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Sonntag, 25. November 2018

Adolf, Angela und die Lose-Lose-Situationen

Ein Wunder geschieht: Angela Merkel wird schon vermisst, obwohl sie noch gar nicht weg ist. Die Hofpresse kriegt sich nicht mehr ein angesichts der unglaublich souveränen rhetorischen Wucht ihrer jüngsten Bundestagsrede. Das Finale im Amt treibt sie zu unerhört goldenen Worten. Etwa diesen: „Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht und Win-Win-Situationen akzeptiert.“

I.
Frohgemut stimmen wir zu. Doch Moment! Von wem spricht die deutsche Kanzlerin? Wer denkt, er könne das Weltklima ganz allein retten, indem er die eigenen Atomkraftwerke abschaltet? Wer hat ohne Rücksicht auf die europäischen Nachbarn und Partner die Grenzen geöffnet? Merkel selbst demonstriert einen Nationalismus, der vieles verrät, bloß keinen Patriotismus.
Seit Trump sich für den erfolgreichsten amerikanischen Präsidenten der Geschichte hält, sind Selbstbeweihräucherungslügen State of the Art. Früher hätte man Merkels Erguss einen Haltet-den-Dieb-Satz genannt. Einen dummdreisten Ablenkungsversuch vom eigenen Versagen. Angela Merkel kreiert im Amt nicht Win-Win-, sondern Lose-Lose-Situations. Deshalb muss man sie jetzt auch zweimal los werden, einmal reicht nicht. Win. Win.
II.
Jahrzehntelang wäre ein Einwanderungsgesetz notwendig gewesen. (Siehe z.B. Roland Tichys Plädoyer: „Ausländer rein!“ 1990). Auch Angela Merkel hat es verhindert. Erst seit sie selbst Flüchtlinge, Armuts- und Arbeitsmigranten in einen Topf wirft, plädiert sie für ein Einwanderungsgesetz, das zwei Fliegen mit einem Schlag trifft. Erstens soll es ihre immerwährende Adventsfeier (Macht hoch die Tür, das Tor macht weit) legitimieren und zweitens zugleich den Fachkräftemangel beseitigen. Für den Gegenwind hat sie selbst gesorgt. Es ist dasselbe Misstrauen, das dem Einwanderungsgesetz wie auch dem UN-Flüchtlingspakt entgegenschlägt. Man traut beiden nicht über den Weg, obwohl manches für sie spricht. Dafür gibt es ca. zehn Gründe. Grund 1 bis 10: Merkels real existierende Migrationspolitik. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
III.
Die Ausrede der angeblichen Unverbindlichkeit des Migrationspakts widerlegt sich selbst. Was hier unverbindlich ist, kann nicht anderswo zwingende Notwendigkeit sein.
IV.
Das Einwanderungsgesetz wirbt nicht bloß Fachleute an, sondern so gut wie jedermann. Kommt erst mal, dann schaun wir schon! Und eine antieuropäische Frechheit ist es, Bürger der EU bei der Arbeitssuche in Deutschland nicht mehr zu bevorzugen.
V.
Der systemische Schwachsinn der Politik in Deutschland ist nirgends klarer zu erkennen als im Diesel-Desaster. Deutsch sein heißt bekanntlich, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben. Deshalb wurden Messstellen so platziert, dass größtmöglicher Schaden herauskommen musste – für die Umwelt wie fürs Automobil. In anderen EU-Ländern gelten die selben (durchaus fragwürdigen) Grenzwerte, aber kaum irgendwo werden sie erreicht. Statt daraus die einzig mögliche Konsequenz zu ziehen, schlägt der CSU-Minister, dessen Namen zu nennen in diesem Zusammenhang eine Verbalinjurie wäre, den Einsatz modernster polizeilicher Verfolgungsinstrumente vor. Und die doch neuerdings so eloquente Kanzlerin lässt das alles zu. Ist ihr schnuppe. Deutsch sein in der Politik: Dümmer gehts nimmer, das aber aus Prinzip. In Frankreich wären die Bürger angesichts solcher Zustände längst auf der Straße. Hier schließt sich der Kreis zu Merkels goldenen Worten. Öko- und Migrationsnationalismus sind das Gegenteil von Patriotismus. Lose-lose statt win-win.  Herles


Tipp für Weihnachtsgeschenke: Herles "Die neurotische Nation"