Stationen

Dienstag, 12. Juni 2018

Die Niedertracht der kanzleramtsnahen Presse

Man darf davon ausgehen, dass sowohl die Leser der Achse wie auch deren Schreiber recht gut informiert sind. Was wir alle wissen: 2015 wurde – wie uns die Deutsche Welle informierte – ein „Atomabkommen mit dem Iran unterschrieben. Was wir weiterhin wissen: 2018 hat Donald Trump den Ausstieg aus eben diesem Atomabkommen verkündet. Darüber waren die einen froh, während die anderen recht unglücklich schienen – vornehmlich die natürlich regierungskritischen deutschen Qualitätsmedien und eben die deutsche Bundesregierung, in dessen Dienst die deutschen Qualitätsmedien bekanntlich niemals stehen würden.

„Entsetzen“ habe der Ausstieg „international hervorgerufen“, schrieb die FAZ. Und die Süddeutsche Zeitung ließ verlauten: „Mit der Beendigung des Atomabkommens mit Iran sendet Trump ein fatales Signal über die Verlässlichkeit der USA.“ Künftig, so war der Tenor, sei kein Vertrag mit den USA das Papier noch wert, auf dem er stehen würde.
Die deutsche Regierung und mit ihr die europäischen Partner – und nicht zu vergessen: die äußerst regierungskritischen deutschen Qualitätsmedien – wollten unbedingt an dem Atomabkommen mit dem Iran festhalten. Vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgte sich um die Verlässlichkeit internationaler Abkommen. So weit und so gut sind die Rollen eben verteilt: hier der schurkenhafte und unverlässliche US-Präsident, der sich vor allem durch rabiate Interessenspolitik auszeichnet – und dort die guten europäischen Deutschen, die ihre naiv zur Schau gestellte Bräsigkeit als Verlässlichkeit verkaufen und den Begriff „Interessenspolitik“ im Leben nicht in den Mund nehmen würden.

Bannon kennt seine Pappenheimer

Und dann kam vor wenigen Tagen ein Interview in DIE ZEIT mit dem US-Präsidentenmacher Stephen Bannon. Bannon hatte sich zu zwei Interviewterminen bereit erklärt, unter der Voraussetzung, DIE ZEIT würde neben der üblichen Version auch ein ungekürztes Transkript des Gesprächs veröffentlichen. Das ist außergewöhnlich genug, aber Stephen Bannon kennt halt seine Pappenheimer von den Qualitätsmedien.
Der Gesprächsverlauf ist interessant, zeigt er doch einen Politikermacher, der von der großen globalen Umwälzung träumt. Und diese inzwischen auch in Europa anzettelt. Bannon, der nach eigener Aussage Leninist geblieben ist, vertritt in dem Gespräch die Grundzüge eines nationalen Sozialismus. Hyperaktivität dürfte bei Bannon noch dazu kommen. Politik wie auf Speed.
Aber darum soll es nicht gehen. Vielmehr geht es um folgende kurze Passage:
BANNON: Das Iran-Ding war noch nicht einmal ein Abkommen, es war noch nicht einmal ein unterschriebenes Dokument. Der Iran hat es nie unterschrieben. Das wussten Sie, oder?
ZEIT: Ja.

Das Ding ist kein Abkommen

Das machte mich natürlich stutzig. DIE ZEIT wusste also, dass dieses „Iran-Ding“ noch nicht einmal ein Abkommen war und der Iran es nie unterschrieben hatte. Und weil die Leser der deutschen Qualitätsmedien bekanntlich mehr wissen, stand es ganz sicher auch in einer der vorherigen Ausgaben von DIE ZEIT. Stand es aber nicht. Stattdessen schrieb DIE ZEIT am 21. Januar 2018: „Er [Trump] drängt die Europäer, die Gangart gegen den Iran zu verschärfen, wenn die Teheraner Führung sich nicht auf Änderungen einlässt. Die aber scheint nicht dazu bereit zu sein. Präsident Hassan Ruhani pocht auf den unterschriebenen Vertrag und die entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats.“
Nach der Logik, auf der Abendland und Zivilisation beruhen, bleibt nur ein Schluss übrig: Eine der beiden Aussagen muss falsch sein.

Nun gibt es bei völkerrechtlichen Abkommen einen Graubereich. Wenn sich alle daran halten, sind Absprachen wirksam, auch wenn sie nie unterschrieben wurden. Denn Wirksamkeit unterscheidet sich von Rechtsverbindlichkeit. Das Potsdamer Abkommen ist so ein Fall, denn es ist in Wahrheit über ein Abschlussprotokoll nie hinausgekommen. Rechtliche Verbindlichkeit hatte dieses Abschlussprotokoll nie.
Beim „Atomabkommen mit dem Iran“ verhält es sich ähnlich: Der Iran hat es nie unterschrieben, weil es gar kein rechtsverbindliches Abkommen ist. In der Sprache der politischen Juristen ist dieses „Abkommen“ nicht mehr als ein „gemeinsamer, umfassender Aktionsplan“. Das Atomabkommen mit dem Iran heißt dann auch in der Fachsprache „Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA)". Er ist eine Willensbekundung und rechtlich nicht bindend. Daher benötigt ein solcher „Aktionsplan“ keine Unterschriften.

The Joint Comprehensive Plan of Action

Bereits am 25. November 2015 zitiert die britische Daily Mail aus einer Mitteilung der damals noch regierenden Obama-Administration hinsichtlich des Atomdeals mit dem Iran: „The Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) is not a treaty or an executive agreement, and is not a signed document“ (Übersetzung: „Der gemeinsame Aktionsplan ist kein Vertrag oder eine Exekutivvereinbarung, und er ist kein unterzeichnetes Dokument.“)

In die Tiefen der Verwaltungssprache einzudringen, ist höchst mühselig. Den „Atomdeal“ ein „Atomabkommen mit dem Iran“ zu nennen, ist aber bereits die Übernahme von sprachlichen Unsauberkeiten, wie sie sich die Herrschenden wünschen, um die Unverbindlichkeit eines „Aktionsplans“ zu verschleiern. Und es stößt merkwürdig auf, welches Bohei um Gendersternchen und Binnen-Is gemacht wird, politische Verschleierungsausdrücke aber partout nicht hinterfragt werden.
Wenn ein Aktionsplan vom damaligen US-Präsidenten Obama durchgewunken wurde, von der Folgeregierung Trump dann aber anders bewertet wird, sollten die deutschen Qualitätsmedien ihr Geschrei schon danach ausrichten, welche Rechtsverbindlichkeit diesem Aktionsplan, der ein Nicht-Abkommen war, innewohnte. Dass er keinerlei Rechtsverbindlichkeit besaß, wird man in den deutschen Qualitätsmedien nicht finden. Dass fehlende Rechtsverbindlichkeit nur einem Land zupass kommt – nämlich dem Iran –, auch das wird man in deutschen Qualitätsmedien nicht finden.
DIE ZEIT wusste es. Geschrieben hat sie es nicht. Dafür brauchte es Stephen Bannon. Leider.   Vahlefeld

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