die in der Relativierung liegt, bedeutet einen ernsten Verstoß gegen das ihn schützende Tabu. Hat man nicht gar die 'Auschwitzlüge' als eine Art Gotteslästerung mit Strafe bedroht? Steht hinter dem Pochen auf die 'Unvergleichlichkeit' nicht die alte Furcht jeder offenbarten Wahrheit, daß sie verloren ist, sobald sie sich auf das aufklärerische Geschäft des historischen Vergleichs und der Rechtfertigung einläßt? 'Auschwitz' ist zum Inbegriff einer singulären und untilgbaren Schuld geworden."

Wo lugt hier die "Lüge"? Offenkundig einzig aus den Zeilen des Pressbengels.

Welcher stracks die nächste Unterstellung nachschiebt: "Die indigenen Deutschen müssen sich demnach dringend wehren. Sieferle schrieb, bevor er sich im Herbst 2016 das Leben nahm: 'Ultima ratio der Politik ist der Krieg: die Bereitschaft zur Selbsthingabe des Individuums für eine höhere Sache, für eine Gemeinschaft, zum Opfertod.'"

Im Buch beschreibt Sieferle den Übergang von "Politik" im traditionellen Sinne zum heutigen vielverwobenen und -vernetzten und keineswegs nur Journalisten verwirrenden "System": "Politik gehört einer älteren Daseinsschicht an, geordnet in Hinblick auf Staat und Geschichte, kristallisiert in Staatsmännern, Führern und Ideologen. Es gibt in ihr Programme, Werte und Ziele. Gefordert sind Tugenden und Einsätze, die sich auf ein übergeordnetes Ganzes richten. Ultima ratio der Politik ist der Krieg: die Bereitschaft zur Selbsthingabe des Individuums für eine höhere Sache, für eine Gemeinschaft, zum Opfertod.
System ist die Eigenschaft neu heraufziehender Ordnungen von höherer Komplexität, welche die Politik sukzessive verdrängen. Systeme organisieren sich ohne Fokus, ohne Werte, Ziele und Programme. Ihre einzige Maxime lautet: Freiheit und Emanzipation für die Individuen. Tugend und Opfer sind Anachronismen, Kriege bloße Konfliktkatastrophen, die es durch geschicktes Management zu verhindern gilt. Ordnung wird durch selbsterzeugte Zwänge der Objektivität geschaffen, nicht aber durch normierende Ausrichtung. Die Strukturen der Systeme sind für die Individuen so unentrinnbar wie ein Magnetfeld für Eisenspäne. Sie 'wissen' nichts davon, doch fügen sie sich den vorgezeichneten Bahnen. Die wichtigsten Vorgänge werden nicht gesteuert und sind kaum theoretisch faßbar.
System hat sich in den fortgeschrittenen 'westlichen' Ländern weitgehend durchgesetzt."

In zwei Absätzen löst sich die vermeintliche Aufforderung zum Opfertod, die, sofern von islamischer Seite erhoben, von diesen schreibenden Hasenfüßen verständnisvoll unbeplärrt bleibt, in Nichts auf. Was meinen Sie, geduldiger Leser: Ist der Herr Grossarth nun zu dumm, solchen Gedankengängen zu folgen (man hört ja so einiges über die Qualität der nachrückenden Journalistenjahrgänge, und was man zu lesen bekommt, o là là) –, oder ist er bloß niederträchtig?

Wem praktisch jedes Argument fehlt, der braucht kollegialen Beistand. Die Autoren kommen und gehen, der Duktus bleibt derselbe. In einem weiteren und gewiss nicht dem letzten Artikel der "Zeitung für Deutschland" zum Thema heißt es:

"'Die Schuld der Juden an der Kreuzigung des Messias wurde von diesen selbst nicht anerkannt. Die Deutschen, die ihre gnadenlose Schuld anerkennen, müssen dagegen von der Bildfläche der realen Geschichte verschwinden.' Ein typischer, ein antisemitischer Satz des späten Rolf Peter Sieferle." Schreibt diesmal Grossarths Kollege und seit heute sogar Kumpan Hannes Hintermeier, im FAZ-Feuilleton verantwortlich für "Neue Sachbücher". Es ist derselbe miese Stil des aus dem Zusammenhang Zitierens, der einem Intellektuellen eigentlich peinlich sein müsste, aber offener Meutendruck und unterschwellige Existenzangst – ohne staatliche Finanzhilfen wird kaum eine dieser Gazetten die nächste Dekade überleben – fressen das Schamgefühl wahrscheinlich einfach auf. Im Übrigen belehrt die Lektüre des Babylonischen Talmud darüber, dass die jüdische Tradition diese Schuld, die ja gar keine ist – es wurde schließlich ein Gotteslästerer für ein todeswürdiges Verbrechen bestraft –, nicht nur anerkennt, sondern stolz auf sich nimmt, aber diesen Nebenkriegsschauplatz machen wir hier nicht auf, zumal nicht gegen Ungebildete. (Wer mehr darüber lesen will, möge sich zu meinem Eintrag vom 4. September 2016 durchscrollen.)

Bringen wir nun, der Hermeneutik ebenso verpflichtet wie der Moral, die zitierte "Stelle" halbwegs in den Textzusammenhang – die gesamte metaphysisch-psychopolitische Spekulation ist zu lang, um sie hier in Gänze zu zitieren, aber Sie können das Buch ja beim Verlag – hier – bestellen. O-Ton Sieferle:

"Der Deutsche, oder zumindest der Nazi, ist der säkularisierte Teufel einer aufgeklärten Gegenwart. Diese mündig und autonom gewordene Welt benötigt ihn als eben die Negativfolie, vor der sie sich selbst rechtfertigen kann. Insofern besteht eine hohe Affinität zwischen dem Deutschen und dem Juden, wie er in der christlichen Vergangenheit gesehen worden war: Das zweite große Menschheitsverbrechen nach dem Fall Adams war die Kreuzigung Christi. Diese Untat wurde zwar sogleich durch die Auferstehung und Erlösung wieder aufgehoben, doch hatte die Erlösung zumindest eine minimale Voraussetzung: den Glauben. (...)
Die Juden teilten selbst nicht die Bewertung, die ihnen seitens der Christenheit widerfuhr, während die Deutschen die ersten sind, ihre unauflösliche Schuld zuzugeben – wenn dies auch gewöhnlich in der Weise geschieht, daß derjenige, welcher von der Schuld oder 'Verantwortung' der Deutschen spricht, sich selbst zugleich von dieser reinigt, da die Anerkennung der Schuld immer nur mit Blick auf die Verstockten, d.h. die anderen, ausgesprochen wird. Die Schuld Adams wurde heilsgeschichtlich vom Opfertod Christi aufgehoben. Die Schuld der Juden an der Kreuzigung des Messias wurde von diesen selbst nicht anerkannt. Die Deutschen, die ihre gnadenlose Schuld anerkennen, müssen dagegen von der Bildfläche der realen Geschichte verschwinden, müssen zum immerwährenden Mythos werden, um ihre Schuld zu sühnen. Der ewige Nazi wird als Wiedergänger seiner Verbrechen noch lange die Trivialmythologie einer postreligiösen Welt zieren. Die Erde aber wird von diesem Schandfleck erst dann gereinigt werden, wenn die Deutschen vollständig verschwunden, d.h. zu abstrakten 'Menschen' geworden sind. Aber vielleicht braucht die Welt dann andere Juden.“

Zu erklären, was daran antisemitisch sein soll, würde sogar einen knalldeutschen Habitatsnazi überfordern, der sich vor 70 Jahren an der Jagd auf, Sie wissen schon wen, beteiligt hätte. Und erst recht den Herrn Hintermeier! Aber begründen ist ja unnötig. Man kann es, den Zeitgeist und seine Vollstrecker hinter sich wissend, auch durch Behaupten, Entstellen und Denunzieren erledigen. Dass der Sachbuchverantwortliche der FAZ allerdings, und sei es nur aus Kumpanei, unter seinem Namen folgendes drucken lässt:

"Dreißig Miszellen Sieferles hat der Verlag unter dem Titel ‚Finis Germaniae’ (sic!) zusammengekehrt, ebenso ekelhafte wie stellenweise unverständliche Endzeitdiagnostik, die nicht weiter erwähnenswert wäre, hätte sich das Büchlein nicht plötzlich auf der (...) Liste 'Sachbücher des Monats' wiedergefunden",

das ist in der Tat ekelhaft und vor allem aus der Froschperspektive eines Feuilletonisten, der nie einen eigenen Gedanken gedacht und nie einen Satz geschrieben hat, der nur ihm gehört, grotesk unangemessen. Vermutlich hat er nicht einmal das Buch gelesen und sich von seinem Kumpan sagen lassen, was er davon zu halten hat und was er zitieren soll. Ansonsten hätten wir es mit dem feuilletonistischen Pendant eines Sportredakteurs zu tun, der nicht in der Lage ist, eine Champions League-Partie von einem Spiel der A-Junioren zu unterscheiden.  


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"Und es war, als sollte der Ekel ihn überleben." (Nach Kafka).


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"Sehr geehrter Herr Klonovsky,
ich sitze gerade für mein Studium vor der lateinischen Grammatik und gehe meinem anfänglichen Verdacht nach, den ich bereits bei Erscheinen des Buchs hatte:
Germania steht als Adjektivattribut. Das Attribut wird nämlich in der Regel nachgestellt. Vorangestellt werden:
Quantitätsattribute (magnus, tantus, summus, multi, decem),
Demonstrativpronomina,
die geographische Apposition  (urbs, oppidum, provincia, mons, flumen),
rex und imperator (Kaiser).
Abweichungen von der gewöhnlichen Stellung heben hervor. (Hermann Throm. Lateinische Grammatik. Berlin 2008, S. 116.)
Es heißt also 'Das deutsche Ende'.

PS: Als Apposition im wörtlichen: Das Ende das Deutsche. Also auch 'Das deutsche Ende'."   MK am 12. 6. 2017


"In eigener Sache" hat sich der Spiegel zur "fragwürdige(n) Nominierung eines rechtslastigen Buches für die 'Sachbücher des Monats'" zu Wort gemeldet, denn sie wurde vollzogen von einem Redakteur des früheren Nachrichtenmagazins, der inzwischen aus der Jury zurückgetreten ist (siehe meine beiden gestrigen Einträge inmitten meiner ewiggestrigen). Der Betriebsparteisekretär des Spiegel, Klaus Brinkbäumer, erklärte: "Ich habe nach der Lektüre der wesentlichen Kapitel kein Verständnis dafür, dass der Kollege Saltzwedel dieses Buch empfohlen hat, und wegen des entstandenen Schadens begrüße ich seinen Rücktritt aus der Jury."

Neben der Anstrengung zur intellektuellen Redlichkeit, die darin besteht, die "wesentlichen Kapitel" eines immerhin knapp hundertseitigen Buches gemeistert zu haben, muss vor allem die Charakterfestigkeit Brinkbäumers gelobt werden, der mit seinem mutigen Bekenntnis zur Verständnislosigkeit das zarte Pflänzchen der Vorzensur gegen die Straße und gegen das Wutbürgertum verteidigt. Brinkbäumer mag innerlich auch schwer mit sich gerungen haben, bevor er sich schützend gegen seinen Kollegen stellte. Aber was außer Charakter sollte einen Mann von so bescheidenen Talenten in eine so verantwortungsvolle Position gebracht haben?


                            ***

"Es gab Zeiten, da man die Sklaven legal kaufen mußte."

"Hört ihr das Gestammel? Das sind die Chöre der Mitlaute nach der Extermination der Selbstlaute."

"Satiriker, pfeift auf Worte. Laßt Zahlen sprechen!"

"Seinem Mund entfliehen die edelsten Worte. Wundert euch das?"

"Positive Helden müssen nicht erst erschaffen werden; es genügt, sie zu nominieren."

"Es gibt Stücke, die so schwach sind, daß sie aus eigener Kraft nicht vom Spielplan herunter können."

"Auch fremdes Analphabetentum macht das Schreiben schwer."

"Viele verschweigen in den Lebensläufen ihr Nichtvorhandensein."

"Die Teufel haben von der Vergesellschaftung der Gegenwart erfahren und wollen nun keine Pakte mehr mit Privatpersonen schließen."

"Die meisten Maulkorbträger sind davon überzeugt, sie trügen Visiere."

Stanisław Jerzy Lec
(Man muss wohl wieder vermehrt Autoren zitieren, die unter sozialistischen Verhältnissen schrieben.)

Einer noch: "Ich werde ständig gefragt: 'Schreiben Sie auch größere Sachen?' – 'Nein', antworte ich, 'nur große.'"


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Emmanuel Macron, der sieghafte Sunnyboy mit dem Zukunftsabo, Trump-Dompteur und Populistenbezwinger, errang eine Mehrheit von 32 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 48,7 Prozent. Theresa May, die ihr Land ins Gestern der Souveränität führen will, erlebte ein Desaster mit 42,4 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 68,7 Prozent.


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Der schlimme Historiker und Universalgelehrte Rolf-Peter Sieferle, der sich dem Volksgerichtshof durch Freitod entzogen hat, verbreitete in seinen beiden letzten Büchern "rechtslastige Verschwörungstheorien", verlautbart seit ca. 24 Stunden die Wahrheits- und Qualitätspresse. Vor allem die rechtslastige Verschwörungstheorie, die deutsche Bevölkerung werde sukzessive gegen eingewanderte Völkerschaften ausgetauscht.

Im Hamburger Stadtparlament wurde diese rechtslastige Theorie schon vor anderthalb Jahren und interessanterweise von der grünen Abgeordneten Stefanie von Berg weniger verkündet denn als Tatsache konstatiert. "Unsere Gesellschaft wird sich ändern. Unsere Stadt wird sich radikal ändern", sagte die grüne Verschwörungstheoretikerin. "Ich bin der Auffassung, dass wir in 20, 30 Jahren gar keine ethnischen Mehrheiten mehr haben in der Stadt. Das ist auch das, was Migrationsforscherinnen und -forscher sagen." Wir werden dann in einer "superkulturellen Gesellschaft" leben, und, das sage sie "speziell in Richtung rechts" – also dorthin, wo die Theorie angeblich herstammt –, das sei "auch gut so"!

Merke(l): Nicht dass der "große Austausch" stattfindet, ist eine Verschwörungstheorie – sonst wäre es ja auch eine, dass die Erde um die Sonne kreist –; erst wenn "Rechte" behaupten, dass die Erde um die Sonne kreist, ist es eine.
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Weil im Fall Sieferle ständig auf Antisemitismus angespielt wird (auf rein papiernen, gegen den zu agitieren keinen Mut erfordert): Niemand hat in der deutschen Nachkriegsgeschichte mehr für den Antisemitismus getan als Angela Merkel mit ihrer Willkommenskultur bzw. -barbarei. Die Merkel-CDU ist die größte Antisemiten-Importspedition der deutschen Geschichte. Die echten Neonazis werden der Kanzlerin für diese unverhoffte Blutzufuhr an zumindest in diesem Punkte Gleichgesinnten ewig dankbar sein.

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"Aber warum sollten wir der Jugend nicht auch klar sagen, daß sie sich zu Recht Sorgen macht darüber, wenn unter dem Motto der Vielfalt Konterrevolutionäre versuchen, ihr Süppchen zu kochen?" Schau an, die Margot Honecker, vor exakt 28 Jahren.


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Hier endet der populäre Teil und es geht weiter mit den Lateinern zur Diskussion um die korrekte Übersetzung von "Finis Germania":

Leser *** notiert: "Der Schreiber, der die Lösung des Problems, das uns der Autor des vorgestellten Buches hinterlassen hat, indem er sich standhaft geweigert hat, den naheliegenden Genitiv zu verwenden, dergestalt vorgeschlagen hat, dass es sich um ein Adjektiv handele, das sehr schön zu finis (das hin und wieder einmal feminin sein KANN) passen würde, unterliegt, so fürchte ich, einem Irrtum, denn das Adjektiv deutsch heißt im Lateinischen nicht Germanius, sondern meines Wissens Germanicus, seltener Germanus o. germanicianus, sodass der vorgeschlagene Ausdruck dann finis Germanicus oder Germanica heißen müsste, seltener finis Germana o. finis Germaniciana. Germania ist aber das Nomen Deutschland und sonst nix.

Die korrekte Übersetzung ist schlicht und einfach: Grenze Deutschland.

Wie weit der Interpretationsrahmen antiker Sprachen gehen kann, beweist aber eine andere grammatisch mögliche Übersetzung, die den im Lateinischen häufigen Nominalsatz annimmt, in dem zB Germania das Subjekt und finis das vorangestellte Prädikatsnomen ist, was übersetzt werden kann als Deutschland ist das Ultimative oder das Ziel, sogar Deutschland ist das Ende ist möglich. Oder umgekehrt, das Ziel ist Deutschland, denn Subjekt und Prädikatsnomen stehen beide im Nominativ und sind somit austauschbar. Ein Schelm, wer für möglich hält, dass der Autor eine ebensolche Schelmerei beabsichtigt haben könnte. Oder ein humanistisch Gebildeter, der für möglich hält, dass auch andere eine humanistische Bildung genossen  haben. Wenn er uns sehen kann, wird er seinen verdienten Spaß an unseren Bemühungen haben."

Und, ad ultimum.Leser ***:
"Also ab in die zweite Runde in Sachen 'Finis Germania' (ich beziehe mich auf den Leser, den Sie in der Fortsetzung zum 12. Juni zitieren): Die Conclusio, zu welcher der Student auf der Grundlage des von ihm referierten Grammatik-Passus gelangt, ist Unfug. Zunächst einmal: Adjektivattribut kann 'Germania' hier schon allein deshalb nicht sein, weil 'Germania' kein Adjektiv, sondern ein Eigenname, genauer gesagt ein Toponym ist. Die von dem Leser gesehene Apposition 'Das Ende das Deutsche (sic!)', von der er dann flott zur adjektivischen Konstruktion 'Das deutsche Ende' hüpft, ist ebenfalls Unsinn, denn erstens kann 'Germania' niemals 'das Deutsche' heißen und zweitens soll hier ja nicht 'das Ende' näher bestimmt/qualifiziert, sondern vielmehr über Deutschland etwas ausgesagt werden, nämlich: 'das ist das Ende, der Untergang Deutschlands. Mit Adjektivattribut hieße unser Syntagma übrigens: 'Finis Germanicus' (oder: 'Finis Germanus'), zur Not auch noch: 'Finis Germanica/Germana', aber eben niemals 'Finis Germania' ('finis' ist überwiegend maskulin, selten feminin).

Für 'Finis Germania' gibt es nur zwei plausible Lesarten: Entweder man liest 'finis' als Verbform (2. Person Singular) und 'Germania' als Vokativ und erhält: 'Du gehst unter (endest) Deutschland!', oder man betrachtet 'finis' als Substantiv ('Germania' bleibt in jedem Falle Vokativ) und gelangt so zu: 'Das/dein Ende (der/dein Untergang), Deutschland!' (wie gesagt, im antiken Latein wurden keine Satzzeichen verwendet)."  MK am 13. 6. 2017

Deutschland als Ziel, Zweck, Grenze und Ende

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