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Samstag, 24. März 2018

Die Mehrheit als erschwerender Umstand


Wenn wir gerade bei der Rückschau auf 2017 sind – gottseidank vergisst unsereins ja die meisten öffentlichen Zumutungen in einem verlässlichen Entgiftungsprozess schnell wieder –: Bei der Mainzer Fastnacht sagte ein Redner namens Hans-Peter Betz: "Die AfD ist die Bremsspur in der Unterhose Deutschlands" und fluchte, einmal in Sportpalaststimmung gekommen, über die „braunen populistischen Kanalratten". Ein anderer drohte: "In dem Europa, was wir uns wünschen, habt ihr keinen Platz. Packt Eure Koffer, ihr Geschichtsfälscher, ihr Kleingartenfaschisten, und macht euch auf die Reise."

Ist das nun weniger schlimm, gleich schlimm oder schlimmer als "Kümmeltürken", "Gesindel" und "Kameltreiber" (A. Poggenburg)? Bestimmt weniger schlimm, weil korrekt adressiert. Köterrasse und so. Der Unterschied zwischen derbem Witz und Hetze darf nämlich nicht nur an Begriffen festgemacht werden, es ist "scho enorm wischtisch" (Sixtus Kridwiß im "Faustus"), wer gegen wen spricht. Meint zumindest die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung, wie speziell dieser Vergleich gezeigt hat.

Natürlich ist die Wortwahl in beiden Fällen ekelhaft, aber offenbar müssen bei solchen Veranstaltungen Affekte bedient werden, die unsereiner nicht kennt, geschweige versteht. Darüber hinaus sind solche Flegeleien objektiv desto unangenehmer, je weniger Widerstand sie hervorzurufen vermögen, je stärker sie auf Zustimmung zählen können, je mehr Menschen ihnen applaudieren. Das eigentlich Widerliche bei Figuren wie Betz ist ihr quietschender Opportunismus. Hier kommt jene Mentalität zum Zuge, die beflissen noch ein Stück Holz zum Scheiterhaufen beisteuert und vorgibt, ein gutes Werk zu tun. Ich bin geneigt, das noch unangenehmer zu finden als die Pöbeleien des AfD-Mannes. Die Mehrheit hat nicht zwingend Unrecht, aber sie ist zwingend abstoßend.   MK am 23.

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