Stationen

Dienstag, 5. Februar 2019

Moritz Eggert ist zum Denuntianten geworden



Fast jede Information darin ist falsch oder grotesk verdreht. Der einzige Glatzkopf etwa, mit dem der erwähnte schlimme Cellist freundschaftlichen Verkehr pflegt, dürfte – zumindest, was den Kahlschädel betrifft, temporär – ich sein. Aber wer sind diese Hetzer, die sich hier auf Kosten eines Kollegen so wohlfeil wie trendkonform zu exponieren versuchen? Moosdorf war so frei, sie zu beschreiben (also, im Duktus ihres Steckbriefs, sie "zu bedrohen"):
"Zum Beispiel Moritz Eggert, Professor an der Münchner Musikhochschule. Wenn man dort fragt, wofür, bekommt man zur Antwort: für Denunziation. Denn als Komponist ist er so frei von Inspiration wie als Pianist von Technik und Klangsinn. Die Mannen, die er zur Erfüllung seines gesellschaftspolitischen Lebenswerkes um sich geschart hat, sind von ähnlicher Exzellenz. Arno Lücker, Alexander Strauch – der geneigte Leser möge die Namen und ihre bisherigen Meriten googeln. Was sie verbindet, ist die bedeutungslose Mittelmäßigkeit und ihre gemeinsam gefundene Aufgabe. Als Aktivisten der Musikszene bestätigen sie sich immer wieder ihre wichtige Rolle – vor allem untereinander. Die NMZ (Neue Musikzeitung) betreibt mit ihrer Hilfe einen 'Bad Block of Musick'. Dort werden missliebige Kollegen oder auch nur Künstler, die eine eigene, gar abweichende Meinung haben, an den Pranger gestellt, ihre Likes an den falschen Stellen gezählt und Ensembles dafür in Sippenhaft genommen. Meine Frau zum Beispiel, im obigen Programmzettel noch (unzutreffenderweise) als Jüdin bezeichnet, kommt in einem von dieser Musik-Stasi verfertigten Video als Hund vor: der Hund Olga. Herumkommandiert mit dem schauspielerischen Werkzeugkasten von KZ-Aufsehern – die mir zugedachte Rolle.
Zum Konzert war Professor Eggert höchstselbst erschienen, im Kreise mehrerer geckenhafter Jünglinge trug er Pappschilder in den vollen Saal. Man hatte schließlich 'Überraschungen' angekündigt. Diese beschränkten sich darauf, während des Konzertes die Parolen hochzuhalten und am Ende eines jeden Stückes 'Bravo, Moosdorf, bravo von rechts!' zu brüllen. Die Zuhörer schauten indigniert. Eggert ist übrigens dort Akademiemitglied.
Nun war das aber nicht irgendein Konzert. Das Leipziger Streichquartett, mit bisher über 3000 gegebenen Konzerten weltweit, hat sich auf seinen etwa 120 CD-Produktionen immer auch für die Neue Musik eingesetzt, verfemte Komponisten bekannt und ihre Werke hörbar gemacht. Gestern Abend waren die Akademie und der Bayerische Rundfunk Gastgeber für die beiden hochbetagten Weltstars auf dem Feld der Komponisten: Sofia Gubaidulina und Christobal Halffter. Ihre Diskussion wurde durch je eines ihrer Streichquartette musikalisch umrahmt. Beide hatten in ihrem Leben Repressionen erlebt, wussten somit genau einzuordnen, wie die zuerst filigranen Risse im Firnis der Kultur in die Katastrophe münden. Vor allem Gubaidulina versteht sich als ein Seismograph dieser so verhängnisvollen gesellschaftlichen Verwerfungen. Ihre Musik ist der Kampf gegen den Niedergang des Westens – so ihre Diagnose. Man kann ihrer beider Gesichtsausdruck nicht mehr Betroffenheit nennen, so sehr verstörte sie die offenbare Wiederkehr von längst überwunden geglaubten Zeiten. Das war augenscheinlich nicht ihr heutiges, freiheitliches Europa. Denn mit den von Eggert & Co gelebten Tugenden wurde das Versteck von Anne Frank verraten, wurden im Moskauer Hotel Lux die Listen vermeintlicher Volksfeinde für Stalin zusammengestellt und in der DDR die Mitbürger ins Zuchthaus befördert.
Ohne willfährige Zuträger und Denuzianten und ihre Grundüberzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, kann kein System der Gesinnungskontrolle existieren. Die Freiheit zerschellt an der Mauer der vermeintlich richtigen Ideologie und die Demokratie am moralischen Imperativ.  Und der Kunstbetrieb, die Avantgarde der spielenden und schreibenden Zunft assistiert, vermutlich weil ihm andere Argumente fehlen. Das ist es, was die 'Erklärung der Vielen' zuletzt darstellt: eine bestellte Ergebenheitsadresse, eingetrieben von der Angst, auf der falschen Seite zu stehen, von Leuten wie Eggert. Ein Typus, ohne den sich 1944 kein Freiwilliger mehr für die Ostfront und 1988 kein Kandidat mehr für die SED gefunden hätte. Weiter so!"
Nun, hier ist es aber Moosdorf, der maßlos übertreibt: Eine solche Molluske wäre ein schneidiger Pg geworden, hätte sich aber niemals freiwillig zur Front gemeldet.    MK am 1.2.

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