Stationen

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Spread

Zwei Zahlen sagen alles: In Italien sind 33 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, und 1,5 Millionen Italiener haben ihre Heimat verlassen, um anderswo ihren Lebensunterhalt zu suchen. Die neue Regierung in Italien ist zwar populistisch und oft degoutant – aber sie irrt sich trotzdem nicht. „Weiter so“ ist keine Option für Italien. Man muss die Wirtschaft ankurbeln.
Die italienische Regierung hat daher einen Haushalt aufgestellt, der ein moderates Defizit von 2,4 Prozent vorsieht. Doch selbst diese kleine Kreditaufnahme geht der EU-Kommission schon zu weit: Die italienischen Pläne seien eine „Provokation“. Sparen heißt das heilige Ziel; die italienische Not interessiert überhaupt nicht.
Es scheint also auf einen Machtkampf hinauszulaufen. Noch erweckt die italienische Regierung den Eindruck, als scheute sie die Konfrontation nicht, und posiert als David ­gegen Goliath. Doch wird auch diese Regierung am Ende kuschen, wie ihre diversen Vorgänger. Denn es gibt eine Knute namens „Spread“. Diese technische Vokabel kennt inzwischen jeder Italiener – und fürchtet sich davor. Gemeint ist der Risikoaufschlag, der für italienische Staatskredite fällig werden könnte.
Eurozone und EZB können jederzeit entscheiden, ob sie die Finanzmärkte von der Leine lassen – und eine Spekulation gegen Italien erlauben. Sobald aber die Zinsen für italienische Kredite steigen, droht die Staatspleite, während die Wirtschaft in die Krise stürzt. Italien ist also maximal erpressbar, was auch schon mehrfach genutzt wurde.
Doch sollte sich die Eurozone nicht zu sicher wähnen. Die meisten Italie­ner wissen, dass sie im Euro bisher nur verloren haben. Seit 1999 ist die italienische Wirtschaft in der Summe kaum gewachsen. Nur zum Vergleich: Deutschland kam im selben Zeitraum auf ein Plus von 31 Prozent. Es könnte also sein, dass die Italiener in naher Zukunft die Hoffnung ganz aufgeben und sich gegen den Euro entscheiden. Wenn die Eurozone auseinanderbricht, dann nicht wegen Griechenland – sondern wegen Italien.   Ulrike Herrmann