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Mittwoch, 19. Dezember 2018

Kurz vs. Macron

Seit genau einem Jahr amtiert Sebastian Kurz als Bundeskanzler, er zog am 18. Dezember 2017 am Ballhausplatz ein. Für die „Süddeutsche“ lag es nah, weniger auf volkswirtschaftliche Daten zu schauen, sondern zur Erklärung der Popularität von Kurz ein Interview mit dem österreichischen Historiker Oliver Rathkolb zu führen, Autor des Buchs „Die paradoxe Republik“.
Auf die Frage nach der Bilanz für das Mitte-Rechts-Kabinett, das seit einem Jahr Österreich regiert, meint Rathkolb:
„Kanzler Kurz lässt der FPÖ eine lange Leine. Dafür steht sie ihm nicht im Weg. Die ÖVP setzt ihre konservative und wirtschaftsfreundliche Politik um… Die FPÖ beschränkt sich auf Symbolpolitik. Dazu gehören die Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnen oder dass weiterhin in der Gastronomie geraucht werden kann. Was mich irritiert, ist die fehlende Zukunftsvision. In Fragen zu Klima, Migration oder Bildung ist die österreichische Regierung in Richtung Vergangenheit unterwegs.“
Was fällt dem Historiker noch auf?
„Kurz hat erkannt, dass die Österreicher Streit in der Politik ablehnen. Ihm gelingt es, nach außen hin zu vermitteln: Das ist die erste Koalition, die arbeitet und nicht streitet. Das kommt bei den Österreichern sehr gut an.“
Oliver Rathkolb ist auch Herausgeber einer Studie, die sich mit dem beschäftigt, was er „autoritäre Sehnsucht“ nennt. Beziehungsweise, ins Nüchterne übersetzt: mit dem verbreiteten Wunsch der Wähler, einigermaßen vernünftig und unter Berücksichtigung ihrer Interessen regiert zu werden. Diese autoritäre Sehnsucht jedenfalls, stellte Rathkolb fest und referiert es gegenüber der Süddeutschen, habe mit dem Amtsantritt von Kurz und dessen Vizekanzler Heinz-Christian Strache 2017 deutlich abgenommen – weil sich offenbar viele Österreicher nicht mehr sehnen, sondern meinen, die Regierung erledige ihr Programm nicht schlecht.
Rathkolb: „Seit seinem Amtsantritt ist unseren Umfragen zufolge die autoritäre Sehnsucht nachweislich nach unten gegangen – weil viele das Gefühl haben: Jetzt werden wir geführt. Er fährt zudem einen härteren Asyl- und Migrationskurs, was seine Wähler und Wählerinnen goutieren.“
„Seine Fans“, fragt die Münchner Zeitung besorgt, „beklatschen auch, dass Kurz Österreich zurück auf die internationale Bühne und auf viele Magazincover gebracht hat. Schwingt da auch ein ‚Wir sind wieder wer’ mit?“
Auch dazu weiß der Historiker eine Antwort, die auf die Fragesteller möglicherweise irritierend wirkt:
„Interessanterweise haben Kurz und Strache dasselbe politische Vorbild: den früheren SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky. In der Erinnerung der Österreicher ist das der letzte große Staatsmann. Kurz hat in einem Punkt auch Ähnlichkeit mit Kreisky: Er schafft es so zu kommunizieren, dass ihn jeder versteht.“
Mit anderen Worten: Sebastian Kurz verfolgt seit einem Jahr eine wirtschaftsfreundliche Politik, vermeidet Koalitionskrach, die Partei rechts von ihm treibt die Alpenrepublik nicht etwa in die Diktatur, sondern beschränkt sich auf Kleinthemen. In der Migrations- und Asylpolitik verfolgen beide einen mehrheitsfähigen Kurs. Außerdem pflegt Kurz eine politische Rhetorik, die Schachtelsätze meidet und einigermaßen klare Aussagen enthält.
Mit Tricks dieser Art  ist es natürlich keine Kunst, gut in Umfragen abzuschneiden.
Es folgt noch eine Frage der Süddeutschen zu den Protesten in Österreich gegen die Kurz-Regierung, die unter dem Motto „Wehret den Anfängen“ stehen. Die Zahl der Protestler, trübt Rathkolb die Stimmung, sei sehr übersichtlich. Vor allem – das erwähnt er zwar nicht, aber es fällt in diesen Tagen besonders auf – im Vergleich zu den Anti-Macron-Demonstranten in Paris.   (aber das Beste kommt hier...)



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