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Sonntag, 15. Oktober 2017

Kurdistan

Am 25. September hat der starke Mann der Autonomen Kurdenregion im Irak, Masud Barzani, trotz Drohungen aus Bagdad, Teheran, Ankara und ohne Rückenwind der Europäer und der Amerikaner ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten.

Vermutlich zwei Jahre zu spät! Damals nämlich hatten die Kurden fast die gesamte westliche Welt hinter sich und wurden gefeiert – als Helden im Kampf gegen den Islamischen Staat. Damals war die „Kurdenfrage“ plötzlich nicht mehr ein Problem, sondern das kurdische Volk wurde als die „Lösung“ wahrgenommen.

Das Problem war damals der IS, als Lösung galten die Kurden. Der Westen stand hinter den Kurden, denn sie waren es, die nicht nur mutig genug waren, die „Drecksarbeit“ zu leisten, sondern die auch geostrategisch betrachtet perfekt konzentriert waren, um den IS zu bekämpfen. Und entgegen aller Erwartung waren sie erfolgreich: Der IS hat nicht nur seine „Hauptstadt“ Al-Rakka aufgegeben, sondern er verliert seit Monaten Gebiete. Der „Tag nach dem IS“ ist nahe.

Mittlerweile braucht der Westen die Kurden nicht mehr, und plötzlich ist sie wieder da, die „Kurdenfrage“. Und die Kurden sind wieder da, wo sie schon immer waren: in der Defensive und von einem unabhängigen Staat namens Kurdistan träumend.

Nur Israel hat sich offen für Kurdistan ausgesprochen, und dafür gibt es viele Gründe: etwa, dass es vor nicht allzu langer Zeit noch um eine „Judenfrage“ ging und die Juden ähnlich dastanden wie heute die Kurden. Neben diesem moralischen gibt es auch ein geopolitisches Argument: Ein unabhängiges, starkes und Israel verbundenes Kurdistan könnte im Ländereck Iran-Irak-Syrien eine Pufferzone bilden, die den iranischen Landkorridor zwischen dem Iran und dem Libanon brechen würde.

Masud Barzani soll Theodor Herzl und David Ben Gurion zu seinen Vorbildern zählen. Ben Gurion hat den Staat Israel kurze Zeit nach dem Holocaust gegründet. Barzani ist vielleicht zwei Jahre zu spät, aber hoffentlich beweist uns die Geschichte das Gegenteil.
Arye Sharuz Shalicar wurde 1977 in Deutschland als Sohn persisch-judischer Eltern geboren. Seine Autobiographie  "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude" ist 2010 im DTV erschienen. Heute ist er Abteilungsleiter für Internationale Beziehungen im israelischen Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des Ministerpräsidenten.

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