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Dienstag, 19. Februar 2019

Zu wahr, um schön zu sein

Die u.a von mir – und von mir besonders innig! – vertretene These, dass viele Medienschaffende der zweiten deutschen Noch-Republik auch in der zweiten deutschen Diktatur einen guten Job gemacht hätten, konnten die Interessierten unter den verbliebenen Medienkonsumenten anhand der Berichterstattung über den Auftritt der Sonnenkanzlerin auf der Münchner Sicherheitskonferenz einmal mehr verifizieren.
"In München blitzt auf, wie die Welt sein könnte: Angela Merkels engagierter Aufruf zur Zusammenarbeit wird gefeiert", akklamierte blitzgescheit die Zeit. "Fast so etwas wie ein Vermächtnis", erspürte der Süddeutsche Beobachter: "Die Kanzlerin spricht Klartext. Die Amerikaner kriegen ihr Fett weg, die Russen, aber auch die Chinesen. So geschieht das, was vergleichsweise selten geschieht. Die Gäste im Bayerischen Hof erleben Geschichte." (Der Autor schiebt noch ein verdruckstes "jedenfalls Konferenzgeschichte" nach; man muss ja an die Zukunft denken.)
"Es war ein diplomatischer Befreiungsschlag in doppeltem Sinne. Zum einen zeigt sie den USA deutliche Grenzen auf. Zum anderen holt sie Deutschland aus seinem diplomatischen Tiefschlaf und gibt Leitlinien vor", ließ das Akademikerportal Focus-online auch diese Gelegenheit nicht aus, intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit zu demonstrieren. "Merkels Rede war unerschrocken und deutlich, sie war machtvoll und befreit von der Last des CDU-Vorsitzes. Die mutige Klartext-Kanzlerin scheute die Konfrontation nicht und machte der Welt damit klar: An Deutschland führt kein Weg vorbei und sie zementierte damit auch den deutschen Führungsanspruch in der Welt."
Die Amtszeit des letzten deutschen Führungsbeanspruchers, von dem die deutsche Regierungspresse schreiben konnte, er habe den Amis die Grenzen gezeigt (auch wenn die Blödmänner sie bisweilen nicht erkannten und versehentlich die Schweiz bombardierten), liegt ja deprimierend weit zurück, da ist eine gewisse aggressive Nostalgie verständlich. Nebenbei, erfuhren wir, habe die Kanzlerin auch den Chinesen und den Russen die Koordinaten durchgestellt. Sollte sie das perfide Albion vergessen haben? Dann kommen die Briten wohl bei einer der nächsten Vermächtnis-Reden dran.
Nicht ganz so "dickhirnschalig" (Goethe) wie der Focus-Weltweise, aber demselben Fulminanzgebot folgend, frohlockte der Berliner Tagesspiegel: "Angela Merkel legt in München los wie die Weltfeuerwehr." Weltfeuerwehr, Weltgeschichte, Weltzusammenarbeit, Weltführung, eine Ahnung der Welt, wie sie sein könnte, Weltesche, Weltenbrand – und mittendrin, nur durch einen dünnen Hosenanzug von der Welt getrennt, unsere Angela I.! "Donald Trumps Vorgänger Barack Obama hätte seine Freude gehabt", notierte verzückt der Tagesspiegel.
Dieser Barack Obama sagte übrigens nach dem Ende seiner Amtszeit über seine kongeniale deutsche Partnerin: "Sie ist nun ganz allein."

"Gott sei Dank." (Alexander Wendt)    MK

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