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Donnerstag, 15. März 2018

Europas Zölle

Wilbur Ross gehört zu den Menschen, die man besser nicht zum Feind haben sollte. Blitzgescheit, aggressiv, supermächtig und – wie an der Wall Street kolportiert wird – mit einem „vitalen Killerinstinkt” ausgestattet. Dumm also, dass ganz Deutschland ihn nun zum Feind hat. Denn Wilbur Ross ist der eigentliche Drahtzieher hinter den Handelskriegattacken Donald Trumps.

Es war sein Plan, mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium einen gezielten Handelskonflikt zu provozieren. Trump hatte weder seinen Außen-, Finanz- oder Verteidigungsminister über den Vorstoß informiert. Er vertraute ganz seinem alten Milliardärsfreund aus New Yorker Tagen. Wie bei einem Lausbubenstreich – und das, obwohl der 80-jährige Ross bei Kabinettssitzungen des öfteren schon mal einnickt und hinterher Witze über Nahtod-Erfahrungen macht.
Die beiden kennen sich seit 30 Jahren. Als Donald Trump seinerzeit mit seinen drei Casinos in Atlantic City pleite war, kam Ross als Chef der Bankrott-Abteilung von „Rothschild Inc.” und vertrat die Interessen von Trumps Gläubigern. Ross hätte Trump in den Ruin treiben können, doch er rettete ihn mit einem verblüffenden Deal. Auch deshalb hat Trump ihm vor einem Jahr das Handelsressort übertragen. „Wilbur Ross”, schwärmte er, „ist einer der besten Verhandler, die ich je getroffen habe.” Und ergänzt mit typischer Trump-Eitelkeit: „Immerhin sage ich das, der Autor der Buches ‚The Art of the Deal‘.”
Ross hat in seinem Berufsleben insbesondere mit Stahl sehr gute Deals verhandelt. Bei der Rothschild-Bank galt er über Jahrzehnte als Spezialist für Insolvenzen und wie man mit ihnen viel Geld verdienen kann. 1997 gründete er einen eigenen Beteiligungsfonds, 2002 erwarb er eine Reihe bankrotter Stahlfirmen, darunter die traditionsreiche Bethlehem Steel. Im selben Jahr verhängte Präsident George W. Bush Strafzölle gegen Stahlimporte, worauf die Preise stiegen, was dem Stahlpleitesammelsurium von Ross sehr half. Am Ende konnte er das sanierte Imperium für 4,5 Milliarden Dollar an den Inder Lakshmi Mittal verkaufen und verbuchte persönlich 260 Millionen Dollar Gewinn. Seither wird er an der Wall Street „König der Pleiten” gerufen.

Europa hat die höheren Zölle

Ross hat also mit Strafzöllen beste Erfahrungen gemacht. Er betrachtet sie nicht als ideologisches Instrument oder als eine Art merkantiler Atomwaffe. „Wir haben nicht vor, den Welthandel in die Luft zu jagen”, sagt er trocken. Ross sieht Strafzölle eher als Starteinsatz eines größeren Verhandlungspokers. So sollen die Strafzolldrohungen auf europäische Autos größere Handelszugeständnisse der EU erzwingen. Darum kündigte Trump am Montag über Twitter an, dass Ross mit EU-Vertretern über die „Beseitigung der hohen Zölle und Barrieren” reden werde, die die EU gegen die USA anwende.
„Die EU wäre gut beraten, wenn sie sich auf einen solchen Deal einließe und die Handelsbarrieren tatsächlich senken würden. Dann wäre Ross zufrieden und der Handelskrieg bleibt aus”, sagen Analysten aus Washington. Im Handelsministerium betont man, dass die US-Zölle auf europäische Autos nur 2,5 Prozent betrügen, die EU-Zölle auf Autos aus den USA aber bei 10 Prozent lägen.
Ross und Trump halten die geltenden Handelsabkommen zum US-amerikanischen Nachteil für unausgewogen. Also wollen sie das, was sie in ihrem Leben immer wollten – bessere Deals. Und nach außen muss es nach einem Sieg aussehen. Denn Ross wie Trump sind peinlich darauf bedacht, als kommerzielle Sieger dazustehen. Als das Wirtschaftsmagazin „Forbes” im Herbst die weltbekannte Reichenliste recherchierte, rief Ross eigens in der Redaktion an, um über sein Vermögen zu sprechen. Es läge bei 3,7 Milliarden Dollar, soll er erklärt haben. Doch Recherchen des Wirtschaftsmagazins ergaben: Er ist inzwischen gar nicht mehr Milliardär, sondern nur noch 700 Millionen wert. Das hat ihn gekränkt, genau wie Donald Trump verärgert war, dass „Forbes” ihn auf „nur” 4 Milliarden Dollar taxierte, wo er doch eigentlich 10 Milliarden schwer sei.
Ross und Trump übertreiben beide gern, beide haben die dritte Ehefrau, beide sind doppelte Nachbarn – sowohl in New York als auch in West Palm Beach in Florida. Und wie Trumps Familie hat auch Ross merkwürdige Geschäftsverbindungen nach Russland. Die „Paradise Papers” enthüllten eine Ross-Beteiligung an einer Reederei, die Schiffe zum Transport von Flüssiggas vermietet. Zum Kundenkreis zählte der russische Konzern Sibur, der Wladimir Putins Schwiegersohn und weiteren kremlnahen Oligarchen gehört – eigentlich stehen die in Washington auf der Sanktionsliste. Ross hat die Beteiligungen inzwischen ruhen lassen. Geschäfte, Sanktionen, Zölle und Regeln – alles ist verhandelbar. Und darin ist Ross bedrohlich gut.
Dieser Beitrag erschien zuerst in The European.

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